Emil von Behring

Die Biografie des Nobelpreisträgers

Von Dagmar Klein

Wer ist Emil von Behring? Vielen sagt der Name nichts, obwohl er Bedeutendes für die Menschheit geleistet hat. Nicht umsonst erhielt der den ersten Nobelpreis für Medizin im Jahr 1901. Ulrike Enke hat nun die Biografie des herausragenden Mediziners geschrieben: „Emil von Behring 1854-1917, Immunologe – Unternehmer – Nobelpreisträger“

Impfstoff gegen Diphterie

Im Marburger Raum ist zumindest sein Name noch präsent, schließlich gründete Emil von Behring dort 1914 die Behring-Werke zur Herstellung des Impfstoffs gegen Diphterie. Diphterie war eine der grausamsten Kinderkrankheiten, die für die meisten Infizierten zum Tod durch Ersticken führte. Gurgeln mit Mundwasser half nicht, selbst der Luftröhrenschnitt war nicht immer von Erfolg gekrönt. Ärzte und Eltern verzweifelten daran.

Behring (rechts) und Hermann Scholz im Hygieneinstitut, Berlin 1889.
Quelle: Philipps-Universität Marburg, Behring-Archiv.

2009 wurde Dr. Ulrike Enke im Rahmen eines Marburger DFG-Projekts mit der Aufarbeitung des Behring-Nachlasses betraut. Nach Abschluss dieser Aufgabe ergab sich fast automatisch die Aufforderung nun die Biografie Behrings zu schreiben. Wichtiger Beweggrund: Die bislang einzige deutschsprachige Biografie stammt von 1940 und wurde „von zwei strammen Nationalsozialisten“ geschrieben.

Seit 1997 lebt die Literaturwissenschaftlerin und Medizinhistorikerin in Wettenberg bei Gießen. 1988 begannen ihre Forschungen auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaftsgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts. Am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Gießen war sie unter anderem an dem 400-Jahr-Jubiläum mit Ausstellung und Katalog beteiligt (2007).

Die private Seite des Mediziners

Bei der Biografie Behrings geht es ihr darum, auch die private Seite vorzustellen, seine Reisen und sein Familienleben. Dies gelang, weil sie vom Behring-Enkel Emilio Kisten mit 1900 (!) Briefen erhielt, die die Ehefrau Else Behring an ihre in Berlin lebende Mutter Elise Spinola geschrieben hatte. Diese Briefe hatte der jüngste Sohn des Ehepaars aufbewahrt, der einst in Wetzlar lebende Kinderarzt Otto von Behring. Mit dem Besuch des nachgelassenen Wohnhauses in der Wetzlarer Bergstraße beginnt Ulrike Enke auch ihr Buch, das insgesamt von viel atmosphärischer Beschreibung geprägt ist. Sie vermeidet Wissenschaftsslang, hat die Erläuterung der Quellen in den Anhang verbannt, der dadurch gut ein Viertel des 600 Seiten starken Buchs ausmacht.

Emil und Else Behring im Reisekostüm, Berlin 1896.

Emil Behring (1854-1917) gehörte zum Kreis der Forscher um Robert Koch in Berlin. Ihm gelang die Entwicklung des Diphterie-Serums, das 1894 erstmals zum Einsatz kam, mit dem die hohe Zahl an toten Kindern maßgeblich reduziert werden konnte. Es war wie eine Wunderheilung, war man doch zuvor gegen die hochansteckende Infektion nahezu machtlos.

„Heilserumgewinnung in Marburger Pferdeställen“
Quelle: Emil von Behring – Therapeutische Tierexperimente im Dienste der Seuchenbekämpfung (1906); Zeichnung von Fritz Gehrke.

Behring verstand sich nicht besonders gut mit seinem Chef Robert Koch. Er wollte weg aus dessen Umfeld und nahm eine Professur an der südlichsten Universität Preußens an, das war Marburg. Er hatte zuvor einen Vertrag über die Produktion des Serums abgeschlossen, mit der Firma Höchst (damals noch Fa. Meister, Lucius & Brüning), und dabei 50 Prozent Gewinnbeteiligung ausgehandelt. Die Verhandlungen hatte der aus Gießen stammende Chemiker August Laubenheimer geführt, der eine leitende Position bei Höchst hatte und für den Kontakt zwischen Industrie und Wissenschaft zuständig war. Behring wurde bereits im ersten Jahr reich. Doch da er alles in seiner Hand behalten wollte, gründete er 1914 die Behring-Werke in Marburg.

Erfolgreicher Geschäftsmann

Was weniger bekannt ist: in seinen Marburger Jahren forschte er zum Tetanus-Impfserum, auf dessen Produktion er mit Beginn des Ersten Weltkriegs fast sofort umstellte und wiederum Gewinn machte. Er war also auch ein erfolgreicher Geschäftsmann, ließ dafür aber viele Menschen hinter sich, die ihn anfangs unterstützt hatten. Was ihm die Bezeichnung „schwierige Persönlichkeit“ eintrug.

Die Behring-Villa in Marburg als Briefkopf aus dem Jahr 1911

Emil von Behring wurde von Zeitgenossen als »Retter der Kinder und Soldaten« verehrt. Zahllose Dankesschreiben von glücklichen Eltern aus aller Welt erreichten ihn. Mit dem Nobelpreis für Medizin hatte er mehr erreicht als man jemals für den Sohn eines Dorfschullehrers in Westpreußen sich hätte vorstellen können. Er litt zeitweilig am Erschöpfungssyndrom, war depressiv und suizidal, zog sich für drei Jahre von allem zurück, auch von seiner Familie. Diese Tatsache benennt Enke in ihrer Biografie erstmalig.

Das Foto mit ihren 8 Kindern, die durch das Diphtherieheilserum gerettet wurden, legte Gräfin Maria Pia Mittrowsky aus Brünn ihrem Dankschreiben an Behring bei.

Im letzten Kapitel des Buchs betrachtet sie die idealisierenden Verfälschungen der NS-Zeit. In der Biografie von 1940 werden die aus einer reichen jüdischen Familie in Berlin stammende Ehefrau und die Kinder des Ehepaars komplett unterschlagen, der langjährige Forschungspartner Paul Ehrlich zum Handlanger degradiert, weil er jüdisch war. Diese Behring-Biografie dürfte ein neues Grundlagenwerk sein.

Ulrike Enke: „Emil von Behring 1854-1917, Immunologe – Unternehmer – Nobelpreisträger“, 624 Seiten, rund 80 Abb., Schutzumschlag, ISBN 978-3-8353-5501-9, Wallstein-Verlag, 34 Euro.

Kontakt zur Autorin der Biografie per E-Mail an ulrike.enke@staff.uni-marburg.de

Titelbild: Die Autorin der Behring-Biografie Ulrike Enke während einer Lesung.

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