Retter der Rebhühner

Wer Füchse fängt, rettet Rebhühner

von Klaus Nissen

Mit drei teils drastischen Maßnahmen kann man das Rebhuhn vor dem Aussterben bewahren. Das haben hundert Jagdpächter gemeinsam bewiesen. Vor drei Jahren begannen sie im Rebhuhn-Hegering Wetterau mit ihren Experimenten. Seit 2017 steigt die Zahl der Rebhühner in Wetterau und Mittelhessen wieder leicht an, berichtet der Landesjagdverband bei einer Feldbegehung.

Retter der Rebhühner

Andreas Mohr spielt Rebhuhn-Lockrufe ab – in der Hoffnung, Antwort von echten Tieren zu bekommen. Foto: Nissen

Im März zieht sich Andreas Mohr vor der Abenddämmerung die Gummistiefel an. Er steuert sein Jagdrevier zwischen Heuchelheim und Gettenau in der Wetterau an. Statt der Flinte hat er ein Fernglas dabei. Ganz langsam geht er die mit dürrem Gras, Krautresten und Gebüsch bewachsenen Feldraine am Teufels- und Pfaffensee ab. In der rechten Hand hält der graubärtige 56-Jährige sein Mobiltelefon, links einen hellgrauen Mini-Lautsprecher. Eine App steuert die Landschaftsbeschallung: Ein krächzendes Quietschen ertönt immer wieder. Andreas Mor übersetzt:„Das heißt: Komm her, mein Ritter, ich bin bereit.“ Ein zweiter Soundtrack klingt lauter, aufgeregter. Das ist ein Rebhahn, der seine Geschlechtsgenossen davor warnt, in sein Revier einzudringen. Nach jeder Krächz-Sequenz lauscht der Jagdpächter minutenlang – und immer öfter bekommt er Antwort. Ein echter Hühnervogel der Art Perdix Perdix reagiert auf die Fake-Botschaft. Das bereichert die Statistik um einen weiteren Strich.

Das zweiwöchige „Rebhuhn-Verhör“ seit findet jetzt in den rund hundert Revieren des Hegeringes statt. Sie erstrecken sich über 60 000 Hektar zwischen Lich, Lauterbach, Wöllstadt und Hammersbach. „Wir kennen hier inzwischen 4800 Hühner“, sagt der Diplombiologe Max Mohr. Der Sohn des Jagdpächters begleitet gemeinsam mit Professor Klaus Vollmer von der Gießener Uni-Abteilung für Wildbiologie und dem in Bad Nauheim sitzenden Landesjagdverband das Rebhuhn-Projekt. Es sei mit einem parallelen Projekt bei Wiesbaden Vorbild für ganz Deutschland, so Max Mohr. Und so erfolgreich, dass im Idealfall ab Herbst 2020 wieder Rebhühner gejagt werden können. Aber nur ganz wenige, um die leicht wachsende Population nicht zu gefährden. „Ich habe noch nie Rebhuhnfleisch gegessen“, bekennt der junge Biologe. Es soll eine Delikatesse sein. In früheren Jahrhunderten ließen sich die Fürstenhöfe tausende Rebhühner für die Tafel liefern. Doch schon im 19. Jahrhundert ging die Jagdstrecke langsam zurück.

Die Stoppelfelder werden zu früh umgebrochen

Der Wildbiologe Max Mohr zeigt Rebhühner. Foto: Nissen

Der Mensch und der Fuchs sind daran schuld. Der Mensch, weil er immer größere Felder anlegt. Dadurch gibt es weniger mit Kraut und niedrigen Büschen bestandene Feldränder, die den Rebhühnern Deckung bieten. Außerdem  werden die Stoppelfelder nach der Ernte heutzutage meist gleich weggegrubbert. „Der Landwirt will die Wintersaat einsäen und fertigwerden“, seufzt Jagdpächter Andreas Mohr. Er könne die Bauern ja verstehen. Doch die Rebhühner und Feldhamster hätten keine Chance mehr, auf den Stoppelfeldern ein paar Wochen lang die liegengebliebenen Körner als Fettreserve zu picken oder als Kraftfutter-Depot im Erdloch zu bunkern. Jetzt, im März, leiden die Tiere deshalb richtig Hunger, so Mohr. Mit den Aktivisten des Rebhuhn-Projekts sät er deshalb an möglichst vielen Stellen Kräutersamen aus und bestückt gut 600 weiße Plastikeimer mit Getreide-Kraftfutter. Da bedienen sich im Winter und Frühjahr auch die hungernden Feldlerchen, die vom Aussterben bedrohten Grauammern, die Feldhamster und Mäuse. Rebhuhn-Forscher aus Göttingen haben in einer Studie diese Fütterung kritisiert. Sie mache die Rebhühner zu abhängigen, halbzahmen Tieren. Das sei aber Quatsch, entgegnet Max Mohr.

Der Mensch rottet die Rebhühner nach Ansicht der Wildbiologen auch dadurch aus, dass er ihnen viel zu schmale Blühstreifen und Buschinseln in der Landschaft lässt. Sie müssten mindestens zehn Meter breit sein, damit die gefiederten Bodenbrüter nicht so leicht von ihren Feinden gefunden und getötet werden. Die Feinde, das sind Bussarde, Habichte, Milane, Eulen. Außerdem Wiesel, Iltisse, Marder und sogar die Rebhuhn-Eier schätzenden Igel. Vor allem aber die vielen Waschbären und Füchse. Andreas Mohr: „Wir verlieren jedes zweite Rebhuhn, weil es vom Nest runtergefressen wird!“

So kommt es, dass die Rebhuhn-Retter neben Fütterung und zusätzlichen  Gras- und Buschinseln auch eine intensivere Fuchsjagd anstreben. Sie nennen es „Predatorenmanagement“. Im Sommer 2018 durfte der Rebhuhn-Hegering die sommerliche Schonzeit für Füchse ignorieren. Das wird man bei den Fachbehörden auch für diesen Sommer beantragen, so Nadine Stöveken vom Landesjagdverband. Nur Fuchsmütter (Fähen) mit Jungen dürfen dann nicht getötet werden. Es sei schwer genug: Die aus Amerika eingewanderten Waschbären kommen laut Andreas Mohr nur nach Mitternacht aus der Deckung. Und auch die Füchse sind so schlau und vorsichtig, dass sie nur selten vor die Flinte geraten.

Rund 600 solcher Futterstationen hat der Rebhuhn-Hegering in seinen Revieren aufgestellt. Dort bedienen sich in den kargen Frühjahrsmonaten auch andere selte Vögel, Feldhamster und Mäuse. Foto: Nissen

Deshalb jagen die Rebhuhn-Schützer sie mit Fallen. Das sind langgestreckte Behälter aus Kunststoff oder Beton mit Ködern (im Fachjargon: Luder). Sobald der Fuchs oder Waschbär gefangen ist, schickt der Sensor an der Falle ein Signal ans Handy des Jagdpächters. Der eilt dann zum  gefangenen Raubtier, lässt es aus der Falle in einen kleinen Drahtkäfig laufen und erlegt es mit einem präzisen Schuss aus dem Kleinkaliber-Gewehr. Solche Fuchsfallen will der Hegering in nächster Zeit den Revierpächtern in der Region um Wenings, Hitzkirchen und Burgbracht anbieten. Damit auch dort bald mehr Rebhühner herumlaufen.

Rebhühner sind Fleischfresser

Die einst fast weltweit verbreiteten Hühnervögel sind in vielen Ländern – beispielsweise in Portugal und der Schweiz – inzwischen fast ausgerottet. Ausgewachsen sind die Tiere etwa  30 Zentimeter groß und 300 bis 400 Gramm schwer. Sie leben in losen Gruppen (Ketten) in nicht zu dichten Getreidefeldern, in Blühstreifen und auf Wiesen.  Wälder und Waldränder meiden sie. Rebhühner fressen Würmer, Insekten, Schnecken, Getreide, Gras und Kräuter.  Die Paare leben monogam. Die Henne brütet ab Mitte April am Boden über bis zu 20 Eiern. Der Hahn bleibt in der Nähe und versucht, Feinde mit Schein-Angriffen vom Nest wegzulocken. Nach etwas mehr als 20 Tagen schlüpfen die Küken, die sofort das Nest verlassen und von den Eltern zunächst zu tierischen Nahrungsquellen geführt werden – beispielsweise zu den Nestern von Wiesenameisen. Viele Küken sterben, wenn das Wetter kalt und nass ist. Die Eltern legen dann bis in den August hinein eine weitere Brut an. Wegen der vielen Fressfeinde und des Nahrungsmangels in den von moderner Landwirtschaft geprägten Landschaften werden Rebhühner kaum älter als zwei Jahre.

Ein Gedanke zu „Retter der Rebhühner“

  1. In der Gemarkung Gambach gibt es Rebhühner und auch Fasane.
    Die Tiere fühlen sich wohl in den Reihenkulturen Spargel und Erdbeeren und in den Stillegungsflächen. Unser Jagdpächter Michael ist in absoluter Fuchs bei der Bejagung der Füchse.

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