Rund 90 Beschäftigte davon betroffen
In dem Werk des österreichischen Konzerns RHI Magnesita in Mainzlar (Landkreis Gießen) herrscht Betroffenheit und Entsetzen. Der Betrieb, der feuerfeste Materialien produziert, soll schon in wenigen Wochen geschlossen werden. Das würde das Aus für rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten.Nachricht niederschmetternd
Noch vor wenigen Monaten sah es so aus, dass die Produktion in dem Staufenberger Stadtteil erhalten bleibt. Viele lokale und überregionale Medien (darunter die Gießener Tageszeitungen „Allgemeine“ und „Anzeiger“) berichten ausführlich über die tragische aktuelle Entwicklung. Auf Anfrage des Hessischen Rundfunks bestätigte der Konzern die baldige Schließung und begründete sie mit einer „weltweiten Nachfrageschwäche für Feuerfestprodukte“. Die Nachfrage sei zu gering, um die Mengen zu produzieren, die notwendig seien, das Werk in Mainzlar auszulasten. Man sei in Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung, um einen Interessensausgleich und Sozialplan zu verhandeln, heißt es in dem HR-Bericht weiter.
Bürgermeister nimmt Stellung
Die Hessische Landesbahn (HLB) hatte in jüngster Zeit die Bahngleise von Lollar nach Mainzlar für den Gütertransport wiederhergestellt, weil man davon ausging, dass der Betrieb erhalten bleibt.
Auch dem „Landboten“ liegt eine Stellungnahme des Staufenberger Bürgermeisters Peter Gefeller (SPD) vor.
Er schreibt:
Die Nachricht kam am Ende doch überraschend: Das RHI-Werk Mainzlar, unsere „Schamott“ wird geschlossen! Noch im Frühjahr 2023 feierten wir „Das Wunder von Mainzlar“. RHI-Chef und „Ceo“ Stefan Borgas konnte sich den „Weltmarktführer“ Rhi Magnesita ohne ein Werk Mainzlar nicht vorstellen und beim feierlichen Anzünden des Tunnelofens durch Landrätin Anita Schneider sprach ein Unternehmenssprecher noch von den nächsten 20 Jahren, in denen dieser Ofen nicht mehr ausgehen würde.
Nun hat er gerade mal ein gutes Jahr gebrannt und wird wohl schon in den nächsten Tagen wieder erlöschen. Soviel an dieser Stelle zum Wahrheitsgehalt oder besser gesagt zur Belastbarkeit von Aussagen eines weltweit agierenden Konzerns mit einem von uns in Staufenberg knapp 800 Kilometer entfernten Wiener Unternehmenssitz. Bei der großen Entfernung geht einem als „Ceo“ schon mal die Sicht auf ein kleines Werk in Mittelhessen und dessen knapp 100 Mitarbeitenden verloren. Aus den vollmundigen Worten, mit dem Transport von Dolomitstein über die Schiene neben Magnasit eine zweite Produktlinie dauerhaft in Mainzlar aufzubauen, wurde es schnell nix. Bis heute hat kein einziger Güterzug das Werk Mainzlar angefahren. Die öffentliche Hand hat mit der Finanzierung der Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke von Lollar nach Mainzlar Wort gehalten. Das private Unternehmen nicht. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Aber so ist jetzt wohl die Entscheidung endgültig. Das Werk Mainzlar wird nach 117 (!) Betriebsjahren geschlossen. Schade um die viele Arbeit zur Verhinderung der ersten Schließung im Herbst 2022. Das ist gerade einmal zwei Jahre her. Jetzt gilt es, gemeinsam mit dem Betriebsrat (BR) über die Ausweitung des bereits vorhandenen Sozialplans möglichst für alle Mitarbeitenden eine gute soziale Absicherung zu erzielen. Dafür will ich mich mit ganzer Kraft einsetzen. Erste Gespräche mit BR-Vorsitzenden Michael Schwarz und weiteren BR-Mitgliedern habe ich schon letzte Woche führen können. Bereits im ersten Gespräch mit dem Sprecher der Unternehmensleitung habe ich die soziale Absicherung aller Mitarbeitenden eingefordert.
Auch werden wir uns mit der Unternehmensleitung über die Erstattung der einzig für die Wiederaufnahme des Güterschienenverkehrs gezahlten Steuergelder unterhalten müssen. Hier reden wir über knapp 1,3 Mio. Euro. Das Geld müssen wir zurückfordern, zumindest müssen wir vom Unternehmen Schadensersatz für die Hessische Landesbahn (HLB) fordern. Denn immerhin hat sich RHI gegenüber dem Land Hessen, dem Landkreis Gießen, der Stadt Staufenberg aber auch und gerade gegenüber der HLB vertraglich zur Durchführung von Güterschienenverkehr in den Jahren 2024 bis mindestens Ende 2028 im Umfang von mindestens durchschnittlich 10 Zugfahrten im Monat verpflichtet. Diese Fahrten sind bereits wegfallen bzw. werden in den nächsten Jahren weiter wegfallen. Dadurch entsteht der HLB ein Schaden, den RHI zu ersetzen hat.
Und schließlich sei auch das gesagt: Wir können uns als Stadt Staufenberg für die Zukunft keine Industriebrache „vor den Toren“ unserer Stadt erlauben. So schwer uns das auch fallen mag, müssen wir gerade jetzt nach vorne schauen und bereits heute mit den Planungen über die Folgenutzung des gesamten Werksareals beginnen. Immerhin reden wir hier von einer gut sieben Hektar großen, bestens erschlossenen und mit einem Bahnanschluss versehenen Gewerbefläche. Eine solch gute Fläche ist für ganz viele Unternehmen mehr als interessant.
Soweit die Stellungnahme des Bürgermeisters. Parteiübergreifend ist die Betroffenheit über die Schließung des Werks groß. Sicher ist: Nur gemeinsam kann man versuchen, weiteren Schaden vor allem für die Beschäftigten abwenden.
Titelfoto: Blick auf einen Teil der Anlagen des Werks in Mainzlar. Als das Idylle vermittelnde Archivfoto aufgenommen wurde, war von der jetzt bevorstehenden Schließung noch nicht die Rede. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt)
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