Stefan Jagsch scheitert vor Gericht
Die Abberufung des NPD-Politikers Stefan Jagsch als Ortsvorsteher der Altenstädter Waldsiedlung war rechtmäßig. Das meldete das Gießener Verwaltungsgericht. Jagsch hatte im Februar 2020 beantragt, seine Abberufung und die Wahl einer CDU-Nachfolgerin für ungültig zu erklären. Damit ist er nun gescheitert.Der 34-jährige Stefan Jagsch sitzt für die NPD im Wetterauer Kreistag, im Altenstädter Parlament und im Ortsbeirat der Waldsiedlung. Die hier von ihm geführte Neonazi-Partei bekam bei der letzten Kommunalwahl in Altenstadt genau zehn, in der Waldsiedlung sogar 15,2 Prozent der Wählerstimmen. Nachdem der Ortsvorsteher Klaus Dietrich (FDP) sein Amt niederlegt hatte, wählten die anwesenden Beiratsmitglieder Jagsch am 5. September 2019 einstimmig zum Ortsvorsteher. Als Argument gaben sie an, Jagsch könne Computer bedienen und Mails schreiben.
Ein NPD-Ortsvorsteher entrüstete die Welt
Die Wahl des ersten NPD-Ortsvorstehers in Deutschland entfachte international einen Sturm der Entrüstung. Zwei am 5. September abwesende Ortsbeiratsmitglieder beantragten kurz darauf die Abberufung Jagschs und die Ortsvorsteher-Neuwahl. Dabei setzte sich am 22. Oktober 2019 die jetzt 24-jährige Tatjana Cyrulnikov (CDU) durch.
Stefan Jagsch klagte dagegen. Sein Argument: Die Abberufung hätte nicht in offener Abstimmung, sondern geheim stattfinden müssen. Die Ortsbeiratsmitglieder seien durch Einflussnahmen genötigt gewesen, für seine Abberufung zu stimmen.
Das Verwaltungsgericht Gießen sieht das anders. Jagsch habe sein Amt nicht durch eine Abwahl im Sinne der Hessischen Gemeindeordnung verloren, sondern durch eine vom Ortsbeirat mit Zweidrittelmehrheit beschlossene Abberufung. Dabei handele es sich um einen „Akt politischen Ermessens“, schreibt der Gerichts-Sprecher Rainer Lambeck. Die Gründe einer solchen Abberufung könnten nicht durch ein Verwaltungsgericht nachgeprüft werden.
Abberufungen sind immer möglich
Der NPD-Mann hatte in seiner Klage auch einen Interessenwiderstreit gegen seine Abberufung geltend gemacht. Er leitete die Ortsbeiratssitzung am 22. Oktober 2019 selber. Dann übernahm sie Bürgermeister Norbert Syguda, bis ein anderes Mitglied des Gremiums als Sitzungungsleiter gefunden war. All das sei „verfahrensfehlerhaft“ gewesen, befanden nun die Verwaltungsrichter. Jagsch habe das Treffen zu seiner Abberufung wegen seiner Befangenheit gar nicht erst leiten dürfen. Er habe es aber unterlassen, bereits in der Sitzung des Ortsbeirats auf seine Befangenheit hinzuweisen. Deshalb könne er keine Ungültigkeit seiner Abberufung reklamieren.
Die aktuelle Ortsvorsteherin Tatjana Cyrulnikov begrüßte das Urteil: „Es bestätigt unsere Vorgehensweise im Herbst 2019. In einer Demokratie können Fehler passieren, und hier wurde ein Fehler zu Recht korrigiert.“ Bürgermeister Norbert Syguda (SPD) meinte: „Ich freue mich, dass das Verwaltungsgericht Gießen unsere Rechtsauffassung zur Abberufung teilt und bestätigt.“ Nun müsse man abwarten, ob Jagsch Rechtsmittel einlegt.
Das werde er nicht tun, sagte Stefan Jagsch auf Anfrage. Am kommenden Sonntag werde ja schon ein neuer Ortsbeirat gewählt, für den er kandidiere. Seine Abberufung hält er weiter für undemokratisch. Einen Tag nach der Gerichtsentscheidung vom 26. Februar sagte Jagsch in einer Wahlkampfrede: Der „Skandal, dass keine Entscheidung in der laufenden Legislaturperiode getroffen wurde, zeigt, dass dieses Gericht zum Erfüllungsgehilfen der herrschenden Politik gemacht wurde.“ Jagsch lässt sich von seiner Partei als „Ortsvorsteher der Herzen“ feiern und behauptet, die NPD habe im laufenden Kommunalwahlkampf über 100 000 Flugblätter in Wetterauer Briefkästen gesteckt, 3000 Plakate aufgehängt, Lautsprecherwagen durch die Orte geschickt und „unzählige Infostände“ aufgebaut.
Bei der Recherche zu diesem Artikel weigerte sich übrigens der Online-Browser, die Homepage der Wetterauer NPD anzuzeigen. Die Begründung: „Falls Sie die Website besuchen, könnten Angreifer versuchen, Passwörter, E-Mails oder Kreditkartendaten zu stehlen.“