Die Powerfrauen vom Waldsportplatz
„Auf die Plätze, fertig, los!“ – „Auf der Linie drehen!“ – „Kleine, kurze Schritte!“ – „Komm, komm, komm!“ Übungen stehen zu Beginn der Trainings beim Frauenfußball der Spielvereinigung SPVGG 08 in Bad Nauheim. Sie dienen dem Aufwärmen, der Koordination und dem Spaß, Ort ist der Waldsportplatz. So erfolgreich die Kickerinnen auch sind – was die Anerkennung des Frauenfußballs betrifft, ist allerdings Luft nach oben.
Anderer Stellenwert
Dass Frauenfußball nicht den gleichen Stellenwert wie das Männerkicken hat, merkt Abteilungsleiter Hans-Jürgen Zeeb immer wieder. Neulich beispielsweise, als ein Länderspiel der Frauen-Nationalmannschaft Deutschland gegen Chile terminiert war. „Da war nicht mal eine Erwähnung im Videotext“, schildert er.
Frauenfußball begann in Bad Nauheim 1974
In der Kurstadt ging es mit dem Frauenfußball 1974 los. Damals hieß die Spielvereinigung 08 noch VfL Bad Nauheim. In der Frauenmannschaft, die Zeeb trainierte, waren seine Frau und seine Pflegetochter mit von der Partie. Circa 25 Jahre trainierte er die Frauen, einige weitere Jahre die jüngeren U16-Frauen. Seit zehn Jahren ist er als Trainer nicht mehr aktiv, nach wie vor aber als Abteilungsleiter für Frauen- und Mädchenfußball in dem Verein.
Viele spielen schon sehr lange
Mittlerweile trainiert Carlotta Mayer die Frauen, die jüngste ist Saskia Häger mit 17 Jahren. Mit sechs Jahren können Mädchen anfangen, bei der SPVGG zu kicken. Momentan ist der Zulauf gut, die Mannschaft der Jüngsten ist 16 Köpfe stark. „Die Besonderheit ist, dass sie nur gegen Jungen spielen“, erklärt Zeeb. Dass sich Mädchen nur für Ballett und Pferde interessieren, sei ein Klischee. Eine Seniorinnenmannschaft wäre erwünscht, allerdings findet man laut Zeeb keine Gegnerinnen.
Männer werden im Fußball mehr gefördert
Woran liegt es, dass in der gesellschaftlichen Anerkennung des weiblichen Spiels solche Diskrepanzen zum Männerfußball bestehen? „In jedem Verein zählen die Männer mehr als die Frauen, werden mehr gefördert“, stellt Zeeb fest. Was darin begründet sein kann, dass es Männerfußball schon seit über 100 Jahren gibt, aber Frauenfußball bis 1970 sogar verboten war.
Winterpause und Stollenschuhe
Als die Frauen 1970 endlich zugelassen wurden, mussten sie eine Winterpause einlegen, durften keine Stollenschuhe tragen und die Spiele dauerten nur 70 Minuten. Eins ist bis heute geblieben: „Im Frauenfußball finden sich weniger Sponsoren, da weniger Zuschauer zu den Spielen kommen“, erklärt der 27-jährige Co-Trainer Alexander Bönsel. Auch in Bad Nauheim ist das so, obwohl die Frauen zwei Klassen höher als die Männer spielen, in der Gruppenliga Frankfurt. 20 bis 30 Zuschauer kommen seiner Schätzung nach zu den Frauen, bei den Männern können es bei schönem Wetter auch schon mal 2-300 Besucher sein.
„Es ist mein Leben“
Der Frauenfußball ist sehenswert, die meisten spielen schon sehr lange. Im Leben von Trainerin Carlotta Mayer dreht sich sehr viel um das Kicken. „Es ist mein Leben, liegt mir im Blut“, bekennt sie. Mit acht Jahren begann sie, bei den Jungen zu spielen. Nachdem sie ein Jahr pausierte, wechselte sie zu der Mädchenmannschaft, die relativ neu war. Was fasziniert die 25-Jährige daran? „Dass es ein Mannschaftssport ist, es ist begeisternd und mit vielen Emotionen verbunden“, sagt die Bad Nauheimerin. Der Teamgeist steht für sie sehr weit vorn.
Zum Ende von Pandemie Kondition aufbauen
Mayer ist nicht nur Trainerin bereits in der dritten Saison, sie steht auch im Tor. Pandemiebedingt trainieren die Frauen erst seit fünf Wochen wieder. „Jetzt fangen wir so langsam an und gucken, wohin es geht“, erzählt sie. Frühestens Ende Juli fangen die Spiele wieder an. „Wir könnten jetzt schon spielen, aber man muss erst wieder ein Gefühl für den Ball kriegen und Kondition aufbauen.“ 28 Frauen sind in ihrem Team mit von der Partie, 20 im Training in der Regel dabei.
Erst Torschüsse, dann Spiel
Auf dem Platz passen die Frauen das runde Leder hin und her. „Die Bälle sind zu locker, die fängt jeder Gegner ab“, ruft Carlotta Mayer. Und: „Da muss mehr Druck hinter! Anständige Pässe! Blickkontakt mit eurem Spieler! Annehmen, gescheit spielen!“ Nach Torschussübungen teilt Co-Trainer Alex Leibchen aus, denn jetzt wird gespielt.
Körperbetonter Sport
Laura Schmidt aus Bad Nauheim erzählt, wie sie zum Fußball kam. „Mein Vater hat früher hier gespielt. Als ich zehn war, hat er mir vorgeschlagen, es auch zu machen. Und es hat mir Spaß gemacht“, schildert die 21-Jährige. Sie hatte schon Erfahrung mit Tennis und dadurch ein Ballgefühl. Deshalb fiel ihr der Einstieg nicht schwer. „Es ist ein Teamsport, der Zusammenhalt ist schön und auch, dass es ein körperbetonter Sport ist“, beschreibt sie, was ihr am Fußball gefällt. Es sei ein Sport, der selbstbewusst macht. Während des Lockdowns fehlte ihr die gemeinsame Aktivität. „Wir alle haben uns gefreut, wieder trainieren zu können.“
Spaß als Team
Nina Zieten (22) aus Ockstadt trainiert die U10-Mannschaft seit drei Jahren. „Ich hatte vor fünf Jahren wegen einer Verletzung aufgehört und wollte dem Fußball trotzdem treu bleiben“, berichtet sie. Zeeb fragte sie, ob sie die U10-Altersklasse trainieren will. Sie sagte zu, macht es gern und ist erfolgreich damit. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die meisten Mädchen nach Abschluss von U10 weitermachen und in die U12 gehen wollen. So schön Gewinnen auch ist, in erster Linie geht es laut Zieten aber um etwas anderes: „Um den Teamsport und um den Spaß.“
Fahrten unternehmen
Die Mädchen- und Frauenfußballerinnen aus Bad Nauheim unternehmen auch Fahrten. Teilweise durchaus weit geht es bis ins Ausland und ist mit sportlichen Begegnungen verbunden.
Zuwachs ist willkommen
Über Zuwachs freut sich die Mädchen- und Frauenabteilung. „Wir nehmen Spielerinnen von sechs bis 30 Jahren auf“, sagt Zeeb. Auch Trainerinnen werden gebraucht und Sponsoren sind ebenfalls gern gesehen.
Wer Interesse hat, kann sich bei Hans-Jürgen Zeeb unter Telefon 0173/6529723 oder der E-Mail-Adresse jaipur@gmx.de melden.