Bad Vilbel

Wieder mit Kurhaus

Von Detlef Sundermann

Das alte Kurhaus in Bad Vilbel ist am Sonntag, 28. April 2024, wiedereröffnet worden. Grund für die Stadt, das Ereignis drinnen wie draußen zu feiern.

Böden und Türen wie in den 1930er Jahren

In Reihen warten die Leute dicht am Haupteingang, auf dass sich die Türen bald auch für sie öffnen werden. „Wie hat der Sekt geschmeckt“, ruft eine Frau mit schalkhaftem Lächeln, einem Herausgehenden entgegen. „Wer vor dem Schlusswort des Bürgermeisters geht, bekommt keinen Sekt“, musste die Fragerin erfahren. Und nach dem offiziellen Teil mit geladenen Gästen, durften denn auch die Leut’ hinein.

Das untere Foyer… (Fotos: Sundermann)

Terrazzoböden, anthrazitfarbene Steintreppen sowie Fenster- und Türdesign – zumindest trifft dies für die äußeren Türen zu – wie in den 1930er Jahren. Das Gebäude zeigt sich nun augenscheinlich näher dem historischen Zustand als vor 2018, vor Beginn der Bauarbeiten. Die Modernisierungen der vorangegangenen Jahrzehnten und der jeweilige Zeitgeschmack sind passé. Die vielen Holzvertäfelungen, die Lamellendecken oder der Sisal Bodenbelag, der auch über die Treppenstufen gelegt wurden, sind verschwunden.

… und das obere Foyer.

Auflagen des Denkmalschutzes

Die Sanierung erfolgte unter strengen Auflagen des Denkmalschutzes. Dort wo etwa der historische mineralischen Bodenbelag unter Teppich oder PVC zum Vorschein kam, wurde er sorgsam restauriert und Schadflächen durch einen neuen Terrazzobelag ausgebessert. Schwarze Linien im Boden trennen entsprechend dem heutigen Selbstverständnis in der Denkmalpflege Alt von Neu. Auch wurden im Anstrich Farbfenster gelassen, die die erste Farbgebung dokumentieren. Bei der Beleuchtung hatte die Rehistorisierung jedoch keine Chance. Neuzeitliche LED-Punktreihen in den Decken sorgen nun für die Helligkeit. Der Denkmalschutz stieß beim für das Bauen zuständigen, ehrenamtlichen Stadtrat Klaus Minkel (CDU) in Sachen Saaldecke hingegen nicht auf Wohlwollen.

Der neugestaltete Saal.

Für die Wärmedämmung sollte die Rabitzkonstruktion einer neuen freitragenden weichen. Der Berliner Maurermeister Carl Rabitz entwickelt 1878 die Methode, Drahtgeflecht als Träger für den Putz zu verwenden. Das war formflexibel und günstig. Diese Träger hängen wiederum im Dachboden an Drähten. Beim alten Kurhaus sollen es rund 1500 dünne Eisenstäbe gewesen sein, die somit keinen Platz für eine Dachisolation ließen. Unter dem Rabitz musste nun hierzu eine Zwischendecke eingezogen werden.

Baubudget nicht eingehalten

Obwohl Denkmalschutz sich nicht allein auf sichtbare Teile eines Gebäudes bezieht, denn was bei einer Modernisierung verdeckt wird, kann einfach durch Entfernen wieder in den Urzustand versetzt werden, und eine Rabitzdecke hohe Brandschutzanforderungen erfüllen soll, merkte Minkel an, dass diese Auflage der Denkmalbehörde viel Geld der Steuerzahler gekostet habe. Das machte er am Sonntag auch noch einmal deutlich.

Das Baubudget wurde nicht eingehalten, auch schon wegen der langen Bauphase, die 2018/19 mit der auf der Rückseite angesetzten und vor einem Jahr eröffnet Stadthalle „Vilco“ begann. Ursprünglich sollten beide Gebäude zum Hessentag 2020 fertig sein, was auch ohne Corona-Pandemie wie ein heißes Versprechen klang. Die Anfrage vorab an die Pressestelle der Stadt nach den aktuellen Baukosten und dem Nutzungskonzept blieb unbeantwortet. In einem wöchentlichen Werbeblatt hieß es dieser Tage von Minkel, dass es „mindestens zehn Millionen Euro“ seien werden.

Zu den Nutzern zählt das Bürgerbüro im Erdgeschoss. Der Saal und andere Räumen werden voraussichtlich wieder die Vereine in der Stadt und Veranstalter mit einem Raumbedarf für bis zu 300 Personen belegen können. Gast wird aber ebenso die Stadtverordnetenversammlung sein, die dort am 7. Mai erstmals tagt.

Das Bürgerbüro im Erdgeschoss.

„Das Kurhaus ist nicht nur ein Ort, sondern auch ein lebendiger Teil unserer Geschichte“, sagte Bürgermeister Sebastian Wysocki (CDU) zufrieden. Es ist aber auch ein Teil der 44 Jahre dauernden kommunalpolitischen Tätigkeit Minkels. Der sieht nach der Fertigstellung des Projektes Stadthalle/Kurhaus nur noch eine „letzte Aufgabe“ vor sich: den Bau den Spaßbades mit einem kommunalen Schwimmbecken.

Die Geschichte des Kurhauses

Zwischen Spatenstich und Eröffnung im August 1928 lagen knapp 18 Monate Bauzeit. Nicht allein, das ist das Besondere. Vilbeler Bürger errichteten die Versammlungsstätte nach Feierabend von ihrer eigentlichen Arbeit und am Wochenende ehrenamtlich. Statistisch soll jeder Arbeiter mehr als 1000 Stunden geleistet haben.

Lustige Musikanten verkürzen den Wartenden, die nach der Eröffnungsfeier mit geladenen Gästen endlich ihr modernisiertes Kurhaus von innen besichtigen wollen.

Es war die Zeit der Volkshaus-Bewegung in Deutschland. Arbeitervereine, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler benötigten Versammlungsorte, auch um der Willkür der Wirte nicht ausgesetzt zu sein. In Vilbel wurde einen Volkshaus Gesellschaft gegründet, um die Baukosten, die 250 000 Reichsmark betragen haben sollen, zu stemmen. Mutmaßlich gelang dies leidlich, so dass die Stadt als Bürge einspringen musste, um dem Bau vollenden zu können. Als Standort wurde die riesige Bleichwiese auf der stadtabgewandten Nidda gewählt, der nassen Seite.

Als die Volkshaus Gesellschaft schon bald nach Fertigstellung Konkurs anmeldete, übernahm die Stadt das Gebäude – und am 5. August 1933 die Nazis, sie bauten es zum Kurhaus um. Schon zuvor soll es bei der Stadt hierzu Überlegungen gegeben haben. Auf der Rückseite wurde ein Wannenbädertrakt angebaut, der Kurpark entstand mit Gewächs aus der Konkursmasse des Siesmayer-Betrieb am Schöllberg. Und der Kriegerverein konnte endlich seine Kriegergedenkstätte errichten lassen, von der heute noch die martialische gestaltete, zwölf Meter hohen Stele steht.

Titelbild: Der wiedereröffnete Kurhaus.

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