ALLEIN GEGEN HITLER

Wolfgang Benz würdigt Georg Elser

von Jörg-Peter Schmidt

Außergewöhnlich lang war der Beifall der Zuhörerinnen und Zuhörer im Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses. Der Historiker Wolfgang Benz hatte soeben aufgezeigt, aus welch ausgeprägtem Gerechtigkeits- und Friedenswillen der schwäbische Schreinergeselle Johann Georg Elser den Tyrannen Adolf Hitler töten wollte.

Couragierter Einzelkämpfer

Benz, emeritierter Professor für Zeitgeschichte,  stellte sein Buch „Allein gegen Hitler“  vor rund 110 Besucherinnen und Besuchern in der gut besuchten gemeinsamen Veranstaltung des Literarischen Zentrums Gießen (LZG), der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Justus-Liebig-Universität Gießen vor.

Gedenkstein zu Ehren Georg Elsers  in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen. (Fotoquelle: Wikipedia, Geak).

Der Autor kritisiert in seiner im C. H-Beck-Verlag erschienenen Veröffentlichung: „Die meisten Hitlerbiografen historischer oder journalistischer Profession haben keine Mühe an den Attentäter Elser verschwendet.“ Diese Missachtung sei allerdings seit einigen Jahren endlich gewichen. Die Zahl an Straßenschildern  und Gedenkstätten, die an den mutigen Baden-Württemberger erinnern, habe zugenommen, so der Historiker. 

Wolfgang Benz, der Leiter des Berliner Zentrums für  Antisemitismusforschung war, setzt Elser ein literarisches Denkmal. Viele Jahre war der in Königsbronn bei Heidenheim aufgewachsene Handwerker, dessen  selbst gebastelte Bombe am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller explodierte und den bereits abgereisten Adolf Hitler verfehlte, in der Tat eher unbekannt und erheblich  unterschätzt.

Gefahr durch Hitler früh erkannt

Im Gespräch: Angelina Isak und Wolfgang Benz. (Foto:  Jörg-Peter Schmidt)

Wie der Schriftsteller verdeutlichte,  sah der überzeugte Christ Elser verzweifelt frühzeitig voraus, dass der Terror des NS-Regimes sich noch erheblich ausweiten würde und ein Krieg droht.

Wolfgang Benz las in der von Angelina Isak umsichtig und einfühlsam moderierten Lesung aus dem  Kapitel, in dem er beschreibt, wie Elser ein perfekt funktionierendes  Präzisionswerk mit Zündmechanismus schuf.  Er versteckte sich in über 30 Nächten auf der Galerie des Saales im Münchener Bürgerbräukeller, um den Sprengkörper in einem Hohlraum der Säule beim Rednerpult zu platzieren.  Tagsüber verließ er dann  den Bürgerbräukeller aufgrund unzureichender Sicherheitsmaßnahmen unbehelligt.

Warum der Tyrann überlebte
Eine der NSDAP-Versammlungen im Bürgerbräukeller. (Fotoquelle: Wikipedia, Bild 146-1978-004-12A / Hoffmann, Heinrich / CC-BY-SA 3.0)
 

Er wollte beim Attentat so viele Menschenleben wie möglich schonen. Nach der Explosion starben sieben NSDAP-Mitglieder und eine Kellnerin. Etwa 60 Menschen wurden verletzt.

Hitler überlebte, weil er  sich kurzfristig entschlossen hatte,  zu seinem nächsten Ziel Berlin nicht zu fliegen, sondern mit dem Zug zu fahren. Also reiste er ab, bevor in der NS-Veranstaltung zum Jahrestag des Hitler-Putsches von 1923 der Sprengkörper um 21.20 Uhr seine volle Wucht erreichte und die Saaldecke zum Einsturz  brachte.

Der Attentäter war nicht im Saal. Er war auf dem Weg in die Schweiz, wurde aber festgenommen, zumal man in seiner Kleidung Gegenstände fand, die auf den Sprengstoffanschlag hindeuteten.

Hitler und seine Gefolgsleute wollten über Jahre der Öffentlichkeit  klar machen,  dass hinter dieser Tat nur die Engländer stecken konnten. Es passte ihnen überhaupt nicht ins Konzept, dass  diese komplizierte Bombe von einem einzelnen Deutschen geschaffen worden war.

Totgeweiht in den KZ’s

Sie  hielten ihn fünf Jahre in den KZ in Sachsenhausen  und Dachau gefangen, nachdem er – offensichtlich auch gefoltert – seine Tat gestand. Auch wenn er in Vorbereitung als „Hitlers persönlicher Gefangener“ gewisse „Hafterleichterungen“ in Vorbereitung eines geplanten Schauprozesses erhielt, so litt er schon deshalb auch seelisch außerordentlich stark, weil er wusste, dass er hingerichtet werden würde.

Sicherlich war es für ihn ein auch eine ungeheure Qual, das nicht mehr erleben zu können, was  ihn früher froh machte.  Er war keinesfalls ein Einzelgänger, wie Wolfgang Benz in seinem Buch hervorhebt. Er war im Königsbrunner  Gesangverein und Zitherclub aktives Mitglied und spielte unter anderem Kontrabass und Zither.

Hinrichtung kurz vor Kriegsende

Am 9. April 1945 fand seine Hinrichtung statt. Er wurde am selben Tag  wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der im KZ Flossenbürg starb, von den Nationalsozialisten ermordet. Wenige Wochen vor dem Ende des Nazireiches.

Es dauerte viele Jahre, bis die öffentliche Anerkennung  Georg Elsers erfolgte. Seine  Familie – allen voran die Mutter – waren nicht nur Anfeindungen der Nazis ausgesetzt, sondern nach dem Krieg auch vieler Mitbürger.  Wolfgang Benz  kommt zum Schluss: „Georg Elser war ein kategorischer Moralist, in der Konsequenz der Ausführung einer als notwendig erkannten Tat. Zu Recht sehen die Nachgeborenen Georg Elser deshalb als besonders authentischen Widerstandskämpfer.“

„Allein gegen Hitler“ von Wolfgang Benz ist im C. H-Beck-Verlag erschienen und kostet  27 Euro (auch als E.-Paper für 19,99 Euro erhältlich).

Titelbild: Die Bombe Georg Elsers hätte Adolf Hitler durchaus töten können. Durch die Wucht der Explosion  wurde die Saaldecke im Bürgerbräukeller heruntergerissen. (Fotoquelle: Wikipedia, Bundesarchiv, Bild 183-E12329 / Wagner / CC-BY-SA 3.0) .

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