Windpark Winterstein

Rosbach muss sich entscheiden

Von Klaus Nissen

Am 11. Juli 2023 treffen die Rosbacher Stadtverordneten eine folgenschwere Entscheidung. Der kommunale Energieversorger OVAG und die Wiesbadener Abo-Wind haben sehr unterschiedliche Konzepte für den künftigen Windpark am Winterstein. Es geht um viel Geld. Und darum, ob die Kommune selbst ins Windkraft-Business einsteigt.

Rosbach verpachtet – oder steigt selber ein

Eine oder zwei Sieben-Megawatt-Windmühlen sollen 2027 auf Rosbacher Grund in Betrieb gehen. Sie werden zu den gut 18 Anlagen gehören, die am Winterstein künftig viel Energie produzieren.

Die schraffierte Fläche zeigt das 414 Hektar große Windvorranggebiet auf dem Winterstein. Auf Rosbacher Gemarkung ganz im Süden passen ein bis zwei Windmühlen. Wenn sich die Stadt für das OVAG-Konzept entscheidet, könnte sie am ganzen Windpark teilhaben. Grafik: Bündbis Windpark Winterstein.

Bisher hat die Firma Abo Wind als Erbauerin und vorläufige Betreiberin die Nase vorn. Sie bekam schon den Zuschlag für fünf Anlagen auf dem Areal des Hessenforstes. Die Stadt Friedberg entscheidet wohl erst nach den Sommerferien, wer auf ihrer Gemarkung fünf bis sechs Mühlen bauen darf – zuerst soll ein Gutachter die Alternativen klären, hieß es am Donnerstag.

Abo Wind hat die Nase als Erbauerin vorne

In Rosbach hat der Magistrat ebenfalls einen Vertrag mit der Abo-Wind vorgeschlagen. Die Firma garantiert mindestens 460 000 Euro Jahrespacht pro Anlage. Sie bot der Stadt im Juni 34 Prozent der Einspeisevergütung an. Den fertigen Park will Abo-Wind an die neue Zentralgenossenschaft von acht hessischen Energiegenossenschaften verkaufen. Falls die nicht genug Kapital auftreibt, stehe die Mainova bereit, hieß es im Juni. Das sei nicht mehr der Fall, berichtete Ronny Thorenz von der Zentralgenossenschaft am Donnerstagabend vor dem Haupt- und Finanzausschuss.

Das OVAG-Angebot komme ihm „sehr schlüssig“ vor, sagte Ronny Thorenz von der neuen Zentral-Energiegenossenschaft. Doch lieber würde er mit der Abo-Wind arbeiten. Die Wiesbadener Firma will den Windpark an die Genossenschaft verkaufen. Die OVAG bietet den halben Windpark direkt den Kommunen an. Foto: Nissen

Der gelernte Investmentbanker Thorenz machte kein Hehl daraus, dass er lieber mit der Abo Wind auf dem Winterstein investieren würde. Er selbst sei Fotovoltaik-Fachmann. „Ich kenne mich in der Windenergiewirtschaft nicht aus“, bekannte Thorenz. Doch Jürgen Staab von der Energiegenossenschaft Main-Kinzigtal sei um so fachkundiger. Beide bilden den Vorstand der erst vor drei Wochen gegründeten Zentralgenossenschaft.

Das am Donnerstag präsentierte OVAG-Konzept kann Thorenz schon deshalb nicht schmecken, weil es den Energiegenossenschaften viel weniger Geschäftsvolumen lässt. Die Anliegerkommunen selbst sollen die Hälfte am Windpark kaufen, schlugen am Donnerstag die OVAG-Chefs Joachim Arnold, Oswin Veith und Hans-Peter Frank vor. Friedberg, Rosbach, Wehrheim und Ober-Mörlen könnten jeweils 12,5 Prozent der Anteile bekommen.

OVAG schätzt die Baukosten auf 110 Millionen Euro

Dafür müssten sie je vier Millionen Euro aufbringen. Insgesamt kostet der Windpark nach OVAG-Schätzung 110 Millionen Euro. 70 Prozent der Summe will man bei Banken leihen. Hans-Peter Frank sprach auch vom Bau einer Wasserstoff-Produktion am Winterstein. Und den Strom könne an einer Schnellade-Station auf dem Rasthof Wetterau verkaufen.

Hans-Peter Frank stellte das OVAG-Angebot vor. Der Geschäftsführer der HessenEnergie zeigte dabei deutlich weniger Verkäufer-Attidüde als Mitte Juni der Mitbewerber Florian Datz von der Abo-Wind. Foto: Nissen

Was springt für die Rosbacher dabei heraus? Für eine Windmühle zahlt die OVAG 220 000 Euro Jahrespacht – halb so viel wie Abo-Wind. Hinzu komme eine Rendite von etwa 7,5 Prozent auf die eingebrachten vier Millionen Euro im Jahr. Mit den 0,2 Cent aus dem Verkauf von jeder hier produzierten Kilowattstunde bekämen die Rosbacher etwa 350 000 Euro im Jahr, rechnete Hans-Peter Frank den Ausschuss-Mitgliedern vor. Er ist Chef der OVAG-Tochterfirma HessenEnergie, die laut Frank 19 Windparks betreibt. Über 25 Jahre könnten die Rosbacher 186 Prozent der eingebrachten vier Millionen kassieren. Die zusätzlichen Gewerbesteuer-Einnahmen des ganzen Windparks sollen die Anlieger-Kommunen nach dem OVAG-Konzept solidarisch unter sich aufteilen.

OVAG-Chef Arnold appelliert an die Solidarität der Rosbacher

„Es ist eine Frage der Solidarität“, sagte der OVAG-Vorstandschef und frühere Landrat Joachim Arnold. Etliche der mehr als 800 OVAG-Beschäftigten wohnten in Rosbach. Ein höheres Einkommen für die OVAG führe zu einer niedrigeren Kreisumlage. Und zu einem besseren Angebot der vom OVAG-Gewinn mitfinanzieren Buslinien.

Christian Lamping von den Freien Wählern überzeugte das nicht. Der Einstieg in den Windpark bringe zu viel unternehmerisches Risiko, sagte er nach dem Abgang der OVAG-Chefs. Besser sei es, die Pacht von der Abo-Wind einzustreichen. Keiner plädierte im Ausschuss für das Angebot der OVAG. Die Fraktionen werden nun intern beraten, ob die 13 100 Menschen zählende Stadt zur Miteigentümerin des Windparks wird oder lieber die üppige Pacht einstreicht. Die Entscheidung fällt am Dienstag, 11. Juli, ab 20 Uhr im Stadtparlament.

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