Verbeugung vor der Natur
von Jörg-Peter Schmidt
Dem katalanischen Künstler Xavi Bou gelingt dank einer Kombination verschiedener Fotografier-Techniken etwas Besonderes: Er macht die scheinbar unsichtbaren Spuren der Flugbahnen von Vögeln erkennbar. Bis zum 20. Mai 2024 ist eine Auswahl seiner Bilder im Gießener Mathematikum ausgestellt.Nachfolger der Fotopioniere
Der frühere Mode- und Werbefotograf, der in Barcelona lebt, wo er auch geboren ist, war gern der Einladung von Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher gefolgt, der ihn während der gut besuchten Vernissage im Mitmachmuseum vorstellte und ihn in englischer Sprache interviewte. Bevor aber von Xavi Bou zu erfahren war, wie er die Flügelschlag-Bahnen der gefiederten Freunde wie dem Alpensegler, den Brieftauben oder den Küstenschwalben künstlerisch verarbeitet, übergab Beutelspacher das Mikrofon an die Leiterin des Gießener Oberhessischen Museums, Dr. Katharina Weick-Joch.
Sie ging auf die Historie der Aufnahmen von bestimmten Bewegungsabläufen von Mensch und Tier ein, die erst durch die Fotografie (Stichwort: das schnelle Aufeinanderfolgen von Aufnahmen) richtig erkennbar sind. Es gab Pioniere der sogenannten Chronofotografie im 19. Jahrhundert wie Ottomar Anschütz oder den Briten Eadweard Muybridge, dessen Bilder eines Reiters auf einem galoppierenden Pferdes aus dem Jahr 1878 weltberühmt geworden sind. Ihm gelang es mit Hilfe mehrerer Kameras mittels einer Serie von zahlreichen Einzelbildern folgenden Nachweis zu erbringen: Sämtliche Hufe eines Pferdes sind beim Galopp einen Moment lang über dem Boden.
Wie entstehen die fantastischen Bilder?
Xavi Bou ist sozusagen ein Nachfahre solcher Pioniere. Wie aber sind seine Exponate entstanden, die im Mathematikum zu sehen sind? Das Flügelschwingen der Vögel ergibt auf den Fotos, die noch am Computer bearbeitet werden, beispielsweise reißverschlussähnliche Muster in der Form von Schlangengebilden oder dunkle, dichte Wolken aus Strichen und Punkten. Der Fotograf aus der Hauptstadt Kataloniens verwendet eine Technik, bei der rasend schnell und mit einer besonderen Auflösung die Aufnahmen innerhalb von Sekunden möglich sind, die zu einem Bild zusammengefügt werden. Die Konzentration auf die Flügelschlag-Spuren des Vogelflugs wird auch ermöglicht, wenn der Katalane am Computer die Landschaft als Hintergrund teilweise oder ganz löscht. Der Künstler fertigt seine Aufnahmen vorwiegend in seiner Heimat, war aber zum Fotografieren auch schon in Island unterwegs.
„Spuren am Himmel“
„Spuren am Himmel“ lautet der Titel der Ausstellung im Mitmachmuseum, die die Bewunderung der Natur Xavi Bous verdeutlicht. Er sagt: “Ich will die Menschen verzaubern und sie zur Achtsamkeit gegenüber der Natur bewegen. Ich wünsche mir, dass sie die Natur als das große, faszinierende Geheimnis wahrnehmen, das mein Großvater mir früher eröffnet hat.“
Albrecht Beutelspacher war der Stolz und die Freude anzumerken, diesen großartigen Künstler für diese Ausstellung gewonnen zu haben. Der Katalane führt die begeisterten Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung und erläuterte die Exponate, die einen in der Tat in den Bann ziehen.
Beutelspacher dankte seinem Team, darunter der Kuratorin Laila Samuel und der Volontärin Annika Lang sowie der Werkstatt, für die Vorbereitung der Ausstellung, die während der Öffnungszeiten des Mathematikums zu sehen ist.
Führungen (jeweils um 15 Uhr) gibt es am 17. März, 14. April und am 19. Mai.
Titelbild: Xavi Bou erläuterte den faszinierten Gästen der Vernissage, wie seine Fotos entstanden sind. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt: 2)