Ziel ist der erste Arbeitsmarkt
Von Elfriede Maresch
Die Bad Nauheimer Beratungsstelle Inklusive Arbeit Wetterau gGmbH“ (InkA) vermittelt junge Menschen mit Handicaps in den ersten Arbeitsmarkt. Sie sollen dort arbeiten, wo andere auch arbeiten, nicht in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Jetzt konnte die erfolgreiche Vermittlung von drei jungen Menschen gefeiert werden.Den Sprung geschafft
Für vier junge Erwachsene konnte eine Feierstunde beim Internationalen Bund (IB Südwest gGmbh) ausgerichtet werde, ein großes Wunschziel ist für sie in greifbare Nähe gerückt. Sie sind sozusagen „Pioniere“. Sie bilden den ersten Jahrgang des Konzeptes Alternative berufliche Bildung (abBi) und einer 27 Monate dauernden Begleitung. So haben jetzt drei von ihnen den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft, ein vierter junger Mann ist noch in Vorbereitung.
Es sind junge Menschen mit Handicaps und zum Teil ausgeprägten Lernschwierigkeiten, sie wurden inklusiv beschult oder durchliefen eine Förderschule. Aber oft stand schon vor dem Ende der Schulzeit bei ihnen fest: „Ich will da arbeiten, wo andere auch arbeiten. Ich will ausprobieren, was ich gut kann und wo es mir am besten gefällt!“ Das ist zugleich eine Absage an einen gewissermaßen vorgezeichneten Lebensweg: Arbeiten in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM), Wohnen in der Wohnstätte eines Behindertenhilfeträgers, Freizeitangebote dort. Ist das ein „Leben in der Mitte der Gesellschaft“, wie es sich Menschen mit und ohne Handicaps wünschen? Mit gutem Grund formuliert die UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabe in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Freizeit, Mobilität nach individuellen Bedürfnissen als Ziel und Grundrecht.
InkA hat Brückenfunktion
Einen wichtigen Schritt in diese Richtung sind sie gegangen: Anika (22) wird im Team eines Kindergartens mitarbeiten, Lukas (23) ist im Diakoniewerk Elisabethhaus in der Waschküche, im Speisesaal und bei Aufgaben des Hausmeisters tätig. Sam (21) macht im Anschluss von abBi ein Praktikum in der Küche eines Schulkomplexes und strebt die Mitarbeit in einer Küche in einer Altenpflegeeinrichtung an. Julia (22) arbeitet in der Hauswirtschaft und der Betreuung der Bad Nauheimer Seniorenresidenz am Park.

(Fotos: InkA)
Auf die Brückenfunktion zwischen Schulabschuss und Einstieg ins Berufsleben auf dem ersten Arbeitsmarkt hat sich die „Inklusive Arbeit Wetterau gGmbH“ (InkA) spezialisiert. Zwei Gesellschafter haben sich in dem unabhängigen Dienst zusammengefunden: die Lebenshilfe Wetterau gGmbH und die Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH. Gefördert wurde InkA, 2017 gegründet, fünf Jahre lang zu 70 Prozent durch die „Aktion Mensch“, den Rest der Kosten übernehmen die beiden Gesellschafter. Erfreulicherweise konnte mit den InkA-Beratungspatenschaften ein weiteres Modell gefunden werden, um die inklusive Arbeit zu unterstützen.
Alternative berufliche Bildung
Ein weiterer Baustein auf dem Weg zum ersten Arbeitsmarkt ist das alternative berufliche Bildungsangebot (abBi). Entwickelt wurde es von InkA und wird in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Bund Südwest gGmbh für längstens 27 Begleitmonate durchgeführt. Bewerbungstrainings, Stärkung von Schlüsselkompetenzen, professionelle Begleitung am Arbeitsplatz und darauf bezogene theoretische Einheiten im Sinn der Berufsschule gehören dazu. Das abBi-Angebot stellt die Alternative zu einem stationären oder ambulanten Berufsbildungsangebot von WfbM Trägern dar und findet ausschließlich in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Gewichtung „Vier Wochentage am Arbeitsplatz- ein Tag Schule“ statt. Finanziert wird es von der Agentur für Arbeit über das Persönliche Budget als Alternative zur Weiterbildung in einem klassischen Berufsbildungsbereich, worauf junge Menschen mit Behinderung einen Rechtsanspruch haben.
Langfristiges Ziel ist, wenn möglich, der Abschluss eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses mit Unterstützung durch das Budget für Arbeit. Bei Julia, Lukas und Anika aus dem ersten abBi-Jahrgang ist dies gelungen. Dabei werden die individuellen Möglichkeiten und Grenzen des jungen Menschen gesehen, die Wochenarbeitszeit beträgt bei den Dreien 30 bis 35 Stunden. Für den Arbeitgeber gibt es einen Minderleistungszuschuss, Prämien aus dem Hessischen Förderprogramm HePAS, sowie für die Mitarbeiter das notwendige Jobcoaching für Einarbeitung und Begleitung. Etliche Wetterauer Arbeitgeber haben bereits Jahre lang gute Erfahrungen mit behinderten Mitarbeitenden in ihren Firmenteams gemacht.
Dazu InkA-Geschäftsführer Jochen Rolle: „Zu erfolgreicher Inklusion gehört die Interessenbalance beider Seiten. Wir wollen Arbeitgeber bei der Entwicklung passgenauer Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung unterstützen, die auch dem Betrieb nutzen, und wir wollen, dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, welch gutes Potenzial diese inklusive Beschäftigungen einbringen können.“
Man muss Spaß an der Arbeit haben
Was halten die jungen abBi-Absolventen für wichtig, um auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bestehen? „Man muss Spaß an der Arbeit haben, aber man muss pünktlich sein und die müssen sich verlassen können“ meint Lukas. „Man muss selbstständig mit dem Bus oder dem Zug fahren können“ betont Julia – eine wichtige Fähigkeit im ländlichen Raum. Und: „Man muss es ansprechen, wenn was nicht gut läuft, damit es anders wird“, ist Anikas Erfahrung.
Das Potenzial der jungen Menschen mit Handicaps ist unterschiedlich. Nicht immer kann das Ziel des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses erreicht werden. Der Weg ist dennoch nicht versperrt. Eine weitere Möglichkeit zur Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bietet eine so genannten betriebsintegrierten Beschäftigung – junge Menschen können darüber in Firmen des ersten Arbeitsmarktes eingesetzt werden, bleiben aber Mitarbeiter der WfbM.
Die Bad Nauheimer Beratungsstelle InkA steht allen Ratsuchenden in Fragen rund um inklusive Arbeit und um mögliche Übergänge von der Schule ins Berufsleben offen und ist telefonisch unter 06032/9356868, per Mail unter info@inka-wetterau.de zu erreichen. InkA arbeitet vernetzt mit und für junge Menschen mit Behinderungen, mit potenziellen Arbeitgebern, mit Eltern und Betreuern und kooperiert mit der Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträgern, Arbeitgebern, Schulen, Berufsbildungszentren und anderen relevanten Institutionen. Die verschiedenen InKA-Angebote wie Hospitationen, Praktika, Qualifizierungen und die intensive langfristige Beratung und Begleitung sind für die Nutzer kostenfrei. Die Zahl der Rat Suchenden bei InkA wächst ständig. Über 150 junge Menschen mit Behinderung hat InkA bereits begleitet – teilweise über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren.
Mehr Informationen zu den InkA-Beratungspartnerschaften gibt es unter inka-wetterau.de/de/unterstuetzen/inka-beratungspatenschaften.html.
Titelbild: Nützlich in einer Branche mit chronischem Personalmangel: Julia macht gern hauswirtschaftliche Arbeiten und kommt mit den Senioren gut zurecht.