Paragraf 219a

Dr. Kristina Hänel verliert Berufung

von Ursula Wöll

Vor dem Landgericht in Gießen protestierten am 12. Oktober 2018 knapp 200 Menschen, während des Berufungsverfahrens gegen  Dr. Kristina Hänel, die angeblich Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Homepage macht. Dabei war auch Parteiprominenz von SPD, Grünen und Linken – und Landbote-Autorin Ursula Wöll. Hier ihr Bericht:

Solidartitätsveranstaltung

Als ich gegen 8.15 Uhr vor dem Giessener Landgericht eintreffe, ist die Solidaritätsveranstaltung mit der Giessener Ärztin Dr. Kristina Hänel bereits in vollem Gang. Die Parteiprominenz von SPD, Grünen und Linken hat offenbar bereits für eine Streichung des § 219a StGB gesprochen. Ja, sogar Thorsten Schäfer-Gümbel ist da. Sein Mercedes mit WI-Kennzeichen darf in der Feuerwehreinfahrt parken, weil der Chauffeur drinsitzt. Ich muss meinen Kleinwagen dagegen wegfahren, so bekomme ich den Anfang der Veranstaltung nicht mit.

Fotos: Meike Pinkernell

Um was es geht

Die versammelte Menge schätze ich auf knapp 200 Personen, unter ihnen auch viele Männer. Die meisten sind eher jüngeren Alters. Viele TV-Aufnahmeteams walten ihres Amtes, denn die Ärztin ist mittlerweile  bundesweit bekannt und hat zustimmendes oder ablehnendes Aufsehen erregt. Auch Frau Dr. Hänel gibt Interviews, bis dann um 9 Uhr ihr Berufungsprozess beginnt. Sie war vom Amtsgericht Giessen zu 6000 Euro Strafe verurteilt worden, weil sie angeblich Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Homepage macht. Das ist nach § 219a verboten. Frau Dr. Hänel besteht jedoch darauf, dass sie nicht für Abbrüche wirbt, sondern über diese Leistung ihrer Arztpraxis im internet  i n f o r m i e r t. Und dass die betroffenen Frauen ein Recht auf Information besitzen, um sich fundierter für oder gegen eine Abtreibung entscheiden zu können. Es geht ihr und den Versammelten nicht nur um die 6000 Euro Strafe, sondern um eine Änderung des Strafrechts, also die Streichung eines so konträr auslegbaren Paragrafen. Zumal in Kassel ebenfalls zwei Ärztinnen angeklagt sind, weil sie angeblich gegen den § 219a verstoßen haben.

Wie geht es weiter?

Bei weitem nicht alle Versammelten passen in den Gerichtssaal. Auch ich muss draußen bleiben. Mittags höre ich im Radio, dass  die Richter des Landgerichts ihre Kollegen vom Amtsgericht bestätigt haben, dass also die Berufung verworfen wurde und die Strafe bleibt. Frau Dr. Kristina Hänel hat schon damit gerechnet und kündigt an, nun in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht Frankfurt zu ziehen. Und wenn nötig auch vor das Bundesverfassungsgericht, denn schließlich garantiert uns Art. 5 GG eine Informationsfreiheit. Der juristische Fortgang wird also von gesellschaftspolitischen Debatten begleitet werden, und das ist gut so.

Ein Gedanke zu „Paragraf 219a“

  1. Die Abstimmung in Berlin am 13. Dezember 2018 hat de facto nichts geändert. Der §129a existiert nach wie vor, und es ist weiterhin nicht klar, wo die Grenze zwischen ärztlicher Information über eine Abtreibung und einer (strafbaren) Werbung für eine Abtreibung verläuft. Deshalb gibt es eine erneute Demonstration in Giessen, aber auch bundesweit. Als Zwischenforderung soll für eine Abstimmung im Januar im Bundestag per Gewissensentscheidung der Abgeordneten demonstriert werden, natürlich mit dem Ziel, dass Paragraf 129a gestrichen wird. Mensch trifft sich am
    Mittwoch, 19. Dezember um 12 Uhr
    auf dem Berliner Platz vor dem Rathaus Giessen.

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