Klimaessen angehender Lehrkräfte
Von Kilian-Philipp Martin
Am Studienseminar für Gymnasien in Bad Vilbel-Dortelweil gibt es für die angehenden Lehrkräfte vegane Mahlzeiten aus Lebensmitteln, die von Supermärkten entsorgt wurden. Das Essen wird gemeinsam zubereitet. Es gibt dabei auch praktische Tipps für das Kochen mit Kindern und Jugendlichen. Kilian-Philipp Martin stellt den „pädagogischen Doppeldecker“ im Auftrag des Klimarates des Studienseminars vor.Food that’s left
Die aus den Seminarräumen strömenden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst – kurz LiV – am Studienseminar für Gymnasien in Bad Vilbel-Dortelweil müssen an diesem Mittag nur ihren Nase folgen, denn das in der Küche angerichtete Mittagessen duftet bis in die Gänge im Erdgeschoss. In der Küche angekommen, wartet hinter zwei Tischen, auf denen ein Wärmebehälter mit Basmatireis, ein großer Topf mit Linsencurry sowie zahlreiche gestapelte Teller stehen, bereits Hugh Alderson mit einer Schöpfkelle in der Hand. Der gebürtige Australier ist Koch und Gründer der während der Corona-Pandemie ins Leben gerufenen Catering-Initiative Food that’s left, die ihrem Namen entsprechend fast ausschließlich von Supermärkten entsorgte Lebensmittel verwendet, welche noch genießbar sind.
Während Alderson die ersten Teller befüllt, berichtet er den in der Schlange Wartenden, welche Zutaten dieses Mal für das, wie immer vegane, Gericht verwendet wurden. Vorbereitet werden die Menüs an den monatlich stattfindenden pädagogischen Montagen, an denen alle angehenden Lehrkräfte zu ihren Ausbildungsveranstaltungen vor Ort zusammenkommen, in den neunzig Minuten vor der einstündigen Mittagspause von wechselnden Ausbildungsgruppen des ersten Hauptsemesters unter Anleitung des Experten. Bei der gemeinsamen Zubereitung der Mahlzeit gibt er den LiV ausgehend von seinen Erfahrungen aus Schulprojekten praktische Tipps für das Kochen mit Kindern und Jugendlichen, die Etablierung des gemeinsamen Kochens und Essens in der Schule sowie Informationen zur tatsächlichen Haltbarkeit und Verwendung von Lebensmitteln, die das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten haben. An dieser Stelle kommt der pädagogische Doppeldecker zum Tragen, denn die Etablierung des gemeinsamen Mittagessens hat nicht nur die Problematiken einer fehlenden Mensa und großer Verpackungsberge infolge von Supermarktbesuchen mit Autos in den Mittagspausen vergessen gemacht, sondern bietet den LiV die Möglichkeit, ein Konzept für den Schulalltag selbst zu erproben.
Klimadidaktik gehört zur Ausbildung
Dass während der regulären Seminarzeit gemeinsam gekocht werden kann, ergebe sich aus der internen Ausbildungsordnung des Studienseminars, die vorsehe, dass 20 Prozent der Ausbildungszeit für Klimadidaktik verwendet werden solle, erläutert Seminarleiter Dr. Achim Schröder, welcher selbstverständlich auch am gemeinsamen Mittagessen teilnimmt. Doch damit nicht genug: Der Klimarat, ein demokratisch gewähltes Gremium aus Ausbildenden und LiV am Studienseminar, das im vergangenen Jahr das Klimaessen initiierte, hat die Klimaneutralität der Einrichtung als Ziel fest im Blick. Erreicht werden soll dies mithilfe einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die gut sichtbar hinter der für das Mittagessen aufgebauten Salatbar am Infoboard des Klimarats angebracht ist und welche die Bereiche Mobilität, Ernährung, Bildung und Energie als zentrale Säulen umfasst.
Wie diese Begriffe in der Praxis mit Leben gefüllt werden und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist daneben anhand von Fotos und Texten dargestellt: Zu sehen sind Bilder der Baumpflanzaktion des aktuellen Prüfungsdurchgangs, Informationen zu Workshops im Bereich der Klimabildung am Studienseminar, QR-Codes zur Organisation von emissionsreduzierenden Fahrgemeinschaften sowie ein Hinweis zu den angepassten Seminarzeiten, die für alle eine Anreise mit dem ÖPNV erleichtern sollen. Als Nächstes werden voraussichtlich Informationen zu den zwei Dienstfahrrädern hinzukommen, die nach den Sommerferien zum Ausleihen bereitstehen werden.
„Wir haben es in der Hand!“
Vor der großen Informationstafel steht neben den Salatschüsseln auch ein Karton mit Brötchen und anderen Backwaren, die Lebensmittelretter Alderson ebenfalls an den Tagen zuvor zusammengetragen hat. Außerdem ist dort eine Spendenbox aufgestellt, denn das Herzensprojekt des Klimaaktivisten wird ausschließlich durch freiwillige Abgaben finanziert, weshalb eine gewisse Teilnehmerzahl und Spendenbereitschaft Voraussetzungen für die Fortführung der Aktion darstellen. Wer dann eine Runde durch die Küche gedreht, eine für angemessen erachtete Spende gegeben, Hauptmenü, Salat, Gebäck und vielleicht sogar schon einen Crêpe für hinterher auf seinem Teller hat, sucht sich im angeschlossenen Seminarraum oder auf der Terrasse einen Platz zwischen Seminarleitung, Ausbildenden und angehenden Lehrkräften, um neben dem Essen auch das Miteinander zu genießen.
Am Ende der Mittagspause packen erneut zahlreiche Hände mit an, denn auch das Aufräumen gehört zum gemeinsamen Kochen dazu. Und während die angehenden Lehrkräfte sich zum zweiten Teil des Ausbildungstages in den Seminarräumen versammeln und der Klimarat treu nach dem selbst gewählten Motto „Wir haben es in der Hand!“ Pläne für weitere klimaschonende Maßnahmen am Studienseminar schmiedet, macht sich Hugh Alderson auf den Weg zur nächsten Lebensmittelrettung.
Titelbild: Koch Hugh Alderson mit der angehenden Lehrerin Patricia Schleich