Impfzentren

Start mit 130 Impfungen pro Tag

Von Klaus Nissen

Alle 28 hessischen Impfzentren sind am 9. Februar 2021 in Betrieb gegangen – allerdings nur ganz sachte. In den ersten zwei Wochen hat beispielsweise das Wetterauer Impfzentrum in Büdingen nur 130 Impfdosen pro Tag zur Verfügung. Hier einige Eindrücke vom ersten Tag.

Impfzentren: Hohe Kosten, wenige Impfungen

Am ersten Betriebstag schien die Sonne auf das Corona-Impfzentrum. Schon seit zwei Monaten ist es fertig. Am 9. Februar2021 ging das Impfen los, wenn auch auf kleinster Sparflamme: In den sechs Impfstraßen des ehemaligen Obi-Baumarktes könnten bis zu 1500 Menschen am Tag die Spritze gegen das Virus bekommen. Doch in den nächsten zwei Wochen sind laut Amtsarzt Reinhold Merbs täglich nur etwa 130 Impfungen möglich. Es mangelt am Nachschub.

Christina Drescher (links) und Doris Grünbein setzten am ersten regulären Betriebstag des Impfzentrums die Spritzen. Man sieht es ihnen nicht an – aber sie lächelten dabei. Fotos: Nissen

Hektik war also nicht zu spüren, als gegen elf Uhr früh der hessische Innenminister Peter Beuth vorfuhr. Nur ein Dutzend Menschen wartete in der riesigen verglasten Wartezone (der ehemaligen Gartenabteilung) auf die Impfung. Die Gruppe um den Minister und den Landrat Jan Weckler stand niemandem im Wege. Allein 3500 Menschen würden in den 28 hessischen Impfzentrum an diesem Dienstag geimpft, sagte Peter Beuth. Bisher haben rund 165 000 Hessen die Erstimpfung bekommen, davon rund 7000 Wetterauer. „Wir verimpfen alles, was da ist“, sagte Beuth. Rund 100000 Impfdosen halte das Land auf Lager, damit die Zweitimpfung nach drei Wochen auch bei Lieferschwierigkeiten garantiert ist. Der sanfte Start der Impfzentren habe ja auch den Vorteil, dass alle Beteiligten den Ablauf gut üben können.

Das fast leere Zentrum kostet eine Million pro Monat

Es ist eine extrem teure Übung. Das Büdinger Impfzentrum kostet pro Monat rund eine Million Euro, sagte ein hochrangiger Verantwortlicher gestern auf Nachfrage. Pro Tag sind das etwa 33 000 Euro – auf die 130 Impflinge umgerechnet also etwa 250 Euro pro Kopf – ohne den Impfstoff. Wie Beuth betonte gestern auch der Hausherr und Landrat Jan Weckler lieber die positiven Aspekte des Impfstarts: „Das Gesundheitsamt hat Unendliches geleistet“, der Start des Impfzentrums sei ein großer Fortschritt. Und man sei „Gewehr bei Fuß“, um in Büdingen zehnmal so viele Menschen zu impfen wie jetzt.

Es gibt viel zu wenige Corona-Impfdosen.

Schon in der vorigen Woche kamen laut Amtsarzt Reinhod Merbs vor allem Alten- und Krankenbetreuer aus der ambulanten Pflege zum Impfen nach Büdingen. In der kommenden Woche erwartet Merbs eine Lieferung von Astra Zeneca-Impfstoff, die nicht für alte Menschen zugelassen ist. Damit soll das Personal der Wetterauer Kliniken ebendort geimpft werden. Etwa 30 Prozent der dort arbeitenden Menschen haben laut Merbs dort schon die erste Spritze bekommen.

Voran geht auch die Impfung der Altenheimbewohner. Die soll bis Ende Februar in den Häusern abgeschlossen sein. Danach kommt – hoffentlich – der Impfbetrieb im Zentrum an der Industriestraße richtig in Schwung. Amtsarzt Merbs denkt momentan auch über Vorschläge aus den Wetterauer Kommunen nach. Die haben angeboten, in ihren Bürgerhäusern Impfaktionen zu ermöglichen, damit die Bevölkerung nicht so lange Wege nach Büdingen hat.

Überall stehen Einweiser

Für das Impfzentrum steht laut Merbs sehr viel Personal bereit. Wer dort einen Termin hat, kann sich trotz des weitläufigen Geländes nicht verirren – überall stehen Einweiser in gelben Westen. Am Eingang verteilt ein junger Mann Schutzmasten und Einmal-Handschuhe. Danach geht es in die Wartezone für Menschen, die zu früh eingetroffen sind. Im regulären Wartebereich wird an einem Schalter die Körpertemperatur gemessen und das Merkblatt und der Laufzettel für die Impfprozedur ausgegeben.

Im anschließenden Impf-Saal wurden die ersten Senioren gestern in die oben offene Arztkabinen zum Beratungsgespräch gebeten. Die dauern laut Dr. Merbs je nach individueller Vorgeschichte wenige Minuten bis zu einer halben Stunde. Und dann pieksten zwei freundliche und ziemlich vermummte Krankenschwestern ihren Besuchern die Nadel in den Oberarm. Es folgte das halbstündige Warten auf etwaige Impf-Komplikationen. Dr. Merbs: „Die haben wir bislang noch nie erlebt“.

Der Zentrums-Leiter Sebastian Luft weist die Besucher in die Impfstraße 2 ein. Am ersten Tag wurden 130 Stück von Mitarbeitern der Offenbacher Schwanen-Apotheke im früheren Obi-Baumarkt vorbereitet. Wenn abends noch Impfstoff übrig ist, lädt Amtsarzt Merbs Pflegekräfte oder andere besonders schutzbedürftige Menschen zu einer spontanen Impfung ein. Amtsträger oder zufällig Anwesende sollen nicht profitieren. Foto: Nissen

An dieser letzten Station saß gestern die 81-jährige Ingeborg Becker (Name geändert) auf einem der weit auseinander stehenden Stühle. Sie wirkte überhaupt nicht aufgeregt. Den Impftermin habe sie recht schnell über die 116117 bekommen, sagt die Büdingerin. „Bei Verwandten von mir klappte es auch. Der Termin ist bei denen aber erst im April.“ Neben Ingeborg Becker stand ihr Ehemann, im Arm die Jacke seiner Frau. Er komme erst morgen dran, berichtete er. Einen gemeinsamen Impftermin hatte die Vergabestelle nicht zu bieten.

Die Impfung selbst ging bei Ingeborg Becker flott vonstatten. „Ich hatte vorher Bedenken, weil mein Arm im Herbst nach der Grippeimpung wehtat. Aber der Arzt hat mich beruhigt, und alles lief gut.“ Die alte Dame hielt inne und sagte dann: „Ich wollte mich auf jeden Fall impfen lassen“, sagte sie dann. „Ich weiß, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Aber an Corona will ich nicht sterben.“

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