Es geht um die Kinder
Das bundesweite Projekt „Demokratie leben“ ist in der Wetterau erfolgreich – außer in Nidda. Mit viel Geld von der Bundesregierung planen ganz unterschiedliche Gruppen auch im Jahr 2019 Veranstaltungen. Vor allem junge Leute sollen so zur Mitgestaltung des Gemeinwesens animiert werden.Demokratie leben in der Wetterau
In Hirzenhain haben rechtsextreme Parteien bei der letzten Wahl mehr als 24 Prozent der Stimmen bekommen. In Büdingen waren es 20,4 Prozent, in anderen Wetterau-Gemeinden zwischen zwölf und 19 Prozent. Wenn dieser Trend anhält, gefährdet das die Demokratie. “Viele Erwachsene realisieren nicht mehr, wie viele Dinge sie uns ermöglicht hat. Man muss den Kindern und Jugendlichen die Demokratie vertraut machen. Wir wollen so viele Kinder erreichen wie nur möglich“, so die Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch. Deshalb beteiligt sie den Kreis seit Mitte 2017 am Projekt „Demokratie leben“. Mit sechsstelligen Summen aus dem Berliner Familienministerium gab es seitdem viele Workshops und Veranstaltungen – und das geht auch 2019 so weiter, sagte die SPD-Politikerin bei einem Netzwerktreffen am 16. Januar 2019 in Friedberg.
In der Wetterau haben sich fünf Trägervereine etabliert, die das Geld aus Berlin an die Vereine und Gruppen für Veranstaltungen zur Demokratie-Förderung weiterleiten: In Butzbach, bei der Kreisverwaltung, in Florstadt für die mittlere Wetterau, in Büdingen – und in Nidda. Dort verzichtet man seit Jahresbeginn aber auf die Zuschüsse der Bundesregierung, sagt der städtische Pressesprecher Uwe Bonarius auf Anfrage. „Weil das Interesse nicht mehr so groß war und der Verwaltungsaufwand nicht im richtigen Verhältnis dazu stand.“ Wenn eine Gruppe aus Nidda Veranstaltungen zur Demokratie-Förderung plane, könne sie auch aus anderen staatlichen Töpfen Geld dafür bekommen.
In Büdingen leitet die Erste Stadträtin Henrike Strauch den auch in Altenstadt aktiven Trägerverein „Mitmischen – gemeinsam Demokratie leben“. Im Dezember hat er zum Beispiel das Konzert „Büdingen rockt für Demokratie“ gefördert, als Alternative zum Europatreffen der NPD in der Zinnkann-Halle. Internationale Straßenfeste und andere Events förderte der Verein 2018 mit rund 54 000 Euro aus dem Familienministerium. Beispielsweise eine Dokumentation von Künstlerinnen aus Büdingen und Ortenberg zur Frage: Wann gehört jemand zur Heimat? Die Ausstellung zum örtlichen Heimatbegriff soll 2019 in Büdingen gezeigt werden.
„Gesicht zeigen für Demokratie und Vielfalt“ ist das neueste Projekt für 2019, organisiert vom Verein „Mitmischen“, dem Büdinger Bündnis für Demokratie und Vielfalt und anderen Organisationen. Dabei können sich Bürgerinnen und Bürger bei verschiedenen Gelegenheiten fotografieren lassen, um mit den auf Plakaten gedruckten Gesichtern ein Zeichen für ein demokratisches, vielfältiges, friedliches und weltoffenes Büdingen zu setzen.
Im Friedberger Kreishaus sorgen Cornelia Wenk und Tania Chirico dafür, dass pro Jahr 100 000 Euro an Projekte fließen, die Respekt, Menschlichkeit, Wertschätzung und Toleranz fördern. Diese Werte sind laut der Ersten Kreisbeigeordneten Stephanie Becker-Bösch „wie Getriebeöl, das unser menschliches und gesellschaftliches Zusammenleben miteinander verbindet.“ Was gefördert wird, entscheiden die Mitglieder eines Jugendforums und ein Vergabeausschuss. Darin sitzen unter anderem Vertreter des Roten Kreuzes, der Kirchen und des gemeinnützigen Unternehmens „Frauen Arbeit Bildung“.
Im neuen Jahr 2019 wird der Friedberger Verein „Mensch mach mit“ zum Beispiel am 25. Mai ein Festival auf der Seewiese veranstalten, das auch Menschen mit Behinderung begeistern soll. Schon am 27. Januar gibt es im Jugendhaus Junity ab 19 Uhr ein Poetry Slam zum Gedenken an die Auflösung des Konzentrationslagers Auschwitz vor genau 74 Jahren. Am 8. März spricht der Sozialwissenschaftler Manuel Glittenberg im Kreishaus zu Schülern. Das Thema: Rechtsextremismus – aktuelle Erscheinungsformen und demokratische Handlungsoptionen. Dazu öffnet eine Ausstellung der Friedrich Ebert-Stiftung, die in möglichst vielen Wetterauer Schulen gezeigt werden soll. „Wir gehen dieses Jahr verstärkt auch nach Kefenrod, Ortenberg und Wöllstadt“, sagt Cornelia Wenk. Denn in Kefenrod wuchs die Zahl der Wähler von AfD und NPD binnen eines Jahres um 4,1 auf 19,7 Prozent, in Ortenberg um zwei auf 17,9 Prozent.