Film „She Said“

New York Times gegen Weinstein

Von Michael Schlag

Der Film “She said” erzählt, wie sich die New York Times mit Harvey Weinstein, einem der reichsten Männer der USA, anlegt. Er hat seine Macht ausgenutzt, um zahllose Frauen zu nötigen. Der Film macht deutlich, dass eine freie Presse selbst Macht und Mittel braucht, um ihre Funktion wahrnehmen zu können.

Die Macht des Filmproduzenten

Sie sitzen und stehen zusammen vor dem Monitor. Lesen den ganzen Text noch einmal gemeinsam. Reporter, Redaktionsleiter, Chefredakteur, stellvertretende Chefredakteurin, Nachrichtenchef. Sie kommen ans Ende, schauen sich an. Rotes Lämpchen, die Chefs nicken: „Publish“. Wer jemals eine wirklich gute, exklusive Story hatte, kennt das Gefühl in dem Moment: Riesenstolz, und Riesenangst. Jetzt kann sich die Zeitung auf was gefasst machen, und in diesem Falle mehr, als das durchschnittliche Journalistenleben so mit sich bringt. Denn hier legt sich eine Zeitung mit einem der mächtigsten und reichsten Männer des Landes an – New York Times gegen Harvey Weinstein.

Der Artikel wird veröfffentlicht. (Fotos: © 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.)

Klar war, er wird sich wehren gegen die Anschuldigungen, er habe über Jahrzehnte seine Macht als Filmproduzent ausgenutzt, um zahllose Frauen zu nötigen, zu vergewaltigen. Und die zwei Reporterinnen, die das jetzt an die Öffentlichkeit bringen, haben im Grunde nur die Aussagen der geschundenen Frauen, wenngleich sie die Fakten von allen Seiten wieder und wieder überprüft haben. Doch sie haben auch einen Chefredakteur, wie es ihn hoffentlich auch einmal im richtigen Leben gibt. Ein Berg von einem Mann, der sich breit vor seine Leute stellt, hinter dessen Rücken zwei Reporterinnen und eine ganze Redaktion Platz finden und der sich von nichts und niemand drohen lässt.

Die Redaktion hält zusammen

Klar, im Zentrum von „She said“ stehen die beiden Journalistinnen, die hartnäckig jedem Hinweis nachgehen, den siebten Sinn für Spuren und Zusammenhänge haben und über viele Wochen einfach nicht nachlassen, während der Fisch, den sie da an der Angel haben, beim Näherkommen immer größer wird und sich immer heftiger wehrt. Die auch nicht aufgeben, wenn das Böse ihnen einen Schritt voraus war und Zeugen und Geschädigte mit Verträgen und Geld zum Schweigen verdonnert hat.

Aber es geht um mehr als nur zwei tapfere kleine Reporter. „She said“ macht deutlich, dass eine freie Presse selbst Macht und Mittel braucht, um ihre Funktion in einer Gesellschaft auch wahrnehmen zu können. Eine Zeitung, die bereit ist, zwei Reporterinnen für Recherchen in einer einzigen Geschichte monatelang ihr Gehalt zu zahlen. Die ihnen Flüge durch das Land finanziert, nur um einmal persönlich mit einer Informantin zu sprechen. Und die wirtschaftlich so stark ist, dass sie auch angesichts massiver Klagedrohungen nicht einknickt, ganz im Gegenteil. Und schließlich: Die eine Redaktionsmannschaft aufbieten kann, die zusammenhält wie Pech und Schwefel.

She said, USA 2022. Läuft in Einzelvorstellungen in Kinos im Rhein-Main-Gebiet und bei diversen Streaming-Diensten.

Titelbild: Die Redaktion berät.

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