Haus zum Begegnen
Von Elfried Maresch
Zwei junge Ehepaare beleben die Schottener Altstadt. Sie haben in einem 200 Jahre alten Haus ein Hostel eingerichtet. Sie verstehen es als „ein Haus, um einander zu begegnen“ in einer Region mit viel Natur und Kultur.Altstadt belebt
Durch die Rähmchenfenster geht der Blick auf die gotische Liebfrauenkirche. Dunkle Deckenbalken erinnern an die Fachwerkkonstruktion des inzwischen verputzten Gebäudes von 1825, die Zimmer sind hell und einladend. Als Hostel mit dem Namen Altstadt Quartier hat das historische Gebäude unter Ensembleschutz mitten in Schottens Innenstadt eine neue Nutzung gefunden.
Das geschah auf Initiative von zwei jungen Elternpaaren, von Kevin Schleuning und Jasmin Rahn-Schleuning und von Katrin und Christian Leibner. Sie kannten sich schon als Jugendliche, wo sie in der Jugendarbeit des evangelischen Dekanats Schotten aktiv waren, als Trainer im Hochseilgarten, beim Fahren mit Kanadierbooten, in der Freizeit- und Erlebnispädagogik. Die Vorliebe für Outdoor-Aktivitäten blieb auch, als sie in Studium und Beruf gingen und Familien gründeten. Kevin Schleunig ist Kommunikationsinformatiker und geprüfter Musikpädagoge, Jasmin Rahn-Schleuning kennt sich als Controllerin mit Betriebsstrukturen und Kennzahlen gut aus. Katrin und Christian Leibner sind beide Diplom-Sozialpädagogen, er ist kirchlicher Organisationsberater, sie arbeitet als selbstständige Handelsvertreterin für Kita-einrichtungen.
Übernachten wie bei Freunden
Das Hostelgebäude hat eine wechselvolle Geschichte, war Wohnhaus, Schnäppchenladen, diente dann kirchlichen Zwecken und Christian Leibner hat als ehemaliger Dekanatsjugendreferent dort gearbeitet. Nun sollte es verkauft werden, ein Leerstand in der Innenstadt drohte. Die Leibners und die Schleunings saßen abends in freundschaftlicher Runde zusammen. Als Fans nachhaltigen und naturnahen Reisens oft mit ihren Familien unterwegs, haben sie viel Erfahrung mit Gruppen- und Selbstversorgerhäusern. „Ohne Garten ist das Haus als Wohngebäude nicht so gefragt, der Vogelsberg ist eine attraktive Region für Outdoor-Aktivitäten und in Schotten gibt’s kein Hostel – das wärs doch!“ meinten sie spontan. Die baulichen Gegebenheiten passten, auf den drei Stockwerken führen die Flure in einzelne Zimmer wie in einem Hotel, das Dachgeschoss bot sich als großer Gemeinschaftsraum an. Immer detaillierter feilten sie am Konzept „Übernachten wie bei Freunden – einfach, gemütlich und günstig“. Dann gingen sie den mutigen Schritt und kauften das Haus.
Eine arbeitsintensive Zeit folgte, Umbau- und Schönheitsreparaturen wurden großenteils in Eigenleistung gemacht. Zwischenwände wurden entfernt, aus Brandschutzgründen mussten Fenster vergrößert und dann die Gefache mit Lehmsteinen wieder geschlossen werden, Schreiner- und Malerarbeiten waren durchzuführen. Dass das künftige Hostel mit 100.000 Euro ländlicher Entwicklungsförderung bezuschusst wurde, war eine große Hilfe. Sehr gefreut haben sich die beiden Betreiberpaare, dass die Vulkanregion Vogelsberg nach einem dreijährigen Zertifizierungsprozess im März 2024 als Nachhaltiges Reiseziel anerkannt wurde. Auch das Hostel ist inzwischen so zertifiziert.
Familienfreundlich
Im März dieses Jahres öffnete das Altstadt Quartier für Gäste. In den sieben unterschiedlich großen Zimmern sind 23 Übernachtungsplätze. Familienfreundlich sind insbesondere die beiden Fünfbett- und ein Vierbettzimmer, auch Babybettchen können gestellt werden. Es gibt eine Selbstversorgerküche, einen Speiseraum, einen Serviceschrank mit im Preis einbegriffenen Zutaten für ein Basisfrühstück. Im Serviceschrank sind Bettwäsche und frische Handtücher zu finden. Basisvorräte für das Frühstück gibt es im Speisesaal. Wer es gern üppiger mag, kann in der Innenstadt einkaufen. Großzügig ist die Lounge im Obergeschoss mit dicken Deckenbalken, Dachschrägen, einem Tischkicker, einer Snackbar, Bücher- und Spieleschränken. „Ein Haus, um einander zu begegnen“ – dieser Raum, in dem sich gut mehrere Leute nebeneinander beschäftigen können, verkörpert das Prinzip. Stabil und gleichzeitig gemütlich eingerichtet sind die Zimmer, nirgends hat man das Gefühl: „Das hält lebhaften Kindern nicht stand.“ Im Keller sind Abstellplätze für Fahrräder.
Dazu haben sich die vier Gastgeber schöne Extras ausgedacht. „Nix los auf dem flachen Land“? Das schwarze Brett mit der aktuellen Ankündigung von Konzerten, Lesungen, Kunstprojekten, Museen spricht da eine andere Sprache. Zimmernamen wie „Kirchblick“, „Eulennest“, „Adlerhorst“ sind kein Zufall. Die Schleunings und die Leibners verstehen das Hostel als Teil einer Region mit artenreichem Naturraum und viel Freizeitwert, angefangen bei den Hausbergen Hoherodskopf und Taufstein, dem Hochmoor, dem Vulkaneum in der Stadt und einem gut ausgebauten Wander- und Radwegenetz. Anmeldung und Einchecken sind digitalisiert, die Telefonnummern der Gastgeber sind greifbar, um sich Tipps zu holen.
„Bis jetzt haben wir ganz unterschiedliche Gäste bewirtet“ berichtet Christian Leibner: „Wanderer, Biker, Familien, Festbesucher, Berufsreisende, gar ein Teil einer Hochzeitsgesellschaft. Der Herbst in den bunt gefärbten Laubwäldern des Vogelsbergs, im Blick auf Windschutzhecken und Bergmähwiesen ist besonders schön. Wir freuen uns auf alle, die das genießen wollen.“
Informationen und Buchungsmöglichkeiten gibt es auf der Website: www.altstadtquartier-schotten.de
Titelbild: Familienfreundlich eingerichtet: eines der Zimmer im Altstadtquartier in Schotten.