Auf dem Klosterhügel wird bald gebaut
Der fast 900 Jahre alte Gutshof gegenüber der Basilika steht seit mehr als zehn Jahren ungenutzt herum. Das wird sich ändern. Schon im nächsten Jahr beginnen Abbruch und Neubau für ein genossenschaftliches Wohnprojekt.
Neues Leben in Ilbenstadt
Wer durch das barocke Torhaus zur Basilika geht, sieht links der Straße den Unteren Gutshof: Zwei gewaltige Sandsteingebäude mit riesigen Ziegeldächern, davor eine Wiese, ein Bretterschuppen und im Hintergrund ein flaches Stallgebäude. Schuppen und Stall kommen bald weg. Das Kutscherhaus mit den drei halbrunden Toren und das Pächterhaus direkt an der Straße werden umgebaut und neu genutzt. Das gilt auch für den Oberen Gutshof gegenüber, auf der Basilika-Seite. Beide Höfe haben neue Besitzer und eine interessante Zukunft, hieß es am Dienstag bei der Präsentation.
Im Oktober wurden die Kaufverträge unterzeichnet. Das Land Hessen hat nach 15-jähriger Investorensuche die ungenutzten Gebäude und die Grundstücke auf dem Klosterhügel an drei Käufer weitergereicht. Die Stadt Niddatal besitzt nun eine dreieckige, leicht abschüssige Wiese links vom Torhaus, neben dem katholischen Kindergarten. Da wird eine Kita für bis zu 80 Kinder in vier Gruppen gebaut, kündigte Bürgermeister Bernhard Hertel gestern an. Schon 2019 soll die dringend gebrauchte Einrichtung in Betrieb gehen. Die Baukosten schätzte Hertel auf 2,5 Millionen Euro. Das Stadtparlament hat dem Plan Ende November zugestimmt. Damit die Kinder Auslauf haben, wird der etwa 10 000 Quadratmeter große Park nebenan für sie und alle Bürger geöffnet. Er liegt bislang unsichtbar hinter einer Mauer zwischen dem Dorf und der Basilika – es handelt sich also nicht um den ebenfalls ummauerten Park des Hauses St. Gottfried rechts vom Torhaus.
Gegenüber der Basilika besitzt jetzt die Oekogeno-Genossenschaft aus Freiburg rund 2800 Quadratmeter Wiese, Hoffläche und denkmalgeschützter Gebäude. Sie will 2018 den erst im 20. Jahrhundert gebauten Stall am unteren Ende abreißen und dort ein großes Gebäude mit etwa 30 Wohnungen errichten. Die sollen auch für Behinderte, größere Familien oder sehr alte Menschen geeignet sein, versicherte der Oekogeno-Vorstand Rainer Schüle. „Das ist unser erstes Wohnprojekt in Hessen“. Wer dort einziehen will, muss zunächst eine fünfstellige Einlage an die Genossenschaft zahlen und kann dann die Wohnung zum Selbstkostenbetrag mieten. Das verhindere spekulativen Wohnungsbau, meinte die als Verkäuferin auftretende Staatssekreätrin Beatrix Tappeser. Das Wohnprojekt wird laut Schüle einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, zusammengesetzt aus 30 bis 40 Prozent Eigenkapital und etwa 60 Prozent Bankkrediten.
Nach dem Neubau will die Oekogeno auch das quer zur Straße stehende Kutscherhaus und das Pächter-Wohnhaus erneuern. Wie sie auf Dauer genutzt werden sollen, ist noch unklar. Man könne sich ein Café im Kutscherhaus vorstellen, sagte Schüle. Die Sanierung plant der Bad Nauheimer Architekt Gustav Jung, der als Vorsitzender des Wetterauer Denkmalbeirats große Erfahrung mit uralten Bauwerken hat.
Auf der anderen Straßenseite haben sich Nicole Weyrauch und Alexander Czempien die 3800 Quadratmeter des Oberen Gutshofes gesichert. Da wollen sie zunächst Werkstätten einrichten, in denen Handwerker bei der Sanierung des Unteren Gutshofes tätig werden können. Das Paar ist gerade dabei, ins Gärtnerhäuschen neben dem zweiten Torhaus einzuziehen. Die aus Ockstadt und Friedberg stammenden Investoren haben genug Geld und Freude daran, „hoffnungslose“ Immobilien zu retten und für Mehrgenerationen-Projekte herzurichten. Zuletzt sanierten sie über Jahre hinweg die Alte Propstei in Assenheim – eine Fachwerk-Ruine, in der jetzt etliche Mieter rund um den Innenhof wohnen. Einer von ihnen ist Jörg Weber, der als Aktivist für nachhaltiges Leben unter anderem den Frankfurter Ernährungsrat ins Leben gerufen hat. Er machte die aus der Frankfurter Ökobank hervorgegangene Oekogeno-Genossenschaft auf die Ilbenstädter Gebäude aufmerksam und organisiert nun deren Umbau.
Interessiert, aber auch besorgt verfolgte Christine Holz am Dienstag die Präsentation. Sie ist auf dem Klosterhügel aufgewachsen und wohnt mit ihrem Mann gleich neben dem barocken Torhaus. Dass nebenan wieder Leben einkehrt, findet sie prima. Nur die Höhe des Neubaus macht ihr Sorgen. Es wäre doch schade, sagte sie, wenn man von der Ilbenstädter Ortsdurchfahrt aus nicht mehr die Basilika sehen könnte. Und an der Turmuhr nicht mehr ablesen könnte, was die Stunde geschlagen hat.
Klosterhöfe und Oekogeno
Anno 1122 ließ der später heiliggesprochene Hochadelige Gottfried von Cappenberg auf dem Ilbenstädter Hügel die Basilika und Klostergebäude bauen. Anlass waren für ihn Erfahrungen in der spirituellen Lebensgemeinschaft des Norbert von Xanten, die zur Gründung des Prämonstratenser-Ordens führten. Der Untere, der Obere und der Nonnenhof am Ortsrand dienten zur Versorgung der Klosterbewohner.
Anno 1803 wurde der Orden enteignet und Ilbenstadt den Grafen von Westerburg-Altleiningen übergeben. Später kaufte die Kirche die Basilika und den Prälatenbau zurück, während die Gutshöfe 1921 zu einer hessischen Staatsdomäne wurden.
Die Oekogeno-Genossenschaft hat jetzt einen nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Gutshof gekauft. Sie ging aus der Frankfurter Ökobank hervor und setzt mit 15 000 Mitgliedern für ökologische und soziale Projekte ein. Binnen zehn Jahren investierten rund 3000 Mitglieder insgesamt zwölf Millionen Euro und schaffen damit bis Ende 2018 ein Vermögen von rund 52 Millionen Euro, so die Genossenschaft. Mehr darüber auf www.oekogeno.de. nes