Die Daffkes

Die 1920er Jahre leben auf

Von Michael Schlag

Wie machen die das? Mit so wenig Mimik und angedeuteter Gestik, allein mit Worten und Gesang das Publikum anderthalb Stunden lang in ihren Bann zu ziehen. Am Ende wollen die Zuhörer im großen Konzertsaal der Bad Nauheimer Trinkkuranlage sie gar nicht gehen lassen. Die Damen und Herren Daffke, das sind vier Stimmen und ein Klavier, so beschreiben sie sich selber in aller Kürze. Alle mit klassischer Ausbildung.

Am Klavier Konzertpianist Ilan Bendahan; Sopranistin Friederike Kühl; Markus Paul, Ensemble-Mitglied am Staatstheater Cottbus; Sängerin Franziska Hiller, Mitglied im aktuellen Bühnenensemble des Schauspiels Leipzig; Dennis Kuhfeld, Sänger von Falsett-Tönen bis Bariton. Sie stammen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands und fanden sich an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Im Sommer 2014 gründeten sie die Daffkes als Chanson-Band und „posttraditionelles Brettlkunst-Ensemble“.

Das Berlin der 1920er Jahre lebt auf

Die Daffkes traten in Bad Nauheim auf Einladung der jüdischen Gemeinde auf, sie spielen Lieder und Chansons aus den 20er Jahren, darunter Kurt Weill, Friedrich Hollaender, Hanns Eisler und Paul Abraham. Ohne sie und die vielen anderen Musiker, Literaten und Theaterleute jüdischen Glaubens hätte es die Künstlerszene im Berlin der 20er Jahre gar nicht gegeben. Die Comedian Harmonists waren die bis heute berühmtesten. Die Nationalsozialisten machten alles zunichte.

Die Daffkes während ihres Auftritts in Bad Nauheim. (Foto: Michael SChlag)

Bei den Damen und Herren Daffke leben die Musik, die Texte, die ganze Zeit wieder auf. Und das machen die Daffkes so klar und echt, genau so hätten sie wohl auch in einem Kabarett im Berlin der 20er Jahre auftreten können – und sie nehmen ihre Zuschauer dahin mit. Gleichzeitig wissen alle um den Schrecken, mit dem bald alles enden wird und wie zerbrechlich dieser Moment ist. Auch wenn die Lieder so spaßig und so harmlos sind: „Ein Freund, ein guter Freund“, „Ich bin von Kopf bis Fuß …“ oder „In der Bar zum Krokodil.“ Die Daffkes bereiten erstmal einen unterhaltsamen Abend, mit nichts als ihrer Darstellungskunst, klasse Stimmen, feine Mimik und Gesten, immer neue und überraschende Bühnenaufstellungen. Man muss schon gut zuhören und auf alles achten. Und wie ist der Programmtitel zu deuten: „Wie werde ich reich und glücklich? – Ein musikalischer Handlungsvorschlag“. Sie selber beschreiben es so: „Die Daffkes sezieren die Sehnsüchte der 20er Jahre und finden überraschende Übereinstimmungen zu den Begierden des modernen Menschen“. Und das Alles passt an einem Abend auf eine Bühne? Ja, sehr gut sogar. Dit is ebend Daffke, das Wort stammt aus dem Jiddischen und bedeutet: Etwas aus Trotz, nur zum Spaß oder aus Eigensinn zu tun. In jener Zeit fand das Wort Eingang in die Berliner Mundart. Man sollte es sich heute mal wieder mehr zu Herzen nehmen.

Titelbild: Ensemblefoto „Die-Daffkes“ (Foto: Thomas-Victor)

2 Gedanken zu „Die Daffkes“

  1. Vielen Dank für den tollen Bericht über das wunderbare Konzert. Wir haben uns auch sehr darüber gefreut, dass das Publikum so begeistert war.
    Annette Mazur
    im Namen der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim

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