Leerstandskataster für LEADER-Kommunen
Das Amt für Bodenmanagement in Büdingen erstellt für die LEADER-Kommunen Nidda, Butzbach und Ortenberg eine Liste leerstehender Häuser. LEADER ist ein Förderprogramm der Europäischen Union. Mit Hilfe des Leerstandskatesters sollen die Ortskerne belebt werden.
Das Amt listet Liegenschaften
Büdingen, Bahnhofsstraße 33. Das Gebäude des Amtes für Bodenmanagement in Büdingen ist ein architektonischer Zweckbau. Außen wie innen. Im Erdgeschoss trifft der Besucher auf die Information im Foyer, die (durch eine Glasfront) Offenheit und zugleich (durch persönliche Beratung) Diskretion signalisiert. Darüber bis zum dritten Stock lange Flure mit Räumen, die längst nicht mehr durch meterlange Aktenordner gekennzeichnet sind, sondern durch Computer-Terminals. In Etage drei, im letzten Raum links, hat Dr. Andreas Schweitzer sein Büro. Der promovierte Vermessungsingenieur ist seit 2013 Leiter des Amtes. Seine rund 120 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind viel beschäftigt. Was aber genau haben die Vermessungs- und Bauingenieure, die Landschaftsarchitekten, Diplom-Geografen und Geomatiker zu tun?
Eine ihrer Hauptaufgaben: sich um Kataster zu kümmern. Kataster? Laut Internet-Lexikon Wikipedia ist unter einem Kataster „ein Register, eine Liste oder eine Sammlung von Dingen oder Sachverhalten“ zu verstehen. Ziemlich allgemein. Konkret indes kümmern sich Dr. Andreas Schweizer und sein Team um Liegenschaftskataster, um Geobasisdaten, die Flur- und Bodenordnung, das Geodatenmanagement sowie um die Wertermittlung von Grundstücken. Und zwar sowohl für den Wetterau- wie den Main-Kinzig-Kreis. Das Gebäude in der Bahnhofsstraße 33 hat das Amt 2009 bezogen. Es gehört zu den insgesamt acht Ämtern für Bodenmanagement in Hessen, deren zentrale Organisationsstelle, die Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation, ihren Sitz in Wiesbaden hat.
Es sind viele Gespräche zu führen
„Unser Amt ist immer dann gefragt, wenn es um die Neuordnung von Flächen und Eigentum geht“, erklärt Dr. Andreas Schweitzer. Das kann etwa bei privaten Interessenskonflikten der Fall sein, etwa bei dem Vermächtnis eines Grundstückes an mehrere Erben, so der 52-jährige Amtsleiter. Ebenso wie bei Flurbereinigungsverfahren. Abteilungsleiterin Barbara Bachner nennt als Beispiel den Bau einer Umgehungsstraße. Deren Planer, so die Vermessungsingenieurin „ erarbeiten den Verlauf der Straße nach Kriterien wie der Höchstgeschwindigkeit, die auf dieser gefahren werden darf.“ Liegt der geplante Verlauf vor, stellt sich meist heraus, dass er sowohl privates Eigentum – die Straße verläuft z.B. über Ackerland – oder kommunale Interessen – sie kreuzt oder schneidet öffentliche Wege, berührt. Die Konsequenz: Es müssen viele Gespräche geführt werden. Ob beispielsweise ein Landwirt an einem Flächenaustausch in der Gemarkung interessiert ist, ob Parzellen sich neu aufteilen lassen, Wege anders geführt werden können. Auch mit Vertretern des Wasser- oder Naturschutzes.
Ein aufwändiges Verfahren, das „aber nicht mehr so lange dauert wie früher“. Denn die Daten, Fakten und Karten sind heute computerisiert. Viele davon können dadurch auch beim Amt für Bodenmanagement in Büdingen direkt abgerufen werden – nicht nur von Kommunen, sondern auch von Privatpersonen, Initiativen oder Organisationen. „Wir sind weder parteilich noch Interessen-gebunden“, betont Dr. Andreas Schweitzer. „Unser Ziel ist es, bei Konfliktsituationen aufgrund der vorhandenen Daten nach Kompromissvorschlägen zu suchen.“
Innovative Kommunen
Drei Städte im Wetteraukreis – Nidda, Butzbach und Ortenberg – arbeiten derzeit im Rahmen des Modellprojekts „Innovative Kommunen“ gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Wetterau und dem Amt für Bodenmanagement sowie der Justus-Liebig-Universität an dem Konzept einer neuen städtischen Bodenordnung. Denn, so Schweitzer, „unser Aufgabengebiet beschränkt sich nicht nur auf Wald und Flur, sondern auch auf die städtischen Innenbereiche.“ Konkret: Was kann getan werden, damit die Städte und Dörfer in der Region in ihren Kernen nicht weiter veröden. Neubaugebiete auf der Grünen Wiese mit ihren Gewerbegebieten können vielleicht nicht die einzige Option sein, um junge Familien an die Orte zu binden.
Innerörtliche Flächenreserven besser nutzbar machen
So gehen die Experten den Fragen nach, ob freie Grundstücke innerorts wie noch bebaut werden könnten. Welche Altersstruktur die Bewohner haben, nicht zuletzt, wo Leerstand dokumentiert werden kann. Und wie funktioniert das? Indem die Daten aus den kommunalen Einwohnermeldeämtern mit den Karten zu Grund und Boden abgeglichen werden. Da kann sich – am Computer – zeigen, dass in der Hauptstraße eines Ortes in der Hausnummer 5 zwar ein bewohnbares Gebäude steht, aber niemand drin lebt. Oder dass es ungenutzten Freiraum innerstädtisch gibt. „Da kann es ein Ziel sein, Flächenreserven noch oder besser nutzbar zu machen“, so der Vermessungsingenieur.
Für die drei Modellkommunen sollen nach Auskunft des Amtsleiters die Leerstandskataster bis „spätestens März 2017 ermittelt sein.“ Für die weiteren 14 Kommunen des europäischen LEADER-Programms wird die Fertigstellung des Karten- und Datenmaterials für Mitte 2017 angestrebt. Finanziert wird dieses aus den Mittel des Förderprogramms „Innovative Kommunen“.
Wie nötig und nachhaltig Projekte, die das Amt für Bodenmanagement, zielführend betreut, zeigt das Beispiel Zufahrt zur Einrichtung „Rauer Berg“ in Ortenberg. Barbara Bachner: „Der einstige Schotterweg ist nun ausgebaut und asphaltiert.“ Die „Infrastrukturmaßnahme“ war erforderlich geworden, denn die Einrichtung mit Hofladen hatte immer mehr Besucher. Der Weg war (nicht nur) für Rettungsfahrzeuge schwer befahrbar. Jetzt ist er auch für Radler gut zu nutzen und fördert damit auch die Attraktivität für Touristen.
Also: Wenn es Fragen rund um Grund und Boden gibt: „Wir bieten den Gemeinden an, sich mit ihren Fragen an uns zu wenden. Wir werden sie bei ihren Vorstellungen mit unseren Werkzeugen unterstützen.“ Dabei gelten wie im Foyer der Bahnhofsstraße 33 in Büdingen: Transparenz und Diskretion.
Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Infrastruktur
„Der rasante Strukturwandel mit seinen dynamischen Prozessen bewirkt häufig Interessenskonflikte und konkurrierende Nutzungsansprüche an dem nicht vermehrbaren Gut „Grund und Boden“, die auch mit Blick auf den Schutz unserer natürlichen Ressourcen ausgewogen und flächensparend aufzulösen sind. Zur nachhaltigen und umweltgerechten Entwicklung unserer ländlichen und urbanen Lebensräume bedarf es daher effizienter Instrumente“, erläutert die Hessische Verwaltung für Bodenmanagement ihre gesellschaftliche Bedeutung.
Ihre Aufgabengebiete:
Das Bodenmanagement – unter ihm ist die Planung, Steuerung, Organisation und Durchführung aller Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung sowohl in den Städten wie auch auf dem Lande zu verstehen.
Die Landesvermessung, in der topographische Landesaufnahmen durch einen „satellitengestützten Positionierungsservice“ ermittelt werden. Dieser ermöglicht ein bundeseinheitliches Koordinatensystem. Alle so gewonnenen Daten werden per Computertechnik festgehalten und ständig aktualisiert. Ergänzt werden diese durch Luftbildaufnahmen.
Die Geodateninfrastruktur. Sie bündelt die Informationen aus dem Liegenschaftskataster und der Landesvermessung. Die Daten können „auf Grundlage von standardisierten Schnittstellen“ per Internet sowohl von Behörden, Unternehmen wie auch Bürgerinnen und Bürgern auf dem Geoportal der Ämter abgerufen werden.
Außerdem sind die Mitarbeiter der insgesamt sieben hessischen Ämter für Bodenmanagement mit fünf Außenstellen in der Flurneuordnung (zur Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum), der Baulandumlegung (einem Verfahren, in dem städtebauliche Planungen umgesetzt werden) und bei der Immobilienwerteermittlung tätig (durch die Auswertung von Grundstückskaufverträgen, die Veröffentlichung von Bodenrichtwerten und Immobilienmarktberichten).
hvbg.hessen.de