Hilfe für Griechenland

60 Milliarden im Monat fürs Volk

Von Klaus Nissen

Dierk HirschelMan kann die Schuldenkrise der Griechen und die lahmende Konjunktur in Euroland ganz anders angehen. Das zeigte eine Diskussion beim Frankfurter DGB mit Blockupy und Zentralbankern.

Marshallplan für Hellas

Sowas gibt es nicht alle Tage: Ein Abteilungsleiter aus dem Generalsekretariat der Europäischen Zentralbank und ein Kapitalismuskritiker von Blockupy sitzen nebeneinander auf der Gewerkschafts-Bühne. Harald Fiedler vom DGB Frankfurt hat das organisiert und ein Thema gesetzt: Sparpolitik oder Investitionen? Wege aus der Krise Europas. Gebannt hören rund 150 Menschen am 12. März im Gewerkschaftshaus zu.

Gabriel Glöckler
Gabriel Glöckler ist Abteilungsleiter im Generalsekretariat der Europäischen Zentralbank. Foto: Klaus Nissen

Griechenland ist pleite. Die Schulden des Euro-Landes sind so hoch, dass die Griechen sie nie zurückzahlen können. Ist nicht der Schuldenschnitt unausweichlich – ein Insolvenzverfahren? Der hochrangige Zentralbanker Gabriel Glöckler schüttelt den Kopf. Die Schulden beruhen auf Kreditverträgen, und die müssten eingehalten werden. Pacta sunt servanda, nenne der Lateiner dieses Prinzip.  Man könne Griechenland auch aus moralischen Gründen nicht aus der Zahlungspflicht entlassen: „Wenn nicht einmal der Staat seine Verpflichtungen erfüllt – wer dann?“
Griechenland schuldet den Spaniern 36 Milliarden

Im übrigen sei für einen Schuldenschnitt die Zustimmung aller 18 Gläubiger-Staaten notwendig. Zum Beispiel die der selbst Not leidenden Spanier, die den Griechen 36 Milliarden Euro geliehen hätten. Die Griechen lebten nach Ansicht des Zentralbankers auf zu großem Fuß. Von 1999 bis 2008 wuchsen die deutschen Gehälter um 18 Prozent – die der Griechen dagegen um 113 Prozent. „Das ist nicht mal nur ein Schluck aus der Pulle“, so Gabriel Glöckler. Es sei ja klar, dass die Kurskorrektur schmerzhaft werde.
Wenn die Griechen nun neue Kredite bekommen, ist das für den Zentralbanker ein „Zeichen der Solidarität“ mit den Hellenen. „Wir haben erfolgreich gezeigt, dass wir Probleme gemeinsam lösen können.“ Aber wie genau wird Griechenland seine Mega-Schulden los? fragte der FR-Wirtschaftsredakteur und Moderator Daniel Baumann nach. Glöckler blieb die Antwort schuldig. Nur soviel: „Komplexe Fragen haben leider auch komplexe Antworten.“

Dierk Hirschel
Dierk Hirschel ist Chefvolkswirt der Gewerkschaft Verdi. Foto: Klaus Nissen

Dierk Hirschel hat eine Idee. Der Chefvolkswirt der Gewerkschaft Verdi: „Mit einem Schuldenschnitt allein sind die Probleme nicht gelöst. Wir müssen einen europäischen Marschallplan für Griechenland auflegen – öffentliche Direktinvestitionen, zum Beispiel in erneuerbare Energien, ins Bildungssystem. Den Griechen helfen, eine Vermögensabgabe durchzusetzen.“ Das sei dringend nötig, weil in Griechenland fast jeder Vierte keine Arbeit mehr habe und viele Eltern ihre Kinder in SOS-Kinderdörfern abgeben müssten, weil sie sie nicht mehr ernähren könnten.
Die Technokraten der Europäischen Zentralbank haben nach Hirschels Ansicht ihre Kompetenzen überschritten, indem sie den Griechen Vorschriften bei ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik machen. Gabriel Glöckler wehrt sich: „Die EZB erpresst niemanden!“ Sie habe nur die Europäische Kommission beraten, und die Vorschläge seien „durchaus substantiiert.“

Thomas Seifert
Der Frankfurter Philosoph Thomas Seifert ist ein Vordenker der Blockupy-Bewegung. Foto: Klaus Nissen

Der Philosoph und Blockupy-Aktivist Thomas Seifert gibt sich mit solchem Geplänkel nicht ab. Blockupy plant eine Art Belagerung des neuen EZB-Hochhauses bei dessen Eröffnung am 18. März. Für Seifert kommt es nicht darauf an, ob die Finanzmärkte Vertrauen in die griechische Volkswirtschaft haben oder nicht. „Ich verlange, dass das Vertrauen der Leute hergestellt wird. Die Griechen sagen: es geht um unsere Würde – das ist für mich entscheidend!“
Konkret würde Seifert die Schulden Griechenlands unter die Lupe nehmen. Streichen würde er die „scheußlichen Schulden“. Darunter versteht der Blockupy-Mann zum Beispiel jene Kredite, mit denen Griechenland Waffen gekauft hat. Und Schulden, mit denen korrupte Eliten in Griechenland und Europa ihre Geschäfte machen. Und wenn dann nach so einem Teil-Schuldenschnitt manche Banken pleite gehen, dann müssten notfalls die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. „Das Ziel ist, einen Putsch gegen die griechische Regierung zu verhindern.“

Johannes Priesemann
Johannes Priesemann hat als Vizepräsident der Gewerkschaft Ipso eine eigene Meinung zur EZB – bei der er in verantwortlicher Stellung auch arbeitet. Foto:  Nissen

Tja. Geld regiert die Welt – aber wer regiert das Geld? Sicher auch die Europäische Zentralbank im Frankfurter Osten. Das ist eine riesige Organisation mit vielen intelligenten Leuten wie Gabriel Glöckler und Johannes Priesemann. Letzterer sagt: „Es ist nicht ausgemacht, dass nicht das System selbst das Risiko ist“. Priesemann leitet die Abteilung Zahlungsverkehrssysteme und Marktinfrastrukturen. Nebenbei ist er Vizepräsident einer Art Gewerkschaft – der International and European Public Services Organisation (IPSO). Er ließ durchblicken, dass die Personalvertreter kaum beeinflussen können, wer bei der EZB Karriere macht. Und: Es gebe „Hinweise, dass Andersdenkende zum Schweigen gebracht wurden.“ Leider kann man darüber im Frankfurter Gewerkschaftshaus nichts weiter erfahren.
Das Publikum macht sich eigene Gedanken. Einer fragt Glöckler, warum die Zentralbank eigentlich Staatsanleihen kauft, um die Konjunktur anzukurbeln. Sie könne die 60 Milliarden pro Monat doch den 350 Millionen EU-Bürgern aufs Konto überweisen. Das Geld werde man schon nutzen, um die Wirtschaft zu beleben. Gabriel Glöckler schüttelte den Kopf. „Das wäre ja ein Riesen-Sozialprogramm. Das müsste zuerst in den Parlamenten diskutiert werden.“ Keine schlechte Idee: Das frisch gedruckte Geld der Zentralbank brächte jedem Europäer etwa 171 Euro im Monat zusätzlich.

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