Lederwaren

Der Problemlöser

Von Jutta Himmighofen-Strack

Das Gebäude in der Kaiserstraße 60 ist typisch für die ehemals „Breite Gasse“ in Friedberg. Fachwerkgebäude, mehrgeschossig, schmal und lang. Hier betreibt die Firma Lederwaren Steck, die im nächsten Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, seit 1936 ihr Geschäft mit Lederwaren. Heute, mit Ulf Berger (Foto), in der vierten Generation. Er repariert (fast) alle Koffer und Taschen.

„Muss ja ordentlich aussehen“

Ein Beauty-Case wurde zur Kühlbox. (Fotos: Himmighofen-Strack)

Das Herz des Traditionsunternehmens schlägt im ersten Stock: die Werkstatt. Ulf Berger repariert hier nicht nur Reißverschlüsse, schließt aufgerissene Nähte, bessert Dellen und Beulen von Aluminium-Koffern aus oder passt mal schnell den eben gekauften Gürtel an. Das ist nur die „Pflicht“, mit immerhin fast 150 Reparaturen im Monat. Die „Kür“ indes sind seine Spezialreparaturen- und Anfertigungen. Seine Kunden wenden sich an ihn, weil er den Ruf des Problemlösers hat. „Geht nicht, gibt`s (fast) nicht“ ist der Leitsatz des dreifachen Familienvaters. Das galt auch für das Anliegen eines Kunden, der beruflich europaweit im Außendienst unterwegs ist. Er war es leid, neben seinen hochwertigen Koffern im Hotel mit einer Plastikkühlbox für seine Getränke einzuchecken. „Da habe ich halt ein Beauty-Case aus seiner Kofferserie genommen, Schalen für zwei Wasserflaschen angefertigt, das Ganze mit Leder ausgekleidet, isoliert und die Akku-Pads formschön verpackt. Muss ja ordentlich aussehen“, grinst Ulf Berger. Oder der Großvater, der seinem Enkel für Fasching den Cowboyauftritt sponsern wollte. „Aber ich kauf dem nicht so einen Plastikhalfter, da machst Du mir was Richtiges aus Leder“, war die klare Anweisung an Ulf Berger.

Tausende Schrauben, Ösen, Verschlüsse, Nieten

Beim Besuch in der Werkstatt arbeitet er gerade an einer Tasche, die eine Kundin in Frankreich bei einem Trödelmarkt erstanden hat. Geschätzte 100 Jahre alt, nur leider fehlt ein Riemen. Wie gut, dass die Werkstatt für solche Fälle gerüstet ist und nicht nur in der Werkstatt, sondern im ganzen Haus über Jahrzehnte gesammeltes Leder, Tausende  Schrauben, Ösen, Verschlüssen, Nieten verteilt sind. Und wenn tatsächlich mal das passende Leder fehlt, weiß Berger schon den einen oder anderen Trick, wie man aus neu ganz alt macht.


In die Wiege wurde ihm das nicht gelegt. Erst als Student verdiente er sich das erste Geld in der Werkstatt. Mit Anlernen war da nicht viel drin. Eher mit „Learning by Doing“, schmunzelt er. Ein Schicksal, das er mit seinem Vater teilt. Auch er wurde nicht nur als Schwiegersohn in die Familie eingeführt, sondern auch gleich der Schwiegermutter als Geschäftspartner präsentiert. So ist das in unserer Familie, unkt Berger, da wird man gleich ins kalte Wasser geworfen.

Eishockeyspieler und Musiker sind Kunden

Dass er den Betrieb jedoch als mittlerer von drei Brüdern weiterführen würde, war für ihn schon nach der Schulzeit klar. Deshalb absolvierte er zuerst eine Ausbildung zum Handelsfachwirt und hing anschließend noch ein Studium der Betriebswirtschaft dran.

Die Bandbreite seiner regelmäßigen Kunden ist groß: Von Bad Nauheimer Eishockeyspielern, die ihre schweißgetränkten Handschuhe über Nacht reparieren lassen, bis hin zu Musikern, denen Berger die Behausungen ihrer Instrumente repariert.

Was Ulf Berger in seiner Werkstatt immer wieder umsetzt, nämlich nachhaltig zu arbeiten; dieser Anspruch findet sich auch in seiner Produktpalette wieder. Schon seit vielen Jahren gibt er startups, die aus Abfall neue Produkte erstellen, eine Plattform.

Zum Beispiel die Taschen von Industrierelikt. Karen Häcker stöberte schon als Schülerin gerne auf Schrottplätzen. Hier fand sie in den alten Autositzen das Material, aus dem sie ihre ersten Taschen nähte. Heute fertigt sie gemeinsam mit Michael Treiber Taschen ausschließlich aus Produktionsresten von Friseurstühlen.

https://youtu.be/XJe2XHM5-Hc

Dass man aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen schicke und praktische Taschen und mehr herstellen kann, beweisen die Brüder Klüssner unter dem Label „Feuerwear“. Auch ihr Ansatz ist es, nach dem Wiederverwertungsprinzip oder neudeutsch „Upcycling“ zu produzieren. Die Kölner Brüder fertigen aus ausgedienten Feuerwehrschläuchen. Aus einem Material, das nicht nur robust ist, sondern aus dem jedes Teil ein Unikat wird. Schließlich sieht man dem Material an, dass es jahrelang im Einsatz war. Schleif- und Brandspuren bezeugen dies.

2019 feiert Lederwaren Steck mit vielen Aktionen und Angeboten seinen 100. Geburtstag.

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