Delia Owens

„Gesang der Flußkrebse“ verzaubert

von Jörg-Peter Schmidt

Der Roman „Der Gesang der Flusskrebse“ steht seit Wochen auf den vorderen Plätzen der Bestsellerlisten. „Landbote“-Autor Jörg-Peter Schmidt hat den Roman der US-amerikanischen Autorin zum Geburtstag geschenkt bekommen.“Selten war ich von einer Geschichte so verzaubert“, sagt er.

Man riecht und schmeckt das Salzwasser

Delia Owens (gebürtige Cordelia Dykes) erzählt von einem Mädchen, das in den 1950er Jahren im Grundschulalter ist. Es lebt auf dem Weg bis hin zu einer jungen Frau allein in der Wildnis eines Marschlandes in North Carolina im Osten der Vereinigten Staaten. Was Marschland bedeutet, beschreibt die Schriftstellerin, die Zoologin ist, schon auf Seite 11: „Marschland ist nicht gleich Sumpf. Marschland ist ein Ort des Lichts, wo Gras im Wasser wächst und Wasser in den Himmel fließt. Träge Bäche …  tragen die Sonnenkugel mit sich zum Meer, und langbeinige Vögel erheben sich mit unerwarteter Anmut … vor dem Getöse Tausender Schneegänse.“ 

Man wird von der Autorin sofort in eine sumpfige, von feuchten Wiesen durchgezogene Gegend mitgenommen und in Gedanken riecht und schmeckt man das salzige Wasser und hört das Rufen und Kreischen der Vögel. In  dieser ohnehin menschenarmen Gegend durchleidet die siebenjährige Kya Clark den Schmerz, dass ihre Mutter und ihre Geschwister nach und nach das Haus verlassen. Nur ihr Vater (ein Alkoholiker) taucht ab und zu auf – aber auch der verlässt nach ein paar Jahren seine Tochter.

Natur wird eindrucksvoll beschrieben

Spätestens nach dem Verschwinden des Vaters beginnt die einzige Schwäche der Handlung: Warum wird einem allein in einer Hütte wohnenden Mädchen, das nicht einmal zehn Jahre alt ist, von den Behörden nicht die Schule auferlegt? Warum wird sie nicht in einem Heim oder einer Gastfamilie aufgenommen? Das zuständige Amt schafft es schließlich, Kya zum Besuch der Schule zu bewegen. Wo sie es einen Tag lang aushält – dann ist sie wieder allein in ihrer Hütte am See, wo sie sich vor den Menschen versteckt.

Allerdings neigt man schnell dazu, der Schriftstellerin die Unlogik zu verzeihen, dass weder Polizei nach andere zuständige Institutionen das Marschmädchen, wie sie (gar nicht mal gehässig) von den Bewohnern der nächstgelegenen Stadt  genannt wird, aus ihrer Isolation befreien. Vielmehr verfolgt man mit Spannung den Überlebenskampf von Kya, die sich nur von weitgehend kärglichen Mahlzeiten ernährt. Und man erlebt mit ihr die Verbindung zur Natur. Vom Boot aus beobachtet sie das Leben der Tiere, die sie als ihre einzigen Freunde sieht. Dies wird von Delia Owens keineswegs kitschig dargestellt. Vor allem die Vögel, die sie ständig umschwirren, faszinieren Kya. Sie liebt es zuzusehen , wie sich zwölf Truthahn-Küken unter die Flügel ihrer schützenden Mutter schmiegen.

Leiche liegt im Marschland

Längst hat die Geschichte an Fahrt aufgenommen und man will wissen, wie es weitergeht mit Kya. Wo sind ihre Angehörigen hin; wird sich die Mutter melden? Lernt das Marschmädchen lesen, auch ohne die Schule besucht zu haben? Und dann gibt es ja noch einen Leiche im Marschland. War es vielleicht Mord? So viel sei verraten: Kya lernt einige Menschen kennen, die gut zu ihr sind (leider erlebt sie auch das Gegenteil). Und es gibt in dem Roman auch zwei Liebesgeschichten. Und einen Gerichtsprozess, der so dramatisch ist, dass man die Seiten überblättern will, um das Urteil zu erfahren (Fast hätte ich die Spannung nicht ausgehalten und die Seiten wirklich überschlagen…)

Autorin erlebt die Wüsten Afrikas
Delia Owens. (Fotoquelle: Dawn Marie Tucker)

Wie kommt es eigentlich, dass die Schriftstellerin Delia Owens so fachgerecht die Natur beschreiben kann? Aus den Lebensbeschreibungen in den Medien über die am 4. April 1949 in Thomasville (Georgia) geborenen Biologin geht hervor, dass sie in ihrer Jugend mit ihren Eltern und den Geschwistern die Ferien in North Carolina verbrachte, dem Bundesstaat  also, in dem ihr Roman spielt. Mit ihrem Mann Mark Owens (wie sie ein Zoologe) reiste sie 1974 nach Afrika.


Schon das Titelbild des Romans beschreibt eindrucksvoll die unberührte Natur des Marschlandes. (Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München)



Zu den Lebensstationen des Ehepaares gehörte Botswana, wo es das Leben in Wüstengegenden kennenlernte, weitab von Menschensiedlungen. Die beiden forschten im Deception Valley. Dort gibt es einen Nationalpark mit einem reichhaltigen, hochinteressantem Tierleben. In ihren Publikationen berichteten die beiden Forscher über das Leben beispielsweise von Löwen und Hyänen. Später war ihr Wohnsitz unter anderem Boundary County im Bundesstaat Idaho in den Vereinigten Staaten. Delia Owens kennt also die Natur und weiß, von was sie schreibt. Und wie sie schreibt, das ist einfach wundervoll.

Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens ist im Verlag hanserblau erschienen und kostet 22 Euro (ISBN: 9783446264199). Den Roman gibt es auch als Hörbuch bei „Hörbuch Hamburg“.

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