Hotel mit Geheimnissen
von Jörg-Peter Schmidt
Hotels sind ein begehrtes Motiv, wenn es um Literatur, Musik oder Film geht. Zwei Beispiele: Der Song „Hotel California“ von den „Eagles“ und „Shining“, von Stanley Kubrick nach dem Bestseller von Stephen King verfilmt. Auf neue, hochinteressante Art hat sich die gebürtige Gießenerin Anne Köhler in ihrem Roman „Nicht aus der Welt« mit dem Thema „Hotel“ auseinandergesetzt.
Ein ganz besonderes Gästedomizil
Die Autorin, die Architektur, Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus sowie Kunstgeschichte studiert hat, las kürzlich aus ihrer im Verlag DuMont erschienenen packenden Erzählung im Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses in einer gemeinsamen Veranstaltung des Hessischen Rundfunks „(Literaturland Hessen“) und des Literarischen Zentrums Gießen (LZG). Moderator war Felix Luckau (LZG).
Als die Schriftstellerin beim Rezitieren aus dem Roman das Gebäude in Berlin, weches im Mittelpunkt des Geschehens steht, schilderte, entstand bei sicherlich vielen der rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer der sehnliche Wunsch: Hier würde ich gern mal eine Zeitlang wohnen – unerreichbar. Vielleicht gibt es ein solches Gästehaus irgendwo auf der Welt. Bisher muss man aber davon ausgehen, dass exakt diese Art von Unterkunft nur in dem Buch „Nicht aus der Welt“ existiert. Auch Anne Köhler kennt jedenfalls eine solche Unterkunft nicht in der Realität.
Bing Crosby als Vornamensgeber
Hempel vorwiegend nur mit seinem Nachnamen beschrieben. Auf Nachfrage aus dem Publikum erläuterte Anne Köhler: Bing ist der Vorname. Die Mutter war Fan von Bing Crosby, der den einst „White Chrimas“ sang und damit einen Rekord an verkauften Platten erreichte.
Auch eine Professorin namens Friederike bekommt einen Schlüssel für eines dieser geheimnisvollen Gästezimmer zugespielt. Sie hat soeben durch ein Hinterfenster ein Café verlassen, in dem ihr Kind und eine Freundin auf sie warten. Friederike ist in keinem psychisch gefestigten Zustand: Sie leidet beispielsweise unter der Angst, ihrem Baby könne etwas Schlimmes passieren. In das Netz der fesselnden Story ist noch Linda eingeflochten, die unter der Höhenangst leidet.
Idylle ist durchaus trügerisch
Das Hotel, von dem die Autorin schreibt, scheint ein Erholungsort zum völligen Abschalten zu sein. Das klingt idyllisch. Aber diese heile Welt ist trügerisch. Denn die Leser denken unweigerlich an die Angehörigen und Freunde, die verzweifelt nach den Verschwundenen suchen werden. Und da ist ja noch das Baby, das Friederike zurückgelassen hat. Und fliegt Bing Hempel doch noch nach New York? Es bleiben also offene Fragen, die während der Lesung nicht beantwortet wurden: Sonst wäre die Spannung für die, die das Buch noch nicht gelesen haben, dahin. Allerdings darf spekuliert werden, dass das Gästedomizil in Berlin im Gegensatz zum „Hotel California“ wohl einen Ausgang hat…
Nicht aus der Welt« ist im Verlag DuMont erschienen und kostet 24 Euro.
Titelbild: Felix Luckau (LZG) und Anne Köhler luden nach der Lesung zu einer Fragerunde des Publikums ein. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt)