Kohle

Wochenlang schwelt der Meiler

Von Klaus Nissen

Zweimal im Jahr wird im Hessenpark bei Neu-Anspach ein Kohlenmeiler gezündet. Zwei Wochen dauert es, bis aus den mit Erde abgedeckten Scheiten nach alter Manier Holzkohle wird. Der Meiler muss dabei rund um die Uhr bewacht werden.

Kohle machen ist diffiziles Handwerk

Es ist kein Zufall, dass so viele Menschen in Deutschland den Nachnahmen Köhler tragen. Ungefähr bis 1850 war die Herstellung von Holzkohle ein einträgliches Handwerk. Tausende Menschen waren permanent damit beschäftigt, in den Wäldern die Meiler zu bauen und den Schwelprozess zu überwachen. „Sie konnten sich und ihre Familien gut damit ernähren“, sagt Alexander Köhler.

Der Köhler heißt auch so: Alexander Köhler steht im Hessenpark vor seinem gerade angezündeten Meiler. Foto: Nissen

Wie kommt es dann, dass der Köhler landläufig als armer Teufel gilt? Oder gar als krimineller oder mindestens zwielichter Geselle, wie in so manchem von den Gebrüdern Grimm aufgezeichneten Märchen? Alexander Köhler weiß die Antwort: „Arme Teufel wurden die Köhler erst, als die neu gebauten Eisenbahnen flächendeckend Steinkohle transportieren konnten.“

Die Eisenbahn machte der Köhlerei den Garaus

Seit etwa 1840 brachten die Dampflokomotiven den fossilen Brennstoff beispielsweise aus dem Ruhrgebiet zu den Eisen-Gießwerken. Die mühsam herzustellende Holzkohle wurde kaum noch gebraucht. Ihr Preis sank derart, dass sich die Herstellung im Wald kaum noch lohnte. Die letzten Köhler waren armeTeufel, die es nicht geschafft hatten, Arbeit in den boomenden Fabriken des gerade angebrochenen Industriezeitalters zu finden.

So sieht ein Meiler in der Aufbauphase aus. Foto: Christoph Waghubinger, Wikipedia

Alexander Köhler ist in der Hälfte seiner jährlichen Arbeitszeit zum wahrscheinlichen Beruf seiner fernen Vorfahren zurückgekehrt. Zweimal im Jahr baut, zündet und betreut er im Freilichtmuseum einen Kohlenmeiler. Er ist dort angestellt.

Rund um die Uhr betreut er den Meiler

Seit Sonntag, 21. September bis zum 5. Oktober 2025 kann man ihn dabei besuchen und nach Herzenslust ausfragen. In dieser Zeit wohnt der Köhler in einer offenen Giebelhütte neben dem Meiler. Sie ist nach Vorbildern aus den Vogesen gebaut, erzählt er.

Arme Teufel mit schwarzen Gesichtern:Köhler im Pfälzerwald um 1930. Foto: Wikipedia

Wer dem groß gewachsenen Mann zuhört, bekommt eine Vorstellung davon, wie aufwändig früher die Herstellung des Energieträgers war. Zunächst müssen Holzscheite her. Es kann und soll frisch geschlagenes und gespaltenes Stammholz sein. Je dichter und schwerer die Holzsorte ist, desto besser wird die Kohle.

Auf die frisch geschlagenen Scheite kommt Laub und feuchte Erde

Etwa zehn Raummeter an Holzscheiten schichtet Köhler gut eine Woche lang zu einem dicht gepackten kegelförmigen Rundmeiler auf. Sobald er steht, wird der Mantel gebaut. Der besteht Laub, grünen Tannenreisern und einer mindestens 30 Zentimeter dicken Packung aus feuchter Humuserde und Kohlenstaub. „Die Erde muss die ganze Zeit feucht bleiben. Deshalb baut man den Meiler in der Nähe eines Baches oder Teiches“, sagt Alexander Köhler. Er steht dabei gut gelaunt im strömenden Regen mit seiner emaillierten Kaffeetasse. Das feuchte Herbstwetter kommt ihm zupass.

Am Morgen des ersten Brenntages hat der Köhler eine Fackel durch den schmalen Kanal am Fuss des Meilers bis in seine Mitte vorgeschoben. Dort beginnt der fast zwei Meter hohe Schacht aus eng gesteckten Pfählen. Er ist mit Holzkohle gefüllt, die die Fackel nun anzündet. Schon kurz danach steigt der erste Qualm aus den kleinen Löchern rund um die Spitze auf. „Ich muss auch nachts immer mal wieder raus und die Rauchlöcher feucht halten, damit sie sich nicht durch nachrutschende Erde schließen.“

Im Meiler ist es 600 Grad heiß

Im Lauf der folgenden zwei Wochen verschwelt das Holz von oben nach unten bei etwa 600 Grad zu Kohle. Die Rauchlöcher sticht der Köhler in dieser Zeit immer weiter unten in den Meiler. Nur durch den engen Kanal am Boden kommt Sauerstoff hinein. Die Abdichtung verhindert, dass sich offene Flammen bilden. Am Ende der beiden Schwelwochen kann man schon am mehr als hundert Meter entfernten Eingang zum Hessenpark den Qualm riechen.

Im Jahr 1904 gab es in Paris einen Wettlauf der Köhler. Im Jahr 1760 verbrauchten die damals rund 300 000 Bewohner der französischen Hauptstadt gut 18 000 Tonnen Holzkohle. Foto: Jules Beau / Wikipedia

Beim Erntefest am ersten Oktober-Wochenende (3. bis 5. Oktober 2025) können Besucher im Hessenpark zusehen, wie der Köhler seinen durchgeschwelten Meiler auseinander reißt und die bröselnden Holzkohlen-Scheite erntet. Von zehn Tonnen Holz bleibt etwa eine Tonne Kohle übrig. Sie wird in Säcke abgefüllt und im Museumsladen an die Gäste als Grillkohle aus regionaler Produktion verkauft.

Viel zu sehen im Hessenpark

Das landeseigene Freilichtmuseum Hessenpark wurde 1974 im Hochtaunuskreisgegründet. Es ist 65 Hektar groß. Inzwischen stehen dort mehr als 100 hessische Gebäude aus fünf Jahrhunderten. Man sieht unter anderem Wohnhäuser, alte Werkstätten, einen Kaufladen aus dem frühen 20.Jahrhundert, ein historisches Postamt und einen der ersten Flüchtlingscontainer, die 1990 in Oberursel Geflüchtete aus dem Bosnienkrieg aufnahmen.

http://www.hessenpark.dehttps://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6hler

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