Kindertheater unterstützen
Von Corinna Willführ
Das Büdinger „theater mimikri“, ein „selbstverwaltetes Theaterkollektiv“, ist von der Coronapandemie und den damit verbundenen Einschränkungen fundamental betroffen. Seit dem 20. März 2020 wurden alle Engagements abgesagt. Mimikri wirbt nun für das das Manifest der Association Internationale du Théatre pour L’Enfance et la Jeunesse („Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche“), abgekürzt ASSITEJ.Erlebnisräume für Gleichaltrige
Die Ergebnisse von Studien zu den Folgen der Corona-Pandemie für Kinder- und Jugendliche sind besorgniserregend. Seit Monaten nur eingeschränkt Freunde treffen zu können, häufig in beengten Wohnungen verharren zu müssen, Mathe und Französisch-Vokabeln allein vor dem Bildschirm zu pauken, erhöhen die Wahrscheinlichkeit von psychischen wie physischen Defiziten in der Entwicklung der Heranwachsenden. Bis auf Weiteres – zumindest bis zum 7. März – haben nicht nur Kino, Theater und Konzertsäle für Erwachsene geschlossen. Als gemeinsame Erlebnisräume für Gleichaltrige sind sie auch nicht mehr für Kinder und Jugendliche zugänglich. Seit fast einem Jahr. In festen Häusern, vor allem aber auch in Bürgerhäusern und Stadthallen in der Provinz fallen Theateraufführungen von freien Schauspiel-Ensembles für Jungen und Mädchen aus Kindertagesstätten und Schulen aus.

Das Büdinger „theater mimikri“, ein „selbstverwaltetes Theaterkollektiv“, ist seit mehr als 30 Jahren im In- und Ausland für seine anspruchsvollen Inszenierungen und ambitionierten Theaterprojekte bekannt. So erhielt das von der Schauspielerin und Ensemble-Trainerin Lilli Schwethelm gegründete „generationenübergreifende Familientheater“ unter anderem den Wetterauer Kulturpreis und war Kulturpartner für das Land Hessen auf der EXPO 2000.
Sorge um die Existenz
Wie alle freien Ensembles ist auch das „theater mimikri“ von der Absage seiner Engagements fundamental betroffen. Und das seit März 2020. Dem Ensemble gehören neben den „Frauen der ersten Stunde“, Lilli Schwethelm, Christiane Burkard und Margret Fehrer, heute weitere fünf Mitglieder an. Lilli Schwethelm treibt indes nicht nur die Sorge um die Existenz aller freischaffenden Künstlerinnen und Künstler um, sondern auch der Verlust an Erleben und Erfahrungen eines Theaterbesuchs live. Anlass für die engagierte Theaterfrau auf das Manifest von ASSITEJ aufmerksam zu machen und für dessen Unterstützung zu werben.
Für was steht die Abkürzung und wofür setzt sich die ASSITEJ ein?
Lilli Schwethelm: ASSITEJ ist die Abkürzung von Association Internationale du Théatre pour L’Enfance et la Jeunesse. Die „Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche“ hat rund 80 Zentren auf allen Kontinenten. Ihr Zweck ist die Förderung des Theaters für junge Menschen. In Deutschland hat die ASSITEJ rund 400 Mitglieder. Dazu gehören Staats-, Stadt- und Landestheater, professionelle freie Theater, private Theater ebenso wie Verlage und Organisationen, die sich für das Kinder- und Jugendtheater einsetzen. Außerdem unterstützen Menschen aus Wissenschaft, Kunst, den Medien und aus pädagogischen Berufen als assoziierte Mitglieder die ASSITEJ.
Welches Ziel verfolgt die ASSITEJ?
Lilli Schwethelm: Ziel ist es, jedem Kind und jedem Jugendlichen die Möglichkeit zu eröffnen, mindestens zweimal im Jahr ein Kinder- oder Jugendtheater zu besuchen. Der Verein bekennt sich auf internationaler Ebene zu den UNESCO-Resolutionen für kulturelle Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen den Völkern und Staaten. Er ist eine Interessenvertretung des Kinder- und Jugendtheaters insbesondere gegenüber politischen Instanzen, gesellschaftlichen Institutionen und kulturell tätigen Einrichtungen. In zahlreichen regionalen, nationalen und internationalen Beispielen zeigt die ASSITEJ, dass Begegnungen mit Kunst für Wohlbefinden und Gesundheit unverzichtbar sind.
Diese sind aber während der Corona-Pandemie als Live-Veranstaltungen alle ausgesetzt.
Lilli Schwethelm: „Gerade auf dem Hintergrund der aktuellen Pandemie wird sichtbar, wie dringlich es ist, für jedes Kind die gleichen Chancen und Teilhabemöglichkeiten zu schaffen und die Welt für alle Kinder gesund und nachhaltig zu gestalten.“ Aus diesem Grund hat der Verein ein Manifest erarbeitet, das die Verpflichtung aller Länder der UN zur Kinderrechtskonvention anspricht. In dieser heißt es: „Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben und fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung sowie für aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung.“ (Art.31,2).
Darüber hinaus werden in dem Manifest Bildungseinrichtungen, Schulen und Kindergärten sowie Medien und Politik aufgefordert, Kunst und Kultur für Kinder mehr Beachtung zu schenken. Alle Kräfte sollen zusammenwirken, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu kulturellen Erfahrungen zu ermöglichen und eigenes künstlerisches Tun zum wertgeschätzten integralen Bestandteil des (Lern-)Alltags zu machen. Stiftungen und Förderer werden aufgerufen Kunst für Kinder und Familien so zu unterstützen, dass eine hohe Qualität mit niedrigen Eintrittspreisen ermöglicht werden kann.
Das ASSITEJ-Manifest steht hier assitej-international.org
Titelbild: Nur zwei Veranstaltungen des Soloprogramms nach dem gleichnamigen Buch „Der Besuch der kleinen Dame“ von Lilli Schwethelm waren im Oktober 2020 in der Kulturhalle Stockheim möglich. Das Foto zeigt Lilli Schwethelm (Regie) rechts und Performerin Julia Fußhoeller. (Foto: Corinna Willführ)