Vorerst keine Rotoren
Von Klaus Nissen
Bei Wohnbach in der Wetterau sollen im Jahr 2017 vier Windmasten entlang der A45 entstehen. Gut drei Kilometer entfernt steht die markante Burg Münzenberg, die einst Kuno, dem Kämmerer der staufischen Kaiser gehörte. Anwohner fürchten durch die Windkraft eine Verschandelung des Landschaftsbildes. Das Regierungspräsidium Darmstadt hat die Anlage im Mai 2017 abgelehnt.
Windpark bei Münzenberg
Wenn es nach Nils Niescken geht, sehen die Autofahrer auf der A45 schon ab 2017 seine vier Windräder. Der Unternehmer aus Hannover will vier Türme entlang der langen Rechtskurve bauen, die die Autobahn 45 zwischen Wölfersheim und Münzenberg beschreibt. Die Naben der getriebelosen Enercon E 101-Generatoren liegen 149 Meter über dem Boden. Die daran befestigten Rotoren sollen 101 Meter Durchmesser haben. Jeder der vier Masten kann etwa sieben Millionen Kilowattstunden Strom ernten, schätzt Nils Niescken.
Recht leidenschaftslos trägt er dies Anfang Oktober 2016 bei der zweitägigen immissionsschutzrechtlichen Anhörung in der Wohnbacher Sporthalle vor. Der mit neun Experten angereiste Unternehmer versucht gar nicht erst, die gut 40 Wohnbacher im Saal für die Anlagen zu begeistern, die er ihnen vor die Wohnzimmerfenster stellen will. Nur soviel: „Die Energiewende in Deutschland ist beschlossen. Man kann das gut finden oder nicht. Es ist die Mehrheit, die das will.“
Es gibt aber Einwender. Gegen das am 4. Juli 2016 veröffentlichte Projekt gingen rund 500 Bedenken ein, trägt die Versammlungsleiterin Sabine Vogel-Wiedler in der Sporthalle vor. Sie kommt aus dem Darmstädter Regierungspräsidium, das nach der Anhörung und einer zweiten Offenlage den Windpark genehmigen oder verbieten wird. Im Februar 2017 oder ein paar Monate später ist mit der Entscheidung zu rechnen, macht die Expertin klar. Der „Sachliche Teilplan“ der künftigen Windenergie-Standorte in Süd- und Mittelhessen habe damit nichts zu tun. Denn der sei noch in der Beratung und werde wohl erst 2018 in Kraft treten. Sowieso liegen die vier künftigen Windmasten von Nils Niesckens Firma NWind in oder knapp neben dem für Rotoren reservierten Gebiet.
Auch die Grünen sind gegen den Windpark
Nicht einmal die Wölfersheimer Grünen mögen dieses Projekt. Ihr Fraktionsvorsitzender Michael Rückl gehört zu den Einwendern. Der schmale Ackerstreifen nordöstlich der A45, auf dem der Regionalverband FrankfurtRheinMain Windmasten dulden will, sollte nach Rückls Ansicht Acker bleiben. Die Masten wären dort allzu sichtbar: „Man kann in so einer Region nicht unbegrenzt Windräder hinstellen“, sagt der Grüne. „So erreicht man keine Akzeptanz der Bevölkerung.“ Besser fände Rückl einige Windmasten im Wald auf der anderen Seite der Autobahn. Dort habe die Gemeinde Wölfersheim vor Jahren schon den Verkauf eines Grundstückes an die Firma WPD-Wind beschlossen. Bisher ist für so einen Windpark aber noch keine Genehmigung beim Regierungspräsidenten beantragt worden.
Richtig sauer sind manche Münzenberger über das Projekt von Nils Niescken. Die vier Masten würden über den bewaldeten Windsmühlkopf ragen und den Anblick auf die dahinter thronende Münzenburg verschandeln. Gleich zwei Anwälte hat die Stadt Münzenberg nach Wohnbach geschickt, um dies zu verdeutlichen. Auch die Denkmalbehörden des Kreises und des Landes hätten sich doch schon gegen die Rotoren ausgesprochen. Weil sie nur drei Kilometer neben den berühmten Bergfrieden des Wetterauer Tintenfasses entstehen sollen. In Thüringen – da gelte ein Fünf-Kilometer-Abstand zwischen der Wartburg und dem nächsten Windmast.
Davon können die 1100 Wohnbacher nur träumen. Der nächste Rotor soll sich 970 Meter vom ersten Wohnhaus des kleinsten Wölfersheimer Ortsteils entfernt drehen. Zwar gilt in Hessen eine Tausend-Meter-Abstand-Regel, erläutert Sabinie Vogel-Wiedler vom Regierungspräsidium. Aber deshalb müsse man einen Windpark nicht zwingend verbieten, wenn er ein paar Meter näher an der nächsten Bebauung liegt. Doch der Einwender Norbert Bitzer sagt: „Die optische Bedrängung in Wohnbach ist schon drastisch!“ Zudem liege das Dorf 168 Meter über dem Meeresspiegel, die Spitze der Windräder aber 456 Meter hoch – das sei „massiv optisch belastend.“
Das Regierungsprädisidium in Darmstadt hat in den folgenden Monaten alle Einwände bewertet. Anfang Mai 2017 hat es dann den Bau der vier Windmühlen abgelehnt. Sie würden das Erscheinungsbild der benachbarten Münzenburg zu sehr beeinträchtigen, lautet das Hauptargument. Außerdem könnten in der Region fliegende Rotmilane durch die Windmasten zu Schaden kommen. Der Investor kann gegen diesen ablehnenden Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Gießen klagen.