Musik-Ikone trifft Mädel vom Lande
Wie die Hippie-Musik aus den USA in die Wetterauer Provinz schwappt, erzählt Britta Boerdner in ihrem Roman „Am Tag, als Frank Z. in den Grünen Baum kam“. Sie beschreibt, was passieren kann, wenn Neues Althergebrachtes in Schwingung bringt, für Unordnung, für Aufregung und Ängste sorgt. Am Freitag, 13. Oktober 2017, liest Britta Boerdner in Butzbach aus ihrem Roman.
„Am Tag, als Frank Z. in den Grünen Baum kam“
Ein Schelm, wer an Frank Zappa denkt. Wie denn hätte Frank Vincent Zappa, der legendäre Komponist und Gitarrist, der das grandiose Album „Freak out“ mit den „Mothers of Intention“ einspielte in ein Gasthaus in die Wetterau kommen können. Im Roman „Am Tag, als Frank Z. in den Grünen Baum kam“ passiert genau dies. Trifft aufeinander, was gegensätzlicher kaum sein könnte: Ein Vollblutmusiker aus dem US-Hippie-Staat Kalifornien und ein Mädel aus einer beschaulich-schaurig-schönen deutschen Provinz begegnen einander. Und wie das so ist mit Gegensätzen: Sie ziehen sich an. Was die Welt aber schon mal aus den Fugen bringen kann. Für Frank Z. nicht wirklich, für Ev aber schon.
Den Achsbruch mit seinem VW-Käfer erleidet Frank Z. in Randstetten, was nicht von ungefähr wie Ranstadt klingt, mit dem man aber auch „am Rand von Städten“ assoziieren könnte. Was aber letztlich egal ist. Schließlich hat sich die ganze Geschichte ja nicht wirklich ereignet – ist aber ein wunderbares Lesevergnügen über die Veränderung der Welt Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, über den Einfluss der Pop- und Rockmusik in einer Zeit des Aufbruchs auch auf das Leben in der deutschen Provinz und die Unwägbarkeiten einer ersten Liebe.
Von der Welt, in der er Erfolge hat, braucht Frank Z. dringend eine Auszeit. „I need a breather“. So packt er auf den Rat seines Freundes Gary hin, alles was man so für eine Verschnaufpause im Jahr 1969 braucht, „Musikkassetten , seinen tragbaren Rekorder, seine dunkelbraune Fransentasche zum Umhängen“ (Achtung: Klischee) und bricht auf, die Wetterau zu erkunden „Going up the country“.
Durch die ersten Sätze des Romans von Britta Boerdner „Vom Taunus her betrachtet, ist die Wetterau ein stilles Land (eine Landschaft) mit sanften Hügeln, im Vordergrund (von was?) vielleicht (wieso vielleicht?) ein ausgefahrener Feldweg, gesäumt von Apfelbäumen, Butterblumen, Kornblumen (Butterblumen und Kornblumen zur gleichen Zeit?) muss man durch (das hätte das Lektorat besser machen können). Aber mit Frank Z. und dem Achsenbruch seines Käfers (hallo) kommt man in Randstetten an und erlebt in den geschilderten Situationen und den Charakteren mit, was passieren kann, wenn Neues Althergebrachtes in Schwingung bringt, für Unordnung, für Aufregung und Ängste sorgt.
Da lernt man zuvorderst Ev, kennen, die eigentlich Evelyn heißt, im Dorf aber das Evchen ist. 17 Jahre ist sie jung, hat von der Oma die Sprachschule bezahlt bekommen. Für Englisch. Warum gehört zum Familiengeheimnis. Man lernt den Eier-Jupp kennen, den Wilhelm vom Edeka-Laden. Auch den Rudi, „der Angst hat vor Veränderungen“, der „schon 37 und noch immer der Oma ihr Kind ist“. Überhaupt die Oma, die Mutter, die Evelyn – da ist kein Mann. Da steckt doch ein Geheimnis drin.
Der Beatschuppen in Randstetten
Bis Frank Z. in Randstetten strandet, ist der Manni der Ev irgendwie schon versprochen oder sie ihm. „Manni wird da sein, zwischen Bushäuschen und Beatschuppen wird er im Grünen Baum seinen Stuhl herumdrehen und breitbeinig wie ein Cowboy darauf sitzen, die Lehne vor der Brust, in der Kneipe ist man mehr Mannsbild als auf der Kreidler Florett.“ Apropos Beatschuppen: Der im fiktiven Randstetten spielt eine große Rolle, heißt „Sunnyside“ und ist dem „Black Inn“ im real existierenden Ranstadt nicht unähnlich. „Das Sunnyside steht am Ortsausgang wie ein Wegelagerer. Verweigert sich mit Tag und Nacht heruntergelassenen Rollläden jeder Ansprache.“ Drinnen in der Dorfdisko ist indes jede Menge los, lockt die Musik aus dem Sunny „nicht nur die Dorfrocker und die Feuerwehrleute an, denen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, sondern auch Studenten, Stadtvolk, Rock’n’Roll-Könige, je nach Programm“. Da ist die Unsicherheit der Jugend abendlich auf der Tanzfläche präsent, in ihrem Schwanken zwischen Unsicherheit, Selbstdarstellung und Omnipotenzphantasien.
Britta Boerdner, Jahrgang 1961, konnte schon mit einer Arbeitsprobe ihres Romans „Am Tag als Frank Z. in den Grünen Baum kam“ die Sylt Foundation überzeugen und erhielt das Inselschreiber-Stipendium 2015. Zudem einem vom Hessischen Literaturrat geförderten Aufenthalt in der Emiglia Romana in Italien. Über das Werk der in Fulda geborenen und in Frankfurt lebenden Autorin, die nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin Amerikanistik, Germanistik und Historische Ethnologie studierte, urteilt Bodo Kirchhoff, der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2016: „Britta Boerdner erzählt von der Herzensprovinz in uns allen und eröffnet den Lesern damit eine Welt: die kleine Welt ihrer Heldin Ev, in die die große weite Welt samt E-Gitarre und Schnauzer einbricht, geschrieben in einer Sprache, die das Unglaubliche mühelos glaubhaft macht.“
Bleibt dem nur noch hinzuzufügen: selbst lesen und/oder am Freitag, 13. Oktober, nach Butzbach in die Buchhandlung Bindernagel kommen. Dort stellt Britta Boerdner ab 19.30 Uhr ihren Roman vor. Begleitet wird die Lesung musikalisch von Otto Wanke (Gitarre) und Elke Ludwig (Gesang) – versteht sich: mit Songs von Frank Zappa. Eintritt an der Abendkasse: 12 Euro.
Der Roman ist in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen, 349 Seiten, gebunden, 22 Euro, ISBN: 3627002350.