Erneuerbare Illusionen
Von Dietrich Jörn Weder
Erneuerbare Energien steuerten im vergangenen Jahr fast 60 Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Dieser beachtlich hohe Anteil verführt leicht zu dem Schluss, dass wir über kurz oder lang auf fossile Energien für die Stromproduktion gänzlich verzichten können. Dieser schöne Moment liegt aber, bei Licht betrachtet, noch in der Ferne. Denn in diesen Wintertagen rauchen wieder die Schlote von Kraftwerken, die Braunkohle, Steinkohle oder auch Erdgas verfeuern.Rauchende Schlote
Warum das? – Es weht kein Wind, der die Flügel der Rotor-Türme bewegt. Kaum ein Sonnenstrahl dringt durch die Nebeldecke bis auf die Solarpanels herunter. Die Wetterlage wird Dunkelflaute genannt, sie legt Photovoltaik wie Windkraft lahm
Dafür springen die fossilen Energien in die Bresche, die bei ihrer Verbrennung die klimaschädlichen CO2-Emissionen aufsteigen lassen. Bis zu drei Vierteln der erzeugten Elektrizität rühren dieser Tage aus dieser Quelle. Rechnen wir noch den Sprit für unsere Autos und das Erdgas für die Hausheizungen hinzu, dann stellt sich der Beitrag der Erneuerbaren zu unserem gesamten Energieverbrauch noch recht kläglich dar.
Fossiles Übergewicht
Die unten stehende Grafik zeigt den Stromverbrauch der letzten sieben Novembertage bis zum 8ten des Monats an. Und es wird darin sichtbar, wie wenig Sonne (gelb) und Wind (blau) zur Erzeugung beitragen. Die dunkelviolette Farbe zeigt den Beitrag fossiler Energieträger an.
Elektrisch kutschieren!
Es ist also noch ein weiter Weg zu gehen. Aber niemand sollte sich dadurch entmutigen lassen, seinen Fuß auf diese Strecke zu setzen um den großen Abstand zur erstrebten Klimaneutralität Schritt für Schritt zu verringern. Den größten und schnellsten Fortschritt verspricht die Elektrifizierung des Autoverkehrs. Die Batterien von E-Fahrzeugen sind zugleich bequeme Stromspeicher, an denen es sonst mangelt. Dem Klima bringt es freilich nichts, wenn die Auto-Batterien mit fossiler Elektrizität geladen werden.
Windrädern Raum geben!
Also braucht es noch mehr Solarpanels, für die die Dächer unserer Häuser noch viel Platz bieten. Noch mehr Windmühlen an Land und vor der Küste sind ebenfalls vonnöten. Doch unbesetzte windhöffige Standorte an Land gibt es nicht mehr sehr viele, und gegen fast jedes neue Windrad erhebt sich Widerspruch.
CO2 unter die Erde!
Einen bequemen Weg zur Klima-Neutralität gibt es nicht, und mit Windrädern und Solarpanels allein ist sie nicht zu erreichen. Die unterirdische Speicherung von klimaschädlichen Verbrennungsgasen ist dafür ebenfalls unverzichtbar. Man sollte dem lange verteufelten Verfahren, kurz CCS genannt, schnellstens allgemein nähertreten, wie es in Zementerzeugung ansatzweise schon geschieht. Wetterlagen wie die Dunkelflaute öffnen uns die Augen dafür, dass mit Sonne und Wind allein kein Durchkommen ist.
Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten
Titelbild: Windpark in Niedersachsen. (Foto: Wikipedia/Von Philip May – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7315944b)