400 Menschen umzingelten den Bürgertreff
Er sei glücklich, rief Pfarrer Kaarlo Friedrich am Abend des 25. September 2018 in die Menge. Man habe nun bewiesen, dass es in Schöneck viel mehr weltoffene Menschen gibt als AfD-Anhänger. Rund 400 Menschen umrundeten nach einem Aufruf der Initiative „Buntes Bündnis Schöneck“ und „Kirche in Schöneck“ den Kilianstädter Bürgertreff. Im Saal malten AfD-Politiker derweil die Zerstörung Deutschlands durch Muslime an die Wand.
AfD in Schöneck unerwünscht
Mit einer Menschenkette wollten Menschen aus Schöneck am Dienstag gegen den Wahlkampf-Auftritt der Main-Kinzig-AfD protestieren. Tagelang hatten sie gemeinsam mit Gewerkschaftern und Kirchenleuten zuvor in den sozialen Medien dazu aufgerufen. Sie waren aber nicht sicher, ob genügend Leute kämen, um den Bürgertreff zu umzingeln. Doch kurz vor 18 Uhr war der Platz proppenvoll. Rentner, Berufstätige, junge Leute und Familien standen da und plauderten aufgekratzt miteinander. Mädchen hielten bunt bemalte A4-Blätter vor sich – „Wir sind mehr“, stand darauf. „Schöneck ist bunt“ und „Rassismus ist keine Alternative“, verkündeten andere Schrifttafeln. Eine Dame hielt ein Schild mit der Botschaft „Kein Platz für Nazis – stoppt die AfD“ in die Höhe. Es kamen so viele Demonstranten, dass es beim Marsch um den Bürgertreff recht eng wurde.
„Ich bin begeistert, dass so viele gekommen sind“, sagte ein junger Mann unter den Demonstranten. „Ich habe bei der Arbeit extra früher Schluss gemacht, damit ich hier sein konnte.“ Neben ihm stand der Grünen-Gemeindevertreter Wolfgang Seifried und begrüßte gerade seinen Parlamentskollegen Markus Jung von der CDU. Auf der anderen Seite des Bürgertreffs rief der DGB-Kreisvorsitzende Klaus Ditzel ins Mikro: „Wir sind mehr, wir sind bunt. Und wir wollen zeigen, dass wir hier keine Nazi-Propaganda brauchen.“ Auf dem Platz erzählte Erich Selzer aus Büdesheim dem Reporter, warum er hier ist: „Ich bin Jahrgang 39. Damals hat mein Vater genauso gegen die Rechten protestiert wie ich jetzt. Und dann hat er im Knast gesessen!“ Der pensionierte Motorradpfarrer Ruprecht Müller-Schiemann nannte die nationalistischen Parolen der AfD absurd: „Wir leben doch hier in einem offenen Europa. Wir sind eigentlich Weltbürger.“ Der Mann neben ihm ergänzte: „Die Geschichte zeigt uns, dass man rechtzeitig aufstehen muss, wenn Leute sie abschaffen wollen. Ich finde es gut, dass auch die Kirche hier Farbe bekennt.“ In der Tat: Pfarrer Kaarlo Friedrich von der evangelischen Andreasgemeinde in Büdesheim hatte sich ein eine Regenbogenfahne gewickelt. „Ich bin echt stolz“, sagte er durch einen Lautsprecher, „dass so viele Menschen hier sind. Wir sind verbunden durch die Parteien und alle Konfessionen hinweg. Es wird wohl künftig in Kilianstädten keine AfD-Veranstaltung mehr geben!“
Jedenfalls nicht mehr im Bürgertreff. Das Lokal liege ungünstig, meinte der AfD-Kreissprecher Wolfram Maaß. Die Besucher seiner Veranstaltung mussten durch den Kordon der Gegendemonstranten hindurch, um den von einem Dutzend Polizisten geschützten Eingang zu erreichen. Die Pfiffe und Rufe der Protestierer dürften etliche Interessierte abgehalten haben, zum Wahlkampfauftritt des AfD-Landtagskandidaten Ulrich Langenbach zu kommen. Dabei müsse doch in einer Demokratie jeder ungehindert die Versammlungen einer zugelassenen Partei besuchen können, schimpfte Maaß im Gespräch mit Polizisten.
Im Saal hörten nach 19 Uhr rund 60 Menschen, davon ein Dutzend Frauen, den AfD-Funktionären zu. Das Podium und somit das Gesicht des 42-jährigen Kandidaten (ein Versicherungskaufmann) waren in der Parteifarbe Blau ausgeleuchtet. Langenbach listete auf, was er nach einem Wahlsieg im Landtag bewirken will: einen Baustopp für Windkraftanlagen, die Abschaffung der Rundfunkgebühren, keine Grundsteuer mehr für Familien ab drei Kindern. Und in sexuellen Dingen sollten Kinder von den Eltern, nicht in der Schule aufgeklärt werden.
Neben dem sächsischen AfD-Vizevorsitzenden Maximilian Krah ließ Wolfram Maaß auch den Berliner Nikolaus Fest reden, den ehemaligen Vize-Chefredakteur der „Bild am Sonntag“. Der behauptete, die Hetzjagden von Rassisten gegen fremd aussehende Menschen in Chemnitz seien ein von der Regierung ausgedachtes Märchen – einerseits, „um die Lüge vom braunen Osten aufrecht zu erhalten“. Und andererseits, um von „den ganzen Morden, die Merkels Migranten begehen, abzulenken“. Fest behauptete, Muslime würden Mädchen beschneiden und an enge Verwandte verheiraten. Muslime hielten sich nicht an deutsche Gesetze. Und Menschen türkischer Herkunft seien nicht willens und fähig, sich in Deutschland zu integrieren. Fests Fazit: „Lügen töten die Demokratie. Skrupellos wird an Lügen festgehalten. Beenden Sie die Herrschaft der Lüge!“ Den nächsten Auftritt dieses Kalibers plant die Main-Kinzig-AfD für den 29. September 2018 um 19 Uhr im Bürgertreff Oberrodenbach und für den 9. Oktober in der Stadthalle Wächtersbach.