Geschichtstag

Zwischen Fremde und Heimat

maresch2Von Corinna Willführ

Zum sechsten Mal veranstalten die Arbeitsgemeinschaft der Heimat- und Geschichtsvereine des Hochtaunuskreises und der Historische Verein Rhein-Main-Taunus ihren „Geschichtstag für Taunus und Main“. Thema der ganztägigen Veranstaltung am Samstag, 30. April 2016, im Freilichtmuseum Hessenpark ist „Heimat und Fremde“.

Dringend benötigte Arbeitskräfte

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Die Ankunft philippinischer Krankenschwestern 1966.

Das Foto stammt aus dem Jahr 1966: Vertreter des Bad Homburger Kreiskrankenhauses begrüßen Krankenschwestern von den Philipinnen. Ein Foto, das dieser Tage mit der Einladung zum „Geschichtstag für Taunus und Main“ am Samstag, 30. April, im Hessenpark in Neu-Anspach an die Presse ging. Eine historische Aufnahme, die Menschen, in diesem Fall besonders Frauen aus einem fremden Land, willkommen hieß, als von einer „Willkommenskultur für Flüchtlinge“ wie in den vergangenen Monaten nicht die Rede war. Allein: Die philippinischen Frauen waren dringend benötige Arbeitskräfte. Wie auch Griechen, Italiener, Türken, die in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Bundesrepublik kamen, um in dieser Arbeit und Brot zu finden. Als Fremde, in der Hoffnung, eine neue Heimat zu finden

Fülle historischer Migrationserscheinungen

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Nordafrikanische (vermutlich algerische) Soldaten der französischen Armee um 1920 in Königstein. (Bild: Stadtarchiv Königstein)

Zum Thema „Heimat und Fremde“ des „Geschichtstags für Taunus und Main“, der zum sechsten Mal stattfindet, haben die Veranstalter indes „aus der Fülle der historischen Migrationserscheinungen Beispiele aus dem 20. Jahrhundert ausgewählt.“ Das 20. Jahrhundert, geprägt von den beiden Weltkriegen, von „Flucht und Vertreibung“, aber auch von dem Aufbegehren der sogenannten 68er-Generation. Wie kommen diese Themen am 30. April vor?
Im Beitrag von Peter Maresch über die Zeit der sogenannten Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg. Im Vortrag von Stadtarchivar Gerhard Raiss zur Zwangsarbeit während des NS-Regimes in Eschborn. Im Referat von Oliver Rapp aus Oberursel, der sich intensiv „mit der Integration der Vertriebenen in das Wirtschaftsleben der jungen Bundesrepublik beschäftigt hat“, wie es in der Einladung heißt. Nicht zuletzt wird Ursula Stiehler, ehemalige Leiterin des Bad Homburger Stadtmuseums, das Schicksal von Gastarbeitern darstellen, die in den Taunus kamen. Der Titel ihres Beitrags „Heimat Bad Homburg – nicht geplant“. Wie das Thema „Heimat und Fremde“ im Freilichtmuseum Hessenpark aufgearbeitet ist und wird, können die Teilnehmer bei einem Rundgang am Nachmittag erkunden.

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Einzug französischer Truppen während der sechswöchigen Besetzung Bad Homburgs im April/Mai 1920, wie es der zeitgenössische Zeichner Max Harrach sah. (Bild: Stadtarchiv Bad Homburg)

Inne-Haltestelle

Der Geschichtstag wird federführend vom Kreisarchiv des Hochtaunuskreises organisiert und vom Historischen Verein Rhein-Main-Taunus, dem Freilichtmuseum Hessenpark, der Kulturregion FrankfurtRheinMain, der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine im Hochtaunuskreis und dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain unterstützt. In der Mittagspause stellt die Künstlergruppe „Mobile Albania“ ihre Vorstellungen der Themen Bewegung und Transit an einer „Inne-Haltestelle“ dar. Bereits um 8 Uhr können sich Interessierte mit dem Bad Homburger Stadtarchivar Andreas Mengel zu Fuß zum Hessenpark in Neu-Anspach aufmachen.
Der Teilnahmegebühr beträgt 15 Euro. Noch sind Anmeldungen möglich. Interessenten können diese an das kreisarchiv@hochtaunuskreis.de richten. Nähere Informationen unter www.hochtaunuskreis.de/kultur.

Drei Fragen zu „Heimat und Fremde“

an Peter Maresch, Kreisarchivar des Hochtaunuskreises
Liest man den Titel des Geschichtstags für Taunus und Main am 30. April im Hessenpark „Heimat und Fremde“ liegt die Annahme nahe, dass es sich um eine Veranstaltung handelt, die die aktuelle Zuwanderung im Fokus hat. Die Referenten blicken in ihren Vorträgen allerdings alle auf die Historie. Gibt es dennoch einen Gegenwartsbezug?

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Peter Maresch

Das würde ich in erster Linie als Frage der Perspektive sehen – alle vier Vorträge behandeln das 20. Jahrhundert, und aus Sicht des Historikers erscheinen 100 Jahre, als wäre es gerade geschehen. Die Vorträge von Oliver Rapp zu den wirtschaftlichen Aktivitäten der Vertriebenen in Oberursel und von Ursula Stiehler zu den Gastarbeitern in Bad Homburg berühren Themen, an die sich die Leute noch erinnern beziehungsweise wo viele der Protagonisten noch heute im Taunus leben. In Bezug auf die heutige Diskussion finde ich wichtig, im Auge zu behalten, dass die aktuelle Flüchtlingswelle eben nicht die erste, sondern die vierte große Zuwanderungswelle in Westdeutschland seit 1945 ist und sich auch die Frage der Integration immer wieder neu stellt.
Dass z.B. viele Vertriebene nach 1945 im Taunus Unternehmen wie etwa die 1990 geschlossene „Hessenglas GmbH“ in Oberursel gründeten, lag daran, dass sie zum einen ihr in ihrer Heimat erworbenes „Know-How“ nutzten, zum anderen aber in der Nachkriegszeit stärker als die Eingesessenen von Arbeitslosigkeit bedroht waren und sie mangels Vermögens und verfügbarem Grund in der damals noch agrarischen Gesellschaft auch keine Bauernhöfe gründen konnten.

Sie selbst referieren über die so genannte Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg, während der viele Menschen in der Region mit „fremdländischen Besatzungssoldaten“ konfrontiert waren. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen?

Der Forscherdrang – während mit dem Begriff der „Rheinlandbesetzung“ durch die Alliierten nach 1918 an sich viele Geschichtsinteressierte etwas anfangen können, ist relativ unbekannt, dass es rechtsrheinisch drei Besatzungszonen gab, von denen diejenige um Mainz/Wiesbaden bis fast an die Stadtgrenze von Frankfurt und weit in den Taunus hineinreichte. 1920 war sogar für sechs Wochen fast das ganze Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt und Darmstadt besetzt. Dies war eine interessante, aber auch schwierige Epoche für den Taunus. Im größeren Kontext stellte es die erste militärische Besetzung rechts des Rheins seit der napoleonischen Zeit dar und die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland befanden sich auf ihrem historischen Tiefpunkt. Obwohl die mit der Besetzung verbunden politischen Auseinandersetzungen im Taunus nicht so heftig ausfielen wie in Wiesbaden oder gar 1923 im Ruhrgebiet, gab es beiderseits viel Misstrauen. Lokal störte die Besetzung vor allem in der ersten Phase 1919, als eine völlige Blockade herrschte und Arbeiter aus Kronberg etwa nicht zu ihren Arbeitsstellen nach Frankfurt fahren konnten, alle Wirtschaftskreisläufe im Rhein-Main-Gebiet. In Königstein stellte die Einquartierung zahlreicher Soldaten in Villen, Hotels und Kliniken den ersten Schritt zum Niedergang des dortigen, vor 1914 florierenden Kurbetriebs dar.

Noch sind Anmeldungen für den Geschichtstag möglich. Wie und wo erhält man, so am 30. April verhindert, Informationen über die Vorträge?

Es ist geplant, alle Vorträge in der Zeitschrift des Historischen Vereins Main-Taunus namens „Rad und Sparren“ zu veröffentlichen, wobei allerdings nach derzeitigem Rhythmus die Aufsätze des Geschichtstages 2016 erst in drei Jahren erscheinen werden.

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