Aus für Ärztlichen Bereitschaftsdienst
von Jörg-Peter Schmidt
Die Nachricht, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst (ÄBD) in Lich endgültig zum 30. Juni 2022 schließen muss, verursacht bei vielen Menschen Kopfschütteln, Unverständnis, Fassungslosigkeit. Die vielfältigen Bemühungen, die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) von diesem folgenschweren Schritt abzubringen, sind gescheitert.Allen Beteiligten an einer Pressekonferenz in der Asklepios Klinik in Lich war die Verzweiflung darüber anzumerken, dass die KVH jegliche Kompromissvorschläge abgelehnt hat. Der Bereitschaftsdienst werde nicht ausreichend genutzt, erklärt die KVH. Ihren deutlichen Ärger drückten aus: Fabian Mäser, Geschäftsführer der Licher Klinik, Dr. Daniela Heß (Ärztliche Leiterin der Notaufnahme in Lich), die Landrätin Anita Schneider (SPD), die beiden Bürgermeister Dietmar Kromm (Reiskirchen, parteilos) und Dr. Julien Neubert (Lich, SPD) sowie der SPD-Bundestagsabgeordnete Felix Döring.
Landrätin: „Wir boten Kompromisse an“
Landrätin Schneider schilderte, wie sie und Fabian Mäser im Dialog mit der KVH-Spitze vergeblich versucht hatten, die Schließung zu verhindern, indem man Kompromisse angeboten hatte: Beispielsweise, was die Miete oderweniger Öffnungszeiten betrifft. Ihre Gesprächspartner beharrten auf der Position, die auf der Homepage der KVH so formuliert wurde: „Grund für die Schließung ist eine von der KVH durchgeführte Analyse der Inanspruchnahme der hessischen Bereitschaftsdienstzentralen durch die Bürgerinnen und Bürger. Für Lich hatte diese ergeben, dass nur wenige Personen die Zentrale in der Goethestraße 4 aufsuchen, um sich medizinisch versorgen zu lassen.“

Landkreis erhält nur Statistik von 2019
Der Landrätin und Fabian Mäser wurden Zahlen aus dem Jahr 2019 vorgelegt. Von keiner Seite, weder von KVH noch vom Land Hessen, konnte der Landkreis Gießen bisher aktuellere Statistiken erhalten. Auch das Hessische Sozialministerium spricht von nicht ausreichendem Nutzungspotential in Lich. Rückendeckung hatte die Landrätin im Übrigen vom Kreistag und kommunalen Gremien von östlichen Gemeinden des Kreises Gießen bekommen: Die Kassenärztliche Vereinigung wurde aufgefordert, den Bereitschaftsdienst in Lich aufrecht zu erhalten.
Lange Anfahrtswege als Konsequenz
Welche Konsequenzen hat die Schließung? In der Pressekonferenz wurde verdeutlicht, dass die Wege der betroffenen Patienten beispielsweise nun unzumutbar lang werden. Einen Ärztlichen Bereitschaftsdienst gibt es jetzt in der Region Gießen nur noch in Gießen. Wer etwa am Rande des Kreises Gießen in äußeren Laubacher oder Grünberger Stadtteilen wohnt, hat zum Uniklinikum Gießen etwa mit dem Pkw schon mal Fahrtzeiten bis zu einer dreiviertel oder mehr. Die Einsätze im Rettungsdienst könnten sich verstärken, was laut Dr. Daniela Heß auch für die Frequentierung der Notaufnahme in Lich gelten könnte.
Unverständnis über KVH-Mitteilung
Der Tenor der Pressekonferenz war: absolute Verärgerung – auch über folgende Passage der KVH-Mitteilung im Internet: „Die Versorgung der Menschen in und um Lich bleibt natürlich weiterhin auch außerhalb der regulären Praxisöffnungszeiten sichergestellt. Zum einen bleibt der Hausbesuchsdienst weiterhin wie gewohnt bestehen. Zum anderen können Bürgerinnen und Bürger, die medizinische Hilfe benötigen, die nächstgelegenen Bereitschaftsdienstzentralen in Gießen und Nidda nutzen. Darüber hinaus ist die bundesweite Bereitschaftsdienstnummer 116117 täglich rund um die Uhr erreichbar, um beispielsweise einen Hausbesuch zu veranlassen.“ Beispielsweise die beiden Bürgermeister und Felix Döring wiesen noch mal deutlich auf die langen Anfahrtswege hin.
Nachricht erst aus den Medien erfahren
Und das ist noch die Stil-Frage: Führende Kommunalpolitikerinnen und -Politiker haben erst aus der Berichterstattung in den Medien, aber nicht direkt von der KVH von der Schließung erfahren, gegen die es offensichtlich keine Rechtsmittel gibt.
Konsequenz: Bereits am Montag, 20. Juni 2022 beginnt der Auszug des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Lich. Oder gibt es noch irgendeinen Weg, die Betonhaltung der KVH aufzuweichen, den gordischen Knoten zu durchschlagen?
Titelbild: Das Schild „Ärztlicher Bereitschaftsdienst“ wird wohl bald Vergangenheit sein. Der Ärger nicht nur bei den Patienten ist groß. Auf ein Entscheidungswende kann man nur hoffen.