Jahrtausensommer

Wiederholungsgefahr

Von Dietrich Jörn Weder

Im bisherigen Jahresverlauf hat uns der Klimawandel in Deutschland kaum zum Schwitzen gebracht. Die eigentlichen Sommermonate Juni, Juli und August werden zeigen, ob noch einmal ein Jahrtausendsommer wie 2023 vor der Türe steht. Und dafür spricht einiges, insbesondere die fortdauernde Überhitzung der Wasseroberfläche des Pazifik.

Deutscher Klimaschutz immer noch zu zaghaft

Die Sommermonate des vergangenen Jahres sollen tatsächlich die wärmsten der letzten zweitausend Jahre gewesen sein, jedenfalls in unserer nördlichen Hemisphäre außerhalb der Tropen. Selbst das Jahr 246, das bis 1890 wärmste in dieser langen Zeit, wurde noch einmal um 1,2 Grad Celsius übertroffen. Das behaupten zu unserem Erstaunen die Verfasser einer neuen in „Nature“ veröffentlichten Studie. (Le Monde vom 16.Mai 24 : L´été 2023, le plus chaud depuis deux mille ans.)

Sie stützen sich dabei in der Hauptsache auf die jeweils zugewachsenen Jahresringe in einer großen Zahl heutiger oder auch schon fossiler Baumstämme. Aus den darin konservierten Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopen lässt sich sehr genau auf die Witterung, Temperatur und Feuchtigkeit, einzelner Jahre schließen. (Online-Kurzfassung in „Nature“ vom 14. Mai 24,Hauptautor Jan Esper) Wie warm und wie feucht es in jedem Sommer seit Christi Geburt war, erfahren wir unglaublicherweise auf diesem allerdings sehr aufwändigem Wege.

Querschnitt Eichenstamm mit Baumringen (Foto: Ulf Büntgen)

Alpengletscher schmelzen rapide

Die ersten Jahrzehnte unseres noch jungen Jahrhunderts waren die wärmsten in historischen Zeiten. Der temperaturbestimmende Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre ist seit Beginn der Industrialisierung auf den höchsten Stand seit Millionen von Jahren gestiegen, sagen uns die Klimahistoriker. In der sommerlichen Brennglas-Hitze haben die Schweizer Alpengletscher in den letzten beiden Jahren zehn Prozent ihres Volumens verloren.

Wir haben es zweifellos mit einer erschreckenden Zuspitzung des Klimawandels zu tun. Umso mehr drängt sich die Frage auf, welche Schlüsse die Politik und wir selber wir aus den alarmierenden Indizien ziehen.

Regierung ohne Klima-Courage

Der Bundesregierung mangelt es an Courage in der Klimapolitik. So zog sie im Juni vergangenen Jahres ihr heftig angefeindetes Heizungsgesetz zurück und kapitulierte sogleich auch in der Sache, indem sie neue Gasheizungen weiterhin zuließ. So bleibt der wichtige Gebäudesektor einen Beitrag zur Klimaentlastung weiterhin Jahr für Jahr schuldig.

Auf die bloße Drohung ihres Verkehrsministers, eventuell Fahrverbote an Wochenenden zu verhängen, befreite sie jüngst den Verkehrsbereich zusammen mit dem Gebäudesektor ganz von eigenen Minderungsverpflichtungen. So kann der Straßenverkehr weiterhin unbehelligt von Berliner Vorgaben das Klima massiv mit Verbrennungsgasen belasten Im Klimaschutz geht es aber nur dann wirklich voran, wenn er die Leute zu beißen und zu schmerzen beginnt.

Mit Klimaschutz Geld verdienen und sich ein gutes Gewissen machen

 Vielleicht eröffnet sich ein neuer Weg, wenn die Bevölkerung die Emissionsminderung zu ihrer eigenen Sache macht. Massenhaft schaffen sich die Bürger gerade sogenannte Balkonkraftwerke an, die im besten Fall nicht nur das Klima, sondern auch den Geldbeutel schonen. Neue Windräder lassen sich leichter aufstellen, wenn den Bürgern beziehungsweise ihren Gemeinden dafür die Nase vergoldet wird. Ich selber trete demnächst einer Bürger-Energie-Genossenschaft bei, die Klimaschutz aller Art finanzieren und daran verdienen will.

Neue sommerliche Hitzerekorde bleiben uns damit nicht erspart, aber sie belasten dann weniger das eigene Gewissen.

Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten

Titelbild: Sommerhitze (Bildquelle: Wikipedis/Von Frank Liebig – Archiv Frank Liebig)

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