Borcherts Werk ist stets aktuell
von Jörg-Peter Schmidt
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht die bedingungslos. Die Zeit nach diesem Tag der Befreiung von dem unseligen Nazi-Regime ist in der Literatur, Rundfunkaufnahmen und Filmen festgehalten worden. Aber auch an Theatern. Dazu gehört das Drama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert.Nicht als Kanonenfutter
Der junge Schriftsteller Borchert, der während des Zweiten Weltkrieges Soldat war und wegen kritischen Äußerungen an den nationalsozialistischen Machthabern mehrmals inhaftiert wurde, schrieb sein Theaterstück im Alter von 25 Jahren. Auch heute noch bewegt die Menschen die Handlung von „Draußen vor der Tür“: Ein ehemaliger Soldat namens Beckmann kehrt nach Hamburg zurück und wird sich nach und nach bewusst, dass er nichts weiter ist als Kanonenfutter. Besonders hart trifft es ihn, dass niemand die Verantwortung für das Geschehen übernehmen will, das von Deutschland ausging. Er ist nur noch ein Wrack, seelisch kaputt, körperlich versehrt: Eine Knieschreibe ist zertrümmert. Er trägt noch immer seine Kriegs-Gasmaskenbrille, die durch Gummibänder im Gesicht festgehalten werden.
Das Drama ist deshalb so aktuell, weil das Schicksal Beckmanns stellvertretend für Soldaten in so vielen Ländern steht, in denen Gewalt-Regimes Frauen und Männer für ihre Zwecke missbrauchen. Seit seiner Entstehung wurde „Draußen vor der Tür“ unzählige Mal aufgeführt.
Die Öffentlichkeit verfolgte den Irrweg Beckmanns durch die zerstörte Hansestadt erstmals am Radio am 13. Februar 1947 als Hörspiel, das vom Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Es dauerte nicht lange, bis das Drama seinen Weg auf eine Theaterbühne fand. Am 21. November 1947 sahen die Zuschauerinnen und Zuschauer das aufrüttelnde Werk in der Stadt seiner Handlung: in Hamburg in den Kammerspielen.
Der Autor stirbt vor der Uraufführung
Der Verfasser erlebte diese Aufführung nicht mehr. Er teilte das Sohicksal seiner literarischen Figur Beckmann. Wolfgang Borchert, der Buchhändler und Schauspieler war, kehrte aus dem Zweiten Weltkrieg mit einer starken Verwundung zurück: Ein Knie war zerschossen worden. Zudem litt er an Gelbsucht. Er starb in einem Hamburger Krankenhaus einen Tag vor der Uraufführung seines Dramas im Alter von 26 Jahren. Er hatte noch den Schauspieler kennen gelernt, der der erste war, der den Soldaten Beckmann spielte. Es war Hans Quest, der bei der Uraufführung so auftrat, wie ihn Borchert Beckmann beschrieben hatte: Ein gespenstisch aussehender Mensch mit dem Kennzeichen Gasmaskenbrille, der seine Wut herausschreit: Will denn niemand Verantwortung dafür nehmen, was unschuldigen Menschen angetan wurde?
Die Literatur Borcherts hat überlebt. Er hat nicht nur sein berühmtes Theaterstück hinterlassen, sondern auch Gedichte und Erzählungen. Zu den bekanntesten gehört „Die Hundeblume“: Beim täglichen Gang auf dem Gefängnishof entdeckt ein Insasse eine Hundeblume…
Lieber Jörg-Peter,
danke für die Erinnerung an Wolfgang Borchert. Er war mein Wahlautor für das mündliche Deutsch-Abi 1976. Mein Deutsch-Lehrer hat ihn mit dem Hinweis, „Sie wollen wohl nicht viel lesen, denn der hat zuwenig geschrieben“, abgelehnt. Mein zweiter Vorschlag: Ödön von Horvath (u.a. „Glaube, Liebe, Hoffnung“) hat ihn sehr verblüfft. Er hat ihn akzeptiert. Zu einem Gedanken-Austausch, einem Disput kam es , ob mit oder ohne Prüfung – mit dem Lehrer nicht, weder über Borcherts „Draußen vor der Tür“ noch über „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Horvath. Ich musste mündlich ins Mathe-Abi. Aber Borchert und Horvath sind für mich unvergessen. Ebenso wie Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Lest ihre Bücher!