Geschmacksnote Sole oder Gin
Von Elfriede Maresch
Ganz besondere Weihnachtsstollen kreieren die Bäckermeister Carsten Wagner und sein Sohn Jonas in ihrer Bäckerei in Geiß-Nidda. Sole-Stollen mit Sole aus der Lithiumquelle in Bad Salzhausen zum Beispiel oder Gin-Stollen.Weihnachtsgebäck mit besonderer Note
„Wir wollten dem klassischen Weihnachtsgebäck eine moderne Note geben und unser Stollen-Sortiment mit einer Variante ergänzen, die auch für die jüngere Generation interessant ist“, sagt Bäckermeister Jonas Wagner aus Geiß-Nidda. Rosinen, Zitronat und Orangeat machen den Stollen saftig, aber sie schmecken nicht allen. Also ganz auf das Traditionsgebäck verzichten? Jetzt kommen aus Wagners Backstube Alternativen: der „ Sole-Stollen aus der Nachbarschaft“ und sein „Verwandter“, der Gin-Stollen.
400 Gramm wiegt der neue Sole Stollen mit der gelben Banderole und dem Logo des historischen Bad Salzhäuser Fachwerk-Kurhauses an der Quellenstraße, die ideale Größe zum Probieren und als Geschenk. Die Geschmacksrichtung Salz-Karamell liegt bei Speiseeis und Cremes absolut im Trend, bei Knabbererdnüssen wird sie zu Salz-Honig gewandelt. „Warum nicht auch bei Stollen?“ dachten die beiden Fachleute. Sie ersetzten die Milch im klassischen Hefeteig durch Wasser aus der Lithiumquelle im Kurpark, fügten Butter, geröstete Haselnüsse und Mandeln, Marzipan, Zucker, Rahmkaramell, Ei und Gewürze hinzu und schoben die Teiggebilde in den Backofen. Heraus kam ein Gebäck mit buttriger Karamell-Note, einer fein-salzigen Zuckerkruste und ganz ohne Orangeat, Zitronat und Rosinen. Die beiden Bäckermeister luden Bürgermeister Thorsten Eberhard zum Probieren stilecht an das Häuschen der Lithiumquelle im Kurpark. Selbst die flambierte Variante wurde Eberhard zum Verkosten geboten.

Ohne Orangeat, Zitronat und Rosinen
Als Ergänzung zum traditionellen Butterstollen, den die Bäckerei Wagner auch anbietet, gibt es neben dem Sole-Stollen auch die Variante mit Gin der Brennerei La Su aus Altenstadt. Auf Orangeat, Zitronat und Rosinen wird bei dieser Rezeptur ebenfalls verzichtet, ersetzt werden sie durch Cranberrys, Feigen- und Aprikosenstückchen.
Aus dem Flambieren als weitere kulinarische Raffinesse macht die Bäckerei Wagner ein Event, das in Vorweihnachtsstimmung versetzt. Am Samstag, 18. November von 17 bis 20 Uhr sind die Hohlkeller unter Niddas altem Kino in der Bahnhofstraße geöffnet. Interessierte können die Steintreppen in „Niddas Unterwelt“ hinabsteigen wie schon in Vor-Corona-Zeiten, als dort Wagners Heimatstollen präsentiert wurde. Das Haus verkörpert ein Stück Stadtgeschichte, immerhin stammt die Inschrift auf einem Stein der Jahreszahl nach aus der Epoche von Oberhessens Reformator Johannes Pistorius. Wo einst die Stadtbürger ihre Vorräte lagerten, wartet jetzt Verköstigung auf die Gäste. Ganz besonders stimmungsvoll wird es, wenn Carsten Wagner ein Löffelchen Edelbrand auf die Stollenscheiben gibt, blaue Flämmchen aufzüngeln und nach dem Erlöschen der Stollen mit feinem Alkoholaroma probiert werden kann.
Siebte Bäckergeneration
Schon hat die vorweihnachtliche Hochsaison im Wagner´schen Familienbetrieb begonnen. Nicht nur die braunen Stollenlaibe holt das Team aus dem Ofen und gibt ihnen je nach Variante den Puderzuckermantel oder die leicht salzige Zuckerkruste. In den beiden Läden hier und an Niddas Stadtrand gibt es jetzt schon Weihnachtsplätzchen, von denen die Wagners 12 Sorten herstellen, darunter ihre Spezialitäten Dinkelherzen und Heimatspekulatius aus Emmermehl.
Denn das Salzhäuser Quellwasser im Lithiumstollen ist bei weitem nicht das einzige Regionalprodukt, das in der Bäckerei Wagner genutzt wird. Seit 1834 betreibt die Familie ihr Handwerk, Juniorchef Jonas Wagner kommt aus der siebten Bäckergeneration. Der Familienbetrieb hat Nachhaltigkeit großgeschrieben und arbeitet eng mit Landwirten der Region zusammen, mit etwa Thorsten und Yannick Nagel, von deren Feldern ein Teil des Getreides kommt. „400 Meter Abstand von Acker bis zur Backstube – das gibt’s nur selten!“ betont Jonas Wagner. In regionalen Mühlen, etwa bei Philippi in Kilianstädten, der Hehr-Mühle in Schlitz wird das Getreide vermahlen. Die Erlenmühle in Kleinlüder hat eine spezielle Entspelzungsanlage, um auch die mineralreichen Emmerkörner gut verarbeiten zu können. Wagners Betriebsphilosophie: „Uns und ähnlich handwerklich arbeitenden Familienbetrieben ist es wichtig, die heimische Landwirtschaft samt den Mühlen der Region zu erhalten.“ Die Bäckermeister verweisen auf Probleme in anderen Branchen, wo die Produktion überwiegend ins Ausland verlegt wurde, nennen etwa die gegenwärtige Medikamentenknappheit. Sie betonen: „Die regionalen Produktions- und Lieferketten zu erhalten, sichert die Grundversorgung.“
Carsten und Jonas Wagner schätzen den Markt realistisch ein: „Es stimmt, dass große Industriebäckereien billiger produzieren können. Aber von den Zutaten aus aller Herren Länder bis zur Auslieferung entsteht ein riesiger Transport- und Energieaufwand. Unsere Kunden legen dagegen Wert auf Frische, Nachhaltigkeit, Produktion auf kurzem Weg“.
Titelbild: An der Quelle“ im wahrsten Sinn des Wortes: Carsten Wagner (links) und sein Sohn Jonas (rechts) haben Bürgermeister Thorsten Eberhard zum Probieren eingeladen