Kriegsdenkmäler

Noch zeitgemäß?

von Jörg-Peter Schmidt

Beim Errichten von Kriegsdenkmälern stand oft der nationalistische Revanchegedanke im Vordergrund. Das zeigte Dr. Ludwig Brake, Leiter des Gießener Stadtarchivs, bei einem Vortrag beim Oberhessischen Geschichtsvereins (OHG) auf. Anhand von Beispielen aus der Region Gießen beschrieb er, dass gerade in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und dem zunehmend stärker werdenden Nationalsozialismus leider nicht mehr allein das Gedenken an die Toten dominierend war, wenn diese Monumente geplant und eingeweiht wurden. Vielmehr hatte sich nach Ende des Ersten Weltkriegs (1918) in Deutschland die Empfindung einer „unverdienten, schmachvollen Niederlage“ und der ablehnenden Einstellung zu dem Versailler Friedensvertrag der Ruf nach „Wiedergutmachung“ für die erlittenen Demütigung breit gemacht.

Triumphierende Kriegergestalt

Zunächst blickte der Stadtarchivar aber auf die Entstehung von Denkmälern am Ende des 18. Jahrhunderts zurück, nach der Französischen Revolution und den Befreiungskriegen: „Bei diesen Auseinandersetzungen trafen Volksheere aufeinander, die durch die allgemeine Wehrpflicht aufgeboten worden waren, so dass das Bedürfnis wuchs, Erinnerungszeichen an die Gefallenen aus dem Volke zu errichten.“  Das 1900 auf dem Gießener Markplatz errichtete Denkmal mit einer triumphierenden  Kriegergestalt mit Schwert und erhobener Reichskrone als Motiv sollte an die „nationalen Errungenschaften von 1870/71″ (Deutsch-Französischer Krieg) erinnern. Brake: „Stand bei dieser Figur auf dem Marktplatz der Triumph des Sieges im Vordergrund, so gibt es zwei wesentlich ältere Denkmäler in der Universitätsstadt, die an einem anderen Ort explizit an die Toten des Deutsch-Französischen Krieges erinnern: Auf dem Gießener Alten Friedhof ist das Deutsche und Französische Denkmal in Erinnerung an den Krieg 1870/71 im Denken an die gefallenen Gießener Bürger und die in Gießen gestorbenen französischen Kriegsgefangenen direkt nebeneinander platziert, wodurch die Trauer um die Gefallenen beider Nationen im Vordergrund steht.“

Sein Vortrag zeigte, wie sich im Laufe der Jahrzehnte die Einstellung de Bevölkerung zu den Kriegsdenkmälern änderte: Referent Dr. Ludwig Brake. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)

Später entstanden die Denkmäler für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Beispielsweise wurde noch während dieses Krieges (im Jahre 1915) im Nordhof des Reserverlararetts Windhof bei Heuchelheim ein solcher Gedenkstein für die Gefallenen eingeweiht, von den Patienten in Eigenleistung geschaffen. Der Historiker schilderte, wie sich nach 1918 die Einstellung bei Verantwortlichen wie Politikern und auch in weiten Teilen der Bevölkerung bei der Planung von Kriegsdenkmälern zum Negativen veränderte. Nicht selten sollte das heroisch Militärische („Im Felde unbesiegt“) hervorgehoben werden. Im Mai 1925 begannen die Vorbereitungen zum Bau des heute noch bestehenden Denkmals am Landgraf-Philipp-Platz  vor dem Zeughaus in Gießen, nicht weit entfernt vor dem Gelände des Wochenmarkts. Dargestellt ist auf einem Sockel, der in einem runden Becken steht, ein mit einem Leinentuch bekleideter Mann. Er kniet mit einem Bein auf der Erde, während das andere Bein angewinkelt ist und mit der Sohle aufliegt. Die linke Hand liegt auf einem Stahlhelm, die rechte Hand ist zur Faust geballt. Der Körper ist muskulös. Die Inschrift „Vorwärts“ schreibt der Figur eine aktive Rolle zu, eine Bewegung also. Brake: „Die Darstellung  dieses Denkmals schwankt zwischen Trauer und Heroismus; es hat weder einen offenen aggressiven noch einen deutlich mahnenden Charakter. Allerdings  wurde der 1926 eingeweihte Gedenkstein nicht so sehr als ein Mal für die Verstorbenen verstanden, sondern als Vermittler von national-politischen Aussagen.“ Es sollte zwar einerseits an den Krieg erinnern, andererseits  die Zukunft eines „starken, wehrhaften“ Deutschlands darstellen.

NS-Leute setzen ihre Vorstellungen durch

Von dem nationalistischen Gedankengut geprägt waren Bau und Einweihung der Monumente in Kleinlinden (1934) und Wieseck (1936). Die Entwürfe in Kleinlinden gingen bis auf die 20er Jahre zurück, als der Gemeinderat über die Errichtung eines Ehrenfriedhofs für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs diskutierte. Im Laufe der Jahre wurde dann aber schon über ein „Kriegerdenkmal“ gesprochen. Wie Brake berichtet, „setzten linientreue NS-Leute ihre Vorstellungen durch.“ Am 15. Oktober 1934 erfolgte die Einweihungsfeier auf einem Gelände zwischen Kirche und Friedhof an den Schulgärten. Die kriegerische Figur des Denkmals wurde von Nazis unter den Gesichtspunkt der Heldenverehrung und der Revanche gesehen.

 Auch in Wieseck liefen die Planungen für ein Mahnmal seit den Zwanziger Jahren. Im Mittelpunkt sollte das Gedenken an die Gefallenen stehen; es kam ganz anders: Denn unter dem nationalsozialistischen Bürgermeister Karl Euler war mittlerweile auch der Gemeinderat gleichgeschaltet.  Immerhin ist in Wieseck mutig diskutiert worden, dass „auch israelitische Mitkämpfer und Gefallenen“ auf einer Namensliste auf dem Gedenkstein einen Platz finden sollen. In der Tat gab es einen jüdischen Bürger Wiesecks, Julius Baum, der 1918 im Alter von gerade mal 20 Jahren im einem Lazarett bei Straßburg gestorben ist. Namen stehen nicht auf dem auch heute noch erhaltenen Gedenkstein. Allerdings hat der VdK Wieseck in den sechziger Jahren ein Gedenkbuch mit Namen der Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs zusammengestellt. Am 29. November 1936 wurde das von einer Kriegerfigur geprägte Denkmal in der Nachbarschaft des Torturms, der Kirche und des Friedhofs eingeweiht. Welche Atmosphäre  bei dieser Feier herrschte, kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, was Bürgermeister Euler an diesem Tag ankündigte: Das Gelände vor dem Friedhof solle ab sofort „Hindenburgplatz“  heißen.

Vom Nationalsoziallismus geprägt: Während der Einweihung des Kriegsdenkmals in Wieseck. (Fotoquelle: Stadtarchiv Gießen)

Denkmäler in der Kritik

 Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden, so der Referent, Veränderungen an den erwähnten Denkmälern statt. Vor allem wurden die entsetzlichen Hakenkreuze entfernt. Beispielsweise ist in Wieseck die Kriegerfigur nicht mehr sichtbar. Brake: „Die Denkmäler im Raum Gießen sind in der vergangenen Jahren oft Gegenstand von politischen Aktionen gewesen, weil sie inhaltlich für etwas standen, das mit dem jeweiligen zeitgenössischen Totengedenken nicht im Einklang zu bringen war.“ Verstärkt seit den 1970er Jahren fanden solche Auseinandersetzungen statt (ein Beispiel: das „Greifdenkmal“ an der Gabel Grünberger Straße/Licher Straße“ in Gießen). Auch hat es um den Krieger auf dem Sockel in Kleinlinden Diskussionen gegeben; es fanden auch Farbschmierereien statt. Der Gemeinderat entschied 1990, den Charakter des Denkmal durch einen Textordnung abzumildern. Zusätzlich wurden die Sätze des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker angebracht: „Die Toten mahnen die Lebenden. Lernen wir miteinander zu leben, nicht gegeneinander.  Ehren wir die Freiheit für den Frieden. Nie wieder Krieg.“  Den Worten Weizsäckers ist nichts hinzufügen, war man sich im Netanya-Saal nach dem nachdenklich stimmenden Vortrag einig, für den im Namen aller Zuhörer Dr. Carsten Lind (Mitglied des Vorstands des Oberhessischen Geschichtsvereins) dem Referenten dankte.

Historisches Dokument aus dem Jahr 1915: Bei der Einweihung des Denkmals im Nordhof des Reserverlararetts Windhof bei Heuchelheim. (Fotoquelle: Heimatmuseum Heuchelheim)

Ein Gedanke zu „Kriegsdenkmäler“

  1. Ein teils gegebener Missbrauch dieser Mahnmale ist nicht zu verleugnen, dennoch ehrt ein solches Denkmal die Verstorbenen und mahnt vor Wiederholung. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass wir in Deutschland Denkmäler derer, die so viele Kriege und Schlachten befohlen haben stets restaurieren und als Sehenswürdigkeit ausstellen. Ich denke, bevor wir über die Zeitgemäßheit von Mahnmalen der in den Kriegen Gefallenen nachdenken, sollten zuerst die Denkmäler der Verursacher bzw. Mitschuldigen an den Kriegen und damit die Denkmäler von Kaisern, Königen, Fürsten und Grafen verschwinden.

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