„Begriff Porno falsch definiert“
von Jörg-Peter Schmidt
Viele Menschen schauen sich Pornos eher heimlich an, weil solche Filme oft noch als etwas Schmuddeliges angesehen werden. Über dieses Phänomen hat die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming ein Buch geschrieben, das sie jetzt im Kulturzentrum „Prototyp“ in Gießen vorstellte.
„Eine unverschämte Analyse“
Die Publikation der gebürtigen Bonnerin, die in Berlin aufwuchs und in Deutschland sowie in den USA zum Thema Sexualität geforscht hat, trägt den Titel „Porno. Eine unverschämte Analyse“. Oeming erläutert in ihrer bei Rowohlt veröffentlichten Schrift, warum Vorbehalte gegenüber Pornos anhalten. Die von Sandra Binnert angesichts des sensiblen Themas sehr einfühlsam moderierte Lesung, die vom Literarischen Zentrum Gießen (LZG) veranstaltet wurde, fand großes Interesse bei den rund 70 Zuhörerinnen und Zuhörern im gut besuchten „Prototyp“.
Madita Oeming beleuchtet Irrtümer
Um es vorweg zu nehmen: Die Autorin füttert in ihrer Veröffentlichung ihre Leserschaft mit so vielen wichtigen Fakten, dass man über ihre Thesen gleich mehrere Artikel schreiben könnte. Aus der immensen Vielfalt der interessanten Darlegungen der Autorin, die in Gießen aus mehreren Kapiteln ihres Buches las, werden nachfolgend zwei wichtige Komplexe zusammengefasst:
Oeming hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wieso der Begriff Porno auch heute noch falsch verstanden werde. Im Kapitel „Obszöne Gesetze“ schreibt sie: „Im Zuge der großen Strafrechtsreform verschwanden die ‚unzüchtigen Schriften’ 1973 aus dem StGB und der Begriff ‚Pornographie’ hielt Einzug in die deutsche Rechtsprechung.“ … In dem aktuellen Gesetz werde allerdings von „pornographischen Inhalten“ gesprochen, was aber damit genau gemeint ist, sei bis heute juristisch nicht eindeutig geklärt …Ein Urteil von 1974 definiere pornografische Inhalte als „grobe Darstellung des Sexuellen, die in einer dem Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradieren.“ Die Wissenschaftlerin kommt zum Schluss: „Das deutsche Strafrecht schreibt die im 19. Jahrhundert entstandene Idee von Porno als sozialer Gefahr trotz grundsätzlicher Legalisierung fort.“
„Mit Gewalt nichts zu tun“
An anderer Stelle in dem Kapitel schreibt die Autorin: “Wir müssen aufhören, ‚Porno’ zu sagen, wenn wir Gewalt meinen. Deshalb plädiere ich dafür, Einvernehmlichkeit in unserem Verständnis von Pornografie zu verankern.“
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Oeming las im „Prototyp“ auch aus einem Kapitel, in dem der öffentlich stark beachtete Meinungsstreit in den 1980er-Jahren zum Thema Porno beleuchtet wird. In dem Kapitel geht es um Alice Schwarzer, deren Verdienste für die Frauenbewegung Oeming durchaus würdigt. Allerdings kritisiert sie, wie Schwarzer mit dem Thema Porno umgegangen sei. Die Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“ rief Ende der 1980er-Jahre die „Por-No“-Kampagne ins Leben. Ziel diese Initiative sei gewesen: Ein neues Gesetz sollte geschaffen werden, in dem die Pornografie neu definiert werden sollte als „die verharmlosende oder verherrlichende, deutlich erniedrigende sexuelle Darstellung von Frauen oder Mädchen.“ Dieses Gesetz kam allerdings nie zustande.
Die Schriftstellerin teilt die Meinung Schwarzers keineswegs: Auch im Rahmen dieser Diskussion unterstreicht sie erneut, dass Pornos nichts mit Gewalt zu tun haben, wenn der dargestellte Sex zwischen den jeweils Handelnden in Übereinstimmung, also einvernehmlich erfolge. Im Übrigen gebe es keine Beweise, wonach das Schauen von Pornofilmen zu aggressivem Verhalten führe.
Für offenen Umgang mit dem Thema
Fazit der Veranstaltung, die das LZG zusammen mit dem Büro für angewandte Kultur und Bildung sowie dem Center for Diversity, Media and Law der Justus-Liebig-Unversität Gießen ausrichtete: Die Autorin will offenen, unvoreingenommenen Umgang mit dem Thema Porno. Sie übersieht nicht die Schwächen und Fehler bei der Entstehung von Pornos, die oft aus den männlichen Augen gefilmt werden. Am Ende der Lesung gab es langen Applaus der zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer.
Titelbild: Madita Oeming nahm sich nach der Lesung Zeit für Gespräche und das Signieren ihren Buches. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt, 2)