Oliver Bullough

Der Welt zu Diensten

Von Michael Schlag

In seinem Buch „Der Welt zu Diensten“ beschreibt Oliver Bullough, wie Großbritannien weltweit ein ruchloses und profitables Geschäft aufgezogen hat, um Diktatoren, Oligarchen und Großverbrechern ihr Vermögen steuerfrei zu erhalten.

Großbritannien schafft Steuerpardiese

Oliver Bullough (Foto: Paul Musso)

Man zahlt seine Steuern, sein Haus hat man mit ehrlicher Arbeit abbezahlt, man steht damit im Grundbuch, man hat ein Konto in Deutschland. Damit ist schon fast alles gesagt. Und sollte sich aus irgendeinem Grund einmal die Staatsanwaltschaft dafür interessieren – nun denn. Aber schön blöd! Der Gedanke kann einem kommen, wenn man das Buch „Der Welt zu Diensten“ von Oliver Bullough bis zum Ende gelesen hat. Es handelt davon, wie Großbritannien nach dem Verlust des britischen Empire weltweit ein genauso ruchloses und nicht weniger profitables Geschäft aufgezogen hat, um Diktatoren, Oligarchen und Großverbrechern aller Art ihr schönes Vermögen steuerfrei zu erhalten, gegen kleine Gebühren versteht sich. Eine zentrale Rolle dabei spielen die verbliebenen britische Überseekolonien und Inseln, die sich aber in wesentlichen Teilen ihre eigene Finanzgesetzgebung geben können.

Und dann sähe unser biederes Beispiel vom Anfang zum Beispiel so aus: Das Haus läge dann in London um die Ecke vom Königspalast und wäre 100 Millionen Pfund wert. Der Besitzer ist aber nicht in London aufzufinden, sondern das Haus gehört einer Firma auf den Kaiman-Inseln in der Karibik. Diese Firma wiederum gehört zur Hälfte einem Unternehmen in Schottland, mit einer völlig legalen anonymen Rechtsform, zu der man keine Person eingetragen muss; die andere Hälfte gehört einer nicht näher definierten Stiftung zum Beispiel auf den britischen Jungferninseln, die ohnehin keine Steuern zahlt. Das Haus wurde bar bezahlt, der Kauf von einer sehr noblen Anwaltskanzlei in London abgewickelt, die aber zu vornehm war zu fragen: Wo kam das ganze Geld eigentlich her? Unterschlagene Öleinnahmen aus Aserbeidschan? Gasgeschäfte im Dreieck mit Russland? Ein maßlos überteuerter Flughafenbau in Tansania? Keine Ahnung, aber alles über das britische Finanzsystem blitzsauber gewaschen. Man musste dazu nicht einmal die Gesetze übertreten, denn die haben wir uns ja vorher genau so gestrickt, damit das alles Offshore funktioniert. Haha!

Hunderte Milliarden aus kriminellen Machenschaften

Großbritannien hat seine neue Rolle im Welthandel gefunden. Oliver Bullough vergleicht sie mit einem Butler: Er ist der Herrschaft zu Diensten, legal oder illegal, kennt immer eine Lösung, und er fragt nicht. Und von britischen Ermittlern, von der britischen Regierung und der britischen Gesetzgebung hat man nichts zu fürchten. 100 Millionen sind da übrigens eher eine kleine Einheit: „Nach konservativen Schätzungen fließen jedes Jahr Hunderte von Milliarden Pfund aus kriminellen Machenschaften durch die City of London, das meiste davon dem schutzlosen Volk in einigen der ärmsten Länder der Welt gestohlen,“ schreibt Bullough.

Das Ganze spielt sich auch keineswegs in abgedunkelten Hinterzimmern ab, niemand versteckt sich. Die Protagonisten sitzen in Regierungen, Parlamenten, Chefetagen von Banken, sind hochgeehrte Mäzene von Kultur und Bildung, die sogenannten besten Kreise. Das Einzige, was die Herrschaften fürchten, sind die Ermittlungsbehörden der USA. Insbesondere die Geldwäscheexperten des FBI und die Geldstrafen amerikanischer Gerichte, die in die Milliarden gehen können. Das Buch ist ein wilder Ritt durch die Geschichte vom globalen Finanzbetrug. Bisweilen kommt man etwas außer Atem: die Suez-Krise 1956, das große Rad mit den Euro-Dollars, der plötzliche Reichtum der Britischen Jungferninseln, das milliardenschwere Glücksspiel in Gibraltar, die antiquierte Scottish Limited Partnership (heute „Der schottische Waschsalon“) und natürlich: Geschäfte mit Erdgas. Oder warum kauft ein ukrainischer Energie-Oligarch für eine ungeheure Summe eine U-Bahn-Station im Westen von London?

Alle verdienen so prächtig, dass Oliver Bullough schließlich meint: „Großbritannien hat die Verantwortung dafür, die Geldwäsche zu unterbinden, im Wesentlichen an die Geldwäscher ausgelagert, und folglich wird die Geldwäsche nicht gestoppt.“ Man ist ja bloß froh, dass Deutschland in dem Buch nicht vorkommt. Gut zu lesen, mit feinem englischem Humor süffig geschrieben, heftiger Kater inklusive.

Oliver Bullough: Der Welt zu Diensten – Wie Großbritannien zum Butler von Oligarchen, Kleptokraten, Steuerhinterziehern und Verbrechern wurde, Verlag Antje Kunstmann, 2023, 272 Seiten, 26 Euro, ISBN 978-3-95614-537-7

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