NPD-Demo: klein, laut, unerwünscht
Verärgert reagierten viele Büdinger, als am Abend des 29. Juni 2018 zwei Dutzend NPD-Anhänger lautstark durch die Stadt zogen. Die von der NPD Büdingen gerufenen Männer riefen fremdenfeindliche Parolen und forderten die Absetzung des Bürgermeisters Erich Spamer.
NPD Büdingen macht sich unbeliebt
Schräg gegenüber der Moschee am Bahnhof sammelten sich am Freitagabend Anhänger der rechtsextremen NPD. Etliche der meist jungen Männer trugen rote T-Shirts mit dem Schriftzug „Heimat verteidigen“. Sie brauchten lange, bis ein paar Teilnehmer für den angekündigten Protestzug beisammen waren. Nicht mehr als 23 Aktivisten liefen schließlich mit 45minütiger Verspätung in Richtung Altstadt. Die NPD hatte die Demo bundesweit über diverse Facebookseiten angekündigt.
Der kleine Haufen hatte immerhin eine leistungsfähige Lautsprecheranlage in einem Kleinbus dabei. Während jeweils vier Mann die beiden Transparente „Wir setzen uns durch“ und „Lügenpresse bleibt Lügenpresse“ vor sich her trugen, gab der Altenstädter NPD-Funktionär Stefan Jagsch unüberhörbar die Parolen vor, die seine Kameraden nachgrölten: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, „Hoch die nationale Solidarität“ und: „Spamer muss weg!“
Letzteres war der Anlass der ersten NPD-Demo in Büdingen, seit Anfang 2016 die rechtsextreme Aktivistin Melanie Dittmer weit mehr Neonazis zu einem Fackelzug in die Stadt geholt hatte. Bürgermeister Erich Spamer (FWG) hatte mit der Mehrheit der Stadtverordneten im Rücken den vier NPD-Stadtverordneten die Fraktionsgelder gestrichen. Doch die gingen persönlich und als Fraktion dagegen vor und setzten sich in der letzten Juniwoche 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durch. Nun will die NPD gegen Spamer im Stadtparlament am 10. August 2018 einen Abberufungsantrag stellen. Wegen seines „Rechtsbruchs“, so die Demonstranten. Gleich nach der Gerichtsverhandlung in Leipzig hatte die NPD Spamer gefilmt und gefragt, welche Konsequenz er aus seiner juristischen Niederlage ziehen werde. Der überraschte Bürgermeister ist seitdem wortlos und mit rotem Kopf auf der NPD-Facebookseite zu sehen.
Auf dem Büdinger Marktplatz stellten sich die Rechtsradikalen in Reihe auf. Vier von ihnen posierten mit der Parteifahne nebeneinander. Ein Ordner mit Bodybuilder-Figur und ein Filmbeauftragter standen davor. Christian Häger, aus Rheinland-Pfalz angereister Bundes-Chef der NPD-Jugend, spottete, dass die Stadt nun einen großen Teil der auf 12 000 Euro bezifferten Gerichtskosten zahlen müsse. Der ebenfalls mit Bodybuilder-Oberkörper ausgestattete Partei-Aktivist Achim Ezer beklagte lautstark einen „Rassismus gegen die Deutschen“ und schwärmte von Volksstämmen. Die bildeten „einen europäischen Wald, in den sich Dattelpalmen schwer integrieren lassen“.
Und dann wieder Stefan Jagsch: „Spamer muss weg!“ Da riss einer Frau auf dem Marktplatz der Geduldsfaden: „Du musst weg!“ rief sie dem NPD-Aktivisten zu. Schon vorher schimpften etliche Gäste im Biergarten von „Wirt’s Eck“ am Marktplatz. Die Demonstranten hätten kein Recht, Türken zu verunglimpfen, rief ein Mann. Und eine ältere Dame sagte: „Das hier hatten wir schon – das brauchen wir nicht mehr.“ Zuvor, in der Neustadt, verschränkte ein junger Mann die Arme und sagte: Er finde diese Leute „Scheiße“. Ein älterer Herr nannte sie „furchtbar“. Eine Frau bezeichnete die Demonstranten als „Hohlroller“. Ein Passant rief laut: „Spamer muss bleiben. Spamer ist unser Präsident!“ Zur Wahrheit gehört auch, dass einige Gäste des Eiscafé Venezia während des NPD-Vorbeimarsches kurz applaudierten. Der NPD-Landesvorsitzende Daniel Lachmann nahm laut seinem Facebook-Bericht viel Zustimmung wahr: „Oft wurde entlang der Wegstrecke den nationalen Demonstranten zugejubelt.“
Eine offizielle Gegenkundgebung gab es nicht. Zwar hatte ein 17-jähriger Büdinger hatte am 28. Juni eine Gegenkundgebung angemeldet. Die sagte er nach Intervention seines Vaters aber kurz vor Beginn aber wieder ab. Die Auflagen hatten den jungen Mann offenbar überfordert. Auch das Büdinger Bündnis für Vielfalt und die Antifaschistische Bildungsinitiative verzichteten auf Versammlungen. Einige junge Leute verteilten insgesamt 500 gelbe Flugblätter. Darin heißt es: „Es ist bitter, dass Städte wie Büdingen diese Aufmärsche ertragen müssen.“ Die NPD fühlte sich durch ihren juristischen Erfolg beflügelt, in Büdingen sichtbar in die Offensive zu gehen. Trotzdem war es laut Andreas Balser von der Antifa-BI den Versuch wert, der NPD die Fraktionsgelder zu streichen. „Nun wissen wir, woran wir sind“, sagte er. Und eine junge Frau meinte: „Man darf diese Leute nicht gewähren lassen.“
Die Antifaschistische Bildungsinitiative hat eine Dokumentation zur Demonstration der NPD in Büdingen ins Netz gestellt. Zu finden ist sie hier.