Wettbewerb der Schäfer
Der Betrieb Heintz im Kleebachtal bereitet sich auf des Bundesleistungshüten am 12. September 2015 vor, den bundesweiten Wettbewerb der Schäfer.
360 Merino-Schafe
Eine leicht hängige Weide, an drei Seiten gesäumt von Baumreihen, zum Tal hin ein Weizenfeld. Ein heißer Tag, strahlend blauer Himmel, ein Schäfer bei seiner Herde. Stefan Heintz (29) genießt das Hüten an diesem Nachmittag, früh am Morgen hat er bereits die Milchschafe und Ziegen des Kleebachtaler Hofes gemolken und versorgt, jetzt sagt er: „Hüten ist auch mein Hobby“ – und in diesen Wochen ein besonders anspruchsvolles Hobby, denn der Schäferwelt will er am 12. September auf dem Kleebachtaler Hof eine ausgeglichene und führige Herde präsentieren.
Eine Auswahl der 360 frisch geschorenen Merinos, Rhönschafe und Suffolk auf der Weide im Hüttenberger Land (Mittelhessen) wird die Herde für das Bundesleistungshüten bilden. Und so gehören zum arbeitsreichen Tag des Schäfers zusätzlich Übungen im „Parcourhüten“: Mit dem Rasenmäher werden schon einmal Bahnen in der Weide gemäht, wo Hunde und Herde das Gehen entlang der Furche üben, oder mit Holzhürden wird auf der Weide das Führen über eine Brücke simuliert, auch das eine Aufgabe beim Leistungshüten. Stefan Heintz wechselt sich zudem beim Hüten mit dem Lehrling des Hofes ab, damit die Schafe sich beizeiten an neue Personen gewöhnen. In den Wochen vor dem Bundeshüten werden auch regelmäßig die Hunde gewechselt, außer den beiden Gelbbacken Ben (3 Jahre) und dem Haupthund Back (7 J.) kommt auch ein Fuchs als Hütehund zum Einsatz, denn beim Leistungshüten muss sich die Herde ja auch auf immer neue Hunde einstellen. „Sie sollen dann nicht nervös werden“, sagt Stefan Heintz, deshalb gewöhnt er die Schafe daran, Hunde näher an sich heranzulassen. Gut geübt ist die Herde ohnehin, zum Alltag auf dem Kleebachtaler Hofs gehören auch lange Wanderstrecken zu Weiden, die bis zu 25 km entfernt sind – durch ein klein strukturiertes Ackerbaugebiet mit Getreide, Mais, Kartoffeln.
Keine „Netzeschäfer“
Natürlich: Die Schafweide mit mobilen Netzen einzuzäunen würde im täglichen Geschäft viel weniger Zeit einfordern als das Hüten, und manchmal geht es auch hier nicht anders. Aber „Netzeschäfer“, wie man hier spöttisch sagt, das sind sie auf keinen Fall. „In Hessen wird die alte Tradition noch gepflegt“, sagt Vater Reinhard Heintz (55), und auch „der Berufswettbewerb wird in Hessen noch ernst genommen.“ So muss sich der hessische Teilnehmer am Bundesleistungshüten in einer mehrstufigen Qualifikation bewähren: Zunächst muss er das Leistungshüten in seinem Kreisverein bestehen, die Spitzenreiter stellen sich dann noch einmal in den beiden Ausscheidungshüten Hessen-Nord und Hessen-Süd der Konkurrenz, und schließlich muss er noch das hessische Landeshüten gewinnen, um dann für Hessen beim Bundeshüten anzutreten.
Die Herde für das Bundeshüten am 12. September wird aus Merinos und Rhönschafen bestehen. Vor Jahren hätte das noch anders ausgesehen, „früher war Hessen Schwarzkopfland“, sagt Reinhard Heintz, und er scheint den überwiegenden Wechsel zu den Merinos im Land ein wenig zu bedauern: „Die Schwarzköpfe sind ruhig und sie reagieren.“ Dafür kamen Suffolk auf den Betrieb, importiert direkt aus Schottland in das Hüttenberger Land, „weil ich sie gerne sehe“, sagt Heintz junior: „Fleischig, lange Ohren, gute Wolle, das gefällt mir“. Am Bundeshüten allerdings werden die Suffolks nicht teilnehmen. „Sie stiften in der Hüteherde zu viel Unruhe,“ sagt Stefan Heintz, stets wollten sie entweder ganz vorne oder hinten sein, aber „die Schafe sollten schon gehen bei so einer Veranstaltung.“ Eigentlich gefiele es ihm besser, wenn die Hüteherde nur eine Farbe hätte, aber dann wären unter den Merinos zu viele junge Lämmer. Deshalb nimmt er 50 Rhönschafe mit in die Herde, denn „man muss es den Hütern ja nicht unnötig schwer machen.“
Höhepunkt der Schäferlaufbahn
Für Heintz senior, langjähriger Vorsitzender des Hessischen Verbandes für Schafzucht und –haltung, ist das Bundesleistungshüten auch ein Höhepunkt in seiner Schäferlaufbahn. „Das ist das Größte“, sagt Reinhard Heintz, „das hat man nur einmal im Leben.“ Und der Kleebachtaler Hof wird gut vorbereitet sein auf das Ereignis. „Wir veranstalten jedes Jahr Hüten“, sagt Heintz, sei es ein Kreishüten des regionalen Schäfervereins, ein Ausscheidungshüten oder, wie vor drei Jahren, das Bundesleistungshüten des Vereins für Deutsche Schäferhunde (SV-Hüten). „Das war die Generalprobe“, sagt Heintz, „und Alles hat funktioniert.“ Dem Veranstaltungsort im Kleebachtal kommt auch zugute, dass das Hütegelände gleich neben den Ställen und Scheunen liegt, hier werden die Besucher verköstigt und haben einen guten Blick über das Hütegelände. Ein Gespräch mit Reinhard Heintz wird zurzeit öfter vom Klingeln seines Handys unterbrochen, um diese Zeit ist das immer so: „Jetzt geht das Hüten wieder los, jetzt laufen die Telefone.“ Termine werden nachgefragt, bei einem Kreishüten ist ein Teilnehmer abgesprungen, wer kann ihn so schnell vertreten? Das große Engagement von Reinhard Heinz für die hessische Schafzucht ist bekannt, aber auf seine Rolle bei den Leistungshüten angesprochen wiegelt er ab: „Nein, das liegt nicht an mir, das sind alles gewachsene Traditionen.“
Sohn Stefan Heintz arbeitet seit zehn Jahren auf dem elterlichen Betrieb, im kommenden Jahr wird er ihn als Betriebsleiter übernehmen. Mit zwei abgeschlossenen Lehrberufen ist er bestens vorbereitet: Zunächst lernte er drei Jahre Metzger, was dem Betrieb heute in der Direktvermarktung zugutekommt, anschließend machte er zwei Jahre eine Lehre als Landwirt. Seit fünf Jahren nimmt Stefan auch selbst an Hütewettbewerben teil. Bei Kreishüten erzielte er bereits einen zweiten und einen dritten Platz, aber er weiß auch: „Es ist schwierig bei den alten Hasen.“ Zum Abend führt Stefan Heintz seine Herde zu ihrem Nachtpferch, zuvor können sie noch im Kleebach trinken, an einer flachen Stelle unterhalb eines Hochwasserwehrs. Vom Damm aus schaut er bedächtig herunter auf seine Herde und meint: „Ich wollte das hier eigentlich immer machen.“