Menschenkette in Wetzlar
von Ursula Wöll
Samstag, der 23. Mai, war der ‚Tag des Grundgesetzes‘. Die Hilfsorganisation ‚Seebrücke‘ hatte ihn zu einem europaweiten Protesttag erklärt. Neben Aktionen in 9 europäischen Ländern und 40 deutschen Städten startete auch die Lokalgruppe Wetzlar eine gut vorbereitete Mahnwache auf der Alten Lahnbrücke. Sie protestierte gegen die überfüllten Flüchtlingslager in Griechenland. Das Lager ‚Moria‘ auf der Insel Lesbos steht exemplarisch für das Elend.
Mahnwache mit Mundschutz

20000 Menschen sind im Lager „Moria“ auf engstem Raum zusammengepfercht, es gibt zu wenig Wasserhähne, zu wenig Toiletten und kaum Müllabfuhr. Nun, in Zeiten von Corona, wird es doppelt dringlich, diese Lager aufzulösen und das Asylrecht ernst zu nehmen, das im Grundgesetz festgeschrieben ist.
„Die ‚Seebrücke‘ ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und AkteurInnen der Zivilgesellschaft. Mit der Farbe Orange – der Farbe der Rettungswesten – zeigen wir unsere Solidarität mit den flüchtenden Menschen sowie den Seenotrettungsorganisationen“, so definiert sich die ‚Seebrücke‘ auf ihren orangefarbenen Flugblättern. Auch das Flatterband, mit dem die über 50 TeilnehmerInnen auf Linie gehalten wurden, war von der Farbe Orange. Vorher hatten zwei Organisatoren exate Abstände von 1,50 Meter abgemessen und jeweils ein Kreuz auf den Boden gemalt. Als ich diese Kreuze nicht so genau beachtete, machte man mich sofort darauf aufmerksam. Natürlich gehörte Mundschutz zum Demo-Outfit. Aufgerufen zu der Aktion hatten auch die Flüchtlingshilfe Mittelhessen, die Naturfreunde OG Wetzlar, der Laurentiuskonvent Laufdorf, Attac Lahn-Dill und das Kulturzentrum Franzis. So war ich angenehm überrascht, als sich die leicht gebogene lange Lahnbrücke dann bis über ihre Enden mit ProtestlerInnen füllte. Nur drei PolizistInnen wachten über das Procedere, sie hatten nichts auszusetzen. Direkt vor der Hospitalkirche war ein Zelt aufgebaut sowie ein Klo und eine versiegte Wasserquelle, um die Zustände im Lager ‚Moria‘ sinnlich näher zu bringen. Erfahrungsberichte von Flüchtlingen liefen vom Band. Nicht nur mir wurde dabei wieder einmal klar, wie gut wir im Verdrängen geübt sind. Schon der an diesem Tag recht eklige Wind auf der Brücke war einem unangenehm.

Asylrecht ist ein Menschenrecht
Ein Menschenrecht gilt für alle Menschen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir zufällig dort geboren wurden, wo es lange keinen Krieg gab und wo die Trockenheit (noch) nicht so extrem ist, dass sie zum Hungern führt. Wo es Schulen für die Kinder und ärztliche Hilfe bei Krankheit gibt. Wenn das Virus die überfüllten Lager heimsuchen sollte, so wäre das schrecklich. Die Geflüchteten wissen das, und so kommt zu den täglichen Strapazen noch eine große Angst.

Mit viel Medienaufmerksamkeit sind im April die ersten 47 Kinder in Deutschland angekommen. Die Bundesregierung hatte groß angekündigt, 350 bis 500 Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Angesichts der großen Not sind auch das nur wenige, doch selbst für sie gibt es weiterhin keinen Zeitplan. Während die Situation in den Lagern immer dramatischer wird, spielt die Bundesregierung auf Zeit.

Dagegen richteten sich unsere Appelle, sowohl an die Bundesregierung als auch an die Instanzen der EU: Holt mehr Menschen schnell aus den überfüllten Camps! Organisiert Charterflüge, mit denen ja auch Urlauber heimgeflogen wurden! Nehmt die Menschenrechte ernster und lasst niemand verkommen! Leave No One Behind! Beachtet, dass alle Menschen eine Würde haben und daher ein Recht auf humane Behandlung. Wenn „wir“ andere in ihrem Unglück lassen, verlieren wir unsere eigene Würde. Denn wie können wir uns richtig am Leben freuen, wenn es neben uns Elend gibt, das beseitigt werden könnte.
Danke für den ausführlichen anschaulichen Bericht!