Autobiografie

Packende Familiengeschichte

Von Petra Ihm-Fahlevotteler1

Hanngeorg Votteler ist in Bad Nauheim als kritischer Bürger bekannt. Ebenso direkt, wie er Themen der Stadtpolitik seziert, ging der 78-jährige beim Schreiben seiner eigenen Biografie vor. Mit „Fremd in der eigenen Familie“ ist eine sympathische, unterhaltsame Lektüre entstanden.

Kriegskind

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Der Autor als Kleinkind in Teheran.

„Durch die Diskussion über die vielen Flüchtlinge auf der Balkanroute, dachte ich: ‚Das kennst Du doch’“, schildert Hanngeorg Votteler, wie die Idee zu seinem Buch „Fremd in der eigenen Familie“ entstand. Hinzu kam, dass ihm Freunde oft sagten: „Deine Geschichte musst du aufschreiben.“ Nun liegt die Biografie des kritischen Bürgers aus dem Bad Nauheimer Stadtteil Rödgen vor. Das Werk befasst sich mit einem Thema, das in der Literatur lange keine große Rolle spielte, in den letzten Jahren aber etwas mehr in den Fokus rückte. Dabei geht es um die spätere seelische Entwicklung von Kindern, die den zweiten Weltkrieg miterleben mussten. Einige Sachbücher wie „Die vergessene Generation – Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“ von Sabine Bode gibt es, einer Autorin, die sogar die Auswirkungen auf die Enkel untersucht hat. Votteler bricht nun ebenfalls das Schweigen, indem er die Geschichte seiner Familie im Zweiten Weltkrieg und die Folgen für Eltern, Geschwister und seine eigene Person erzählt. „Da ich ein bisschen Trouble mit der Familie hatte …“, beleuchtet er im Gespräch mit dem Neuen Landboten die Hintergründe. Zeit seines Lebens habe er mit schrecklichen Kopfschmerzen zu kämpfen gehabt, was er unter anderem darauf zurückführt.

Vater in Sibirien interniert

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Das erste Picknick in Deutschland nach der Flucht.

Die Kindheit begann in Geborgenheit, einer ansprechenden, luxuriösen Umgebung, denn Vottelers Vater war technischer Niederlassungsleiter von AEG in Teheran. Der fünfköpfigen Familie fehlte es an nichts, bis Persien aus kriegstaktischen Gründen durch Truppen der Sowjetunion und Großbritanniens besetzt wurde.

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Die Mutter Meta (2. von links) ernährte die Familie als Zahnärztin.

Der Vater wurde in Sibirien interniert, die Familie nach Deutschland ausgewiesen. Nach einer abenteuerlichen Reise über die Türkei landete Mutter Meta mit zwei Söhnen und einer Tochter in Berlin. Um sich vor den Bomben zu schützen, zog die Familie in den Warthegau, musste von dort aber vor den vormarschierenden Russen nach Süddeutschland flüchten. Nach Kriegsende nahm die Mama ihren Beruf als Zahnärztin wieder auf. Für den Nachwuchs nicht einfach, denn Meta brachte die Kinder für einige Monate in Heimen unter, um die Arme für die Existenzgründung freizuhaben.

Rückkehr eines fremden Mannes
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1953 kehrt der Vater aus der sowjetischen Internierung zurück.

Erst 1953 konnte der Vater zurückehren, worauf ein ganz neues Leben begann. Er hatte sich in Sibirien gedanklich eine Traumfamilie aufgebaut, regelmäßig Postkarten mit Erziehungshinweisen geschickt. Da er die Kinder nicht hatte aufwachsen sehen, wollte er nun viel nachholen. „Als er kam, waren alle glücklich, aber dann fing die emotionale Krise an. Er war ein fremder Mann und er wollte seine Erziehung nachholen – das hat er bei den Söhnen getan“, blickt Votteler zurück. Zudem wollte der Vater nicht, dass seine Frau weiter arbeitete, sondern dass sie den Haushalt führte. Diesem Wunsch kam die emanzipierte Ehefrau und Mutter nach, doch sie war unzufrieden. Eine Situation, die ausstrahlte …

Eine Abrechnung soll Vottelers Buch nicht sein, und das ist sie auch nicht. Er habe schlicht die Geschichte schildern wollen, sagt er – die Situation eines Spätheimkehrers und der damit einhergehenden Konflikte. Das ist ihm so einfühlsam gelungen, dass man sich als Leser in alle Protagonisten gut hineinversetzen kann. Unterhaltsam, lebendig und hier und da auch mit einem Augenzwinkern beschrieben. Ein dreiviertel Jahr lang schrieb Votteler täglich. Die Arbeit sei interessant für ihn gewesen, denn verdrängte Erinnerungen kamen hoch, die verschüttet waren.

Sein Buch ließ er auf eigene Faust in kleiner Auflage in einer Offenbacher Druckerei drucken. „Fremd in der eigenen Familie“ gibt es zum Selbstkostenpreis von 10 Euro bei dem Autoren unter Telefonnummer 06032/6994.

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