Umstrittene Abstandsregelungen
Windkraftgegner fordern immer größere Abstände von Windrädern zu Wohngebieten. Während derzeit ein Abstand von 1000 Metern die Regel ist, verlangen etwa Bürgerinitiativen den einen Mindestabstand vom Zehnfachen der Anlagenhöhe.
Verfassungsklage in Bayern
In Bayern hatte der Landtag ein entsprechendes Gesetz mit der Höhenregelung verabschiedet, kurz 10 H genannt. Für Juristen ist das Gesetzt nicht mit der bayerischen Verfassung vereinbar. Deshalb reicht die Opposition eine Verfassungsklage ein. Der Ausgang des Verfahrens dürfte auch interessant für den weiteren Ausbau der Windkraft in anderen Bundesländern sein. Vor allem auch für Hessen. Denn bei einer 10 H-Regelung und einer 15-Kilometer-Verbotszone der Flugsicherung wäre Energiegewinnung aus Windkraft im Rhein-Main-Gebiet praktisch verhindert.
Der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner äußert sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung deutlich: „Die Regelung ist willkürlich, unverhältnismäßig und zudem auf eine Weise zustande gekommen, bei der die Rechte der Opposition missachtet wurden.“ Auch das Urteil von Michael Bihler, einem Spezialisten für Öffentliches Recht und Recht der Erneuerbaren Energien, ist eindeutig: „Das neue Abstandsgesetz ist weder mit Bundesrecht noch mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.“
Grüne, SPD und Freie Wähler (FW) in Bayern werfen der Staatsregierung vor, die Windkraft in Bayern mit solchen Regelungen auszubremsen. Zudem werde die kommunale Selbstverwaltung „praktisch abgeschafft“, so der FW-Politiker Thorsten Glauber. Der frühere bayerische Finanzminister Erwin Huber (CSU) sagte, die Klage gegen 10 H sei „eine Klage gegen mehr Bürgerbeteiligung“.
Auch Flugsicherung will große Abstände
Auch in Hessen wird der Ruf nach größeren Abständen zu Windkraftanlagen laut. Derzeit gilt ein Mindestabstand von 1000 Metern. Es gibt aber viele Bürgerinitiativen, die auch für Hessen eine 10 H-Regelung fordern. Windkraftbefürworter sehen darin praktisch die Verhinderung von Windrädern im Rhein-Main-Gebiet. Denn auch die Deutsche Flugsicherung fordert große Abstände zu ihren Funkfeuern. Sie hält einen Mindestabstand von 15 Kilometern aus Sicherheitsgründen für erforderlich. Hintergrund ist eine Richtlinie der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), die für hohe Neubauten um solche Anlagen einen Mindestabstand von 15 Kilometern statt bisher drei Kilometern vorschreibt. Die Landesregierung dagegen hält drei Kilometer für ausreichend.
Inzwischen gibt es aber Gerichtsurteile, die die von der DFS geforderte 15-Kilometer-Verbotszone kassierten. Das Verwaltungsgericht Oldenburg entschied im Juli 2014, dass Windräder keine Gefahr für eine sichere und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs darstellten. Ursprünglich hatte die Flugsicherung den Bau neuer Windräder in der Nähe von Funkfeuern verhindern wollen und auf die 15-Kilometer-Zone gepocht. Diese Forderung wies das Gericht zurück.
Es gibt aber auch anderer Urteile. Im Oktober hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt den Bau von drei großen Windrädern des Unternehmens Renertec im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim untersagt und die 15-Kilometer-Verbotszone für rechtens erklärt.
Bereits 2013 gab es aus der Windkraftbranche massive Beschwerden gegen die Forderung der Flugsicherung. Der Bundesverband Windenergie (BWE) klagte damals, Windkraftanlagen mit einer Leistung von 3500 Megawatt könnten nicht gebaut werden, weil die Luftfahrtbehörden sich quer stellten. Daran hat sich nichts geändert.
Friedberg will sechs Windräder
Zwei aktuelle Beispiele aus dem Rhein-Main-Gebiet: Die Stadt Friedberg (Wetteraukreis) will sechs Windräder auf städtischem Gelände am Winterstein bauen. Bürgermeister Michael Keller (SPD): “Da dieses Gebiet im 15-Kilometer-Radius um das Funkfeuer Erbstadt liegt, ist derzeit unklar, ob dort überhaupt gebaut werden kann. Eine Anfrage an die die Deutsche Flugsicherung wird gestellt.”
In Groß-Umstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg) stockt der Bau von drei neuen Anlagen auf dem dortigen Binselberg. Der Grund: Sie liegen zu nahe am Funkfeuer “Charlie” nahe Groß-Ostheim.