Figurentheater

Puppenspieler Bernd Linde

Von Jutta Himmighofen-Strack

Auftritte der Figurentheater sind ein fester Bestandteil des Kultursommers Mittelhessen. Eine Form der künstlerischen Darstellung, die als sogenannte vierte Sparte an Theaterhäusern so gut wie überhaupt nicht mehr existiert. Ein Engagement als Puppenspieler an einem Theater ist so gut wie unmöglich. Aber es gibt immer wieder Künstler, die trotz all dieser Widrigkeiten das Puppenspiel am Leben erhalten und dafür den Schritt in die Selbstständigkeit wagen – wie Bernd Linde (Foto), der am 14. August 2018 in Friedberg gastiert.

Linde schreibt seine Stücke selbst

30 Grad in einem Bürgerhaus sind schon eine Herausforderung. Auch für Bernd Linde, der mit seinem Figurentheater „Rote Finger“ trotz Magnesia-Puder Mühe hat, in seine Handpuppen reinzukommen. Gott sei Dank sind es bei seinem aktuellen Stück nur zwei Puppen, die zum Einsatz kommen. Willi Winzigmann und der Affe Felix, die eine Kochshow präsentieren, die am Ende nicht den besten Koch kürt, sondern mit viel Experimentierfreude zur gesunden Ernährung anregt.

Bernd Linde

Bernd Linde schreibt seine Stücke selbst. Fast zehn Stücke hat er in seinem Spielplan und steht dabei oft mit einem ganzen Puppenensemble alleine auf der Bühne. Überhaupt ist Bernd Linde ein Multitalent. Stücke schreiben, Figuren bauen, Melodien und Texte für die Musik vorgeben, Bühnenbild entwickeln, zimmern und natürlich auch immer auf- und abbauen, all das muss zusammenkommen, um die Zuschauer am Ende zu verzaubern.

Dass der Hannoveraner seinen Lebensunterhalt als Puppenspieler verdient, war so erst einmal nicht geplant. Linde studierte Sozialpädagogik mit Schwerpunkt Seniorenarbeit. Im letzten Semester jedoch geriet er an eine Professorin, die Puppenspiel und Puppenbau lehrte. Ein Schlüsselerlebnis für den angehenden Sozialpädagogen, denn ab da war seine Leidenschaft geweckt. Es dauerte allerdings noch sieben Jahre, bis er seinen zuvor schon gefassten Plan umsetzte, und ohne Netz und doppelten Boden sich dem Figurentheater verschrieb. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeitete er noch halbe Tage in einem sozialen Brennpunkt in Hannover. Das ist jetzt 14 Jahre her.

Figur ist nicht gleich Figur

Schon in der Zeit nach dem Studium schrieb er seine ersten Stücke und bildete sich intensiv weiter. Im Hof Lebherz, einer der größten freien Bildungsstätten für Figurentheater, im Figurentheaterkolleg in Bochum oder er organisierte selbst Kurse, zu denen er namhafte Puppenbauer einlud. Denn Figur ist nicht gleich Figur. Es gibt Handpuppen, Stabpuppen, Tischfiguren, Klappmaulfiguren und noch unzählige weitere Varianten.

Ob zuerst die Puppen, das Thema oder vielleicht die Musik am Anfang stehen ist sehr unterschiedlich. Bei dem aktuellen Stück „Willi und das Grün der Affen“ wollte Linde einfach grüne Smoothies auf die Bühne bringen. Selbst seit Jahren bekennender Smoothies Fan war das einfach ein Thema, was ihn umtrieb und begeisterte. Das Thema war also schon gesetzt. Außerdem, erzählt Linde, wollte er unbedingt mal wieder mit seinem Willi Winzigmann auf die Bühne, den Kopf des Affen hatte er schon vor vielen Jahren gebaut und die Zusammenarbeit mit einem bestimmten Musiker schien endlich umsetzbar. Diese vier Dinge kamen einfach zusammen. Dass dieses Stück so erfolgreich ist, weil das Thema Ernährung einfach so präsent ist, spielte bei der Entstehung überhaupt keine Rolle.

Bernd Linde mit Willi Winzigmann und dem Affe Felix bei der Kochshow.
Die Figuren entwickeln ihr eigenes Spiel

Am Anfang stehe ohnehin nur ein grober Textentwurf. Alles andere entsteht. Zum einen immer mal mithilfe einer Dramaturgin zum anderen, davon ist Linde überzeugt, entwickeln die Figuren ein eigenes Spiel miteinander. Dieses Innenleben entwickeln die Puppen, so Linde, schon während der Entstehung. Am Anfang steht für ihn immer nur eine grobe Idee, vielleicht mal eine Skizze. Doch während er der Figur menschliche Anmutung verleiht, entwickeln diese schon recht eigenwillig ihren Charakter. Bernd Linde lässt sich darauf ein und folgt seiner Intuition beim Kreieren. Spätestens, wenn die Augen drauf sind und sie dann bespielt werden, entwickeln sie ihr Eigenleben. Das kann man auch auf der Bühne gut beobachten. Nur eine kleine Bewegung, und das Gesicht der Figur wird lebendig. Ein Umstand, der für den Puppenspieler aus Hannover die Faszination des Puppenspieles ausmacht. Und nicht nur für ihn. Die Kinder im Bürgerhaus verfolgen hoch konzentriert das Geschehen. Bernd Linde kann auch nicht bestätigen, dass die Kinder heute weniger aufmerksam sind, als vor fast 20 Jahren. Einen kleinen Unterschied gäbe es jedoch zwischen seinen Veranstaltungen in Schulen und Kindergärten zu den öffentlichen Auftritten. Sobald die Eltern und/oder Geschwister dabei sind, trauen sich die Kinder mehr. Und greifen, wie in Wölfersheim auch mal in das Geschehen ein. Manchmal verrät Linde, nehmen sie mir tatsächlich den Text vorweg und ich muss ganz schnell improvisieren.

Improvisieren gehört zu diesem Beruf genauso dazu, wie die Einsicht, dass er körperlich sehr herausfordernd ist. Deshalb arbeitet Bernd Linde derzeit auch an einem weiteren Standbein. Sein Stück „Die Abenteuer der Musikpiraten“ wird als Hörspiel produziert. Gerade war er eine Woche in Berlin und hat mit professioneller Unterstützung die Piraten in einem ehemaligen DDR-Studio aufgenommen. Eine neue Herausforderung für den Puppenspieler: Schließlich muss er bei diesem Genre alles akustisch darstellen.

Bernd Linde kommt mit Willi Winzigmann und Affe Felix am 14. August 2018 nach Friedberg. Am 21. August präsentiert das Marotte Figurentheater „Petterssons Feuerwerk für den Fuchs“. Alle Veranstaltungen beginnen um 16 Uhr im Zirkuszelt (Vorzelt) auf der Friedberger Seewiese statt. Die Karten kosten für Kinder 4 Euro und für Erwachsene 6 Euro. Karten für alle drei Veranstaltungen gibt es beim Ticket-Shop, im Bibliothekszentrum und im Wetterau-Museum.

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