Sinti und Roma

Ihr langer Weg

Der mit dem Deutschen Menschenrechts-Filmpreis 2022 ausgezeichnete Dokumentarfilm „Der lange Weg der Sinti und Roma“ wird am Mittwoch, 29. März 2023, im Junity in Friedberg gezeigt. Im Anschluss diskutieren der Regisseur Adrian Oeser und Verena Lehmann aus der Sinti-Roma-Community über den Film.

Lebenswege von Sinti und Roma

Der Landesverband Hessen des Bundes Deutscher Pfadfinder und Pfadfinderinnen und die Antifaschistischen Bildungsinitiative zeigen den Film in Kooperation mit dem Junity und der Stadt Friedberg anlässlich des Jahrestages der Befreiung Friedbergs von den Nazis. Am 29. März 1945 war Friedberg kampflos an die US-Armee übergeben worden.

Die Jury des Menschenrechts-Filmpreises urteilte über „Der lange Weg der Sinti und Roma“: „Die Stärke dieses Films ist, dass er unterschiedlichen Generationen von Sinti und Roma das Wort gibt, um die menschenverachtenden Praktiken von Justiz und Mehrheitsgesellschaft vor und insbesondere nach 1945 eindringlich darzustellen.“

Der Rassismus gegen Sinti und Roma endete nicht mit dem 2. Weltkrieg, sondern ging auch nach 1945 in Deutschland weiter. Anhand von persönlichen Lebenswegen zeichnet der Dokumentarfilm emotional und eindrucksvoll die Geschichte von Deutschlands größter nationaler Minderheit nach:

Rassismus gegen Sinti und Roma endet nicht 1945

Jùlie Halilic ist stolz, wenn sie an ihren Großvater denkt. Wallani Georg erkämpfte gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern, dass der Massenmord an den Sinti und Roma 1982 als Völkermord anerkannt wurde. Begonnen hatte es mit einer Besetzung der KZ-Gedenkstätte Dachau. Elf Sinti traten dort 1980 in den Hungerstreik, weil die Verfolgung für Angehörige ihrer Minderheit mit der Befreiung nicht endete, weil der Rassismus gegen Sinti und Roma ungebrochen fortbestand.

Die Auschwitz-Überlebende Zilli Schmidt kämpfte viele Jahre um Anerkennung ihrer Verfolgung aus rassischen Gründen. Die Musiker Manolito Steinbach und Romani Weiß wuchsen in den 1970er Jahren in West-Berlin auf. Sie erzählen davon, wie sie lange Zeit lieber unsichtbar bleiben wollten, wie diese Vorsicht erst nach und nach einem neuen Selbstbewusstsein wich. Gianni Jovanovic erlebte, dass die Verfolgung auch mit der Anerkennung des Völkermords nicht endete. Nachdem er 1982 einen Bombenanschlag in Darmstadt überlebt hatte, wurde wenig später das Haus seiner Verwandten in einer Nacht- und Nebelaktion von der Stadt abgerissen.

Anhand der persönlichen Lebensweg macht der Film bisher unerzählte Perspektiven sichtbar. Individuelle Geschichten und bisher kaum gezeigtes Archivmaterial nehmen mit in eine Zeit, in der Sinti und Roma weiter diskriminiert wurden und in der sie sich schließlich zur Wehr setzten. Unter den historischen Aufnahmen aus den ARD-Archiven fand Filmautor Adrian Oeser viele Szenen, die deutlich machen, wie stark der Rassismus gegen Sinti und Roma nach 1945 fortdauerte – und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder befeuert wurde.

Ein Fim übers Gestern fürs Heute

Der Film zeigt darüber hinaus, dass eine Aufarbeitung in vielen gesellschaftlichen Bereichen bis heute notwendig ist. Bis in die 1980er Jahre arbeiteten Landeskriminalämter und Forscher in ganz Deutschland mit den Akten der Rassenhygieniker aus der Nazizeit weiter, um Sinti und Roma systematisch zu erfassen. Erst die Bürgerrechtler konnten diese Aktenbestände in den 1980er Jahren freipressen. Beeindruckendes Archivmaterial zeigt, wie sie die Dokumente ihrer Verfolgung fast vierzig Jahre nach der Befreiung erstmals in den Händen halten. Zu realisieren, dass die systematische Stigmatisierung so lange andauerte, belastet den Bürgerrechtler Rudko Kawczynski bis heute.

„Der lange Weg der Sinti und Roma“ ist ein Film über Geschichte, die nicht abgeschlossen ist, über eine Zeit, die bis heute fortwirkt. Ein Film übers Gestern fürs Heute“, urteilt die ARD über den Den Dokumentarfilm.

„Der lange Weg der Sinti und Roma“, Mittwoch, 29. März, 18 Uhr, Junity, Burgfeldstraße 19, 61169 Friedberg (Hessen)

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