Rund um Bad Vilbel
Von Klaus Nissen
Nach dem Hessentag wird es wieder ruhiger in Bad Vilbel. Es hat ja nicht jeder Lust, sich unter 975 000 Menschen zu bewegen. Wenige Menschen, aber viel Natur, Aha-Erlebnisse und frische Luft gibt es nun auf den neu ausgewiesenen Wanderwegen um die Brunnenstadt am nördlichen Stadtrand von Frankfurt. Der Neue Landbote hat den Vilbelsteig getestet. Und ist angetan.
Wandertipp: Gehen sie auf den Vilbelsteig!
Acht Themen-Wanderwege gehören neuerdings zum Inventar der Brunnenstadt. Sie sind zwischen drei und 14,5 Kilometer lang; die Stadtmarketing-Homepage viltour.de beschreibt sie und bietet die GPS-Koordinaten zum Herunterladen an.

Nehmen wir den Vilbelsteig. Er klingt für Nicht-Sportler etwas bedrohlich. 12,5 Kilometer und 150 Höhenmeter sind ja nicht mal eben zwischen Mittagessen und Kaffeetrinken zu bewältigen. Man brauche eine gute Kondition und festes Schuhwerk für diesen anspruchsvollen Premium-Stadtwanderweg, steht auf www.viltour.de .
Die Test-Begehung an einem sonnigen Frühjahrs-Dienstag zeigt: auch mäßig fitte Menschen in Turnschuhen oder Sandalen schaffen den Vilbelsteig. Sie brauchen dafür mindestens vier, eher fünf bis sechs Stunden, Wasser und Proviant. Und sollten nicht erwarten, viel von der Stadt zu sehen. Dafür eine Menge drumherum.
Am Ende gibt es Eis. Oder Pizza
Man kann den Vilbelsteig mit einem Gang durch die Innenstadt beginnen – doch besser ist der Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn. Denn den Kaffee und Kuchen, das Eis oder die Pizza sollte man sich lieber am Ende der Tour gönnen.
Vom Start und Ziel am Südbahnhof geht es schnell ins Grüne. Schon auf dem Berkersheimer Weg, gleich neben dem Bahndamm, summt es aus dem Bienengrund des Imkervereins zur Begrüßung. Keine Angst – die Immen stechen nur, wenn man sie reizt.

Bald weisen die recht kleinen Vilbelsteig-Schilder mit dem Stern und dem Richtungs-Dreieck nach links in die Busch-und Baumzone zwischen der Berliner Straße und der Heilsbergsiedlung. Beides erstreckt sich fast bis zur Frankfurter Straße. Wer zuvor den ausgeschilderten Rechts-Knick an der Freudenberg-Anlage verpasst, steigt eben am Ende eine kurze Treppe hinauf zum Domicil-Seniorenheim. Weiter an der Feuerwehr und dem Busterminal der Heilsbergsiedlung vorbei. Eine Infotafeln verkündet, dass der evangelische Pfarrer Otto Fricke 1946 die US-Army und Lokalpolitiker überredete, auf der Vilbeler Höhe eine Siedlung für 6000 Heimatvertriebene zuzulassen. Seit Juni 1948 heißt sie Heilsberg, benannt nach einer masurischen Kreisstadt – heute Lidzbark Warminski.
Jenseits der vierspurigen Stadtautobahn nach Frankfurt empfangen hohe Bäume den Wanderer. Die Riesen tragen Kleider aus Efeu. Im Geäst lärmen Zaunkönig und Specht, der Zilpzalp, der Waldbaumläufer und das Wintergoldhähnchen. Es geht kaum noch bergauf. Links ab markiert der grün gestrichene Bauwagen der Wald-Kita „Pfützenspringer“ den mit altem Laub belegten Weg.
Ein uralter Stadtwald
Buschwindröschen wachsen zwischen dicken Buchen- und Eichenstämmen. Von März bis Mai wächst fast kniehoch der Bärlauch, dicht an dicht, kilometerweit über viele Hektar. Es ist der wohl größte Bestand in ganz Südhessen. Und so üppig, dass nirgendwo ein Schild verbietet, davon ein paar Blätter für die Pesto- oder Gemüsezubereitung zu rupfen.

Seit 500 Jahren gehört der Wald der Stadt. Er diente mehr als Jagdrevier denn als Holzplantage. Wer hindurch wandert, fühlt sich geehrt, diese mächtige Natur besuchen zu dürfen. Nicht einmal der elf Hektar große Kahlschlag trübt dieses Gefühl, den die Wehrmacht ab 1930 dem Wald antat, um dort einen Schießplatz einzurichten. Ab 1945 schossen hier die Amerikaner. Jetzt ist er eine Wiese. Der gut acht Meter hohe Wall des Kugelfangs wurde abgeschält, um die Geschosse zu bergen. Nun tarnt er sich unter den Bäumen.
Über den Erzweg nach Enkheim
Eine Viertelstunde später steigt aus dem Waldhang von links der hell geschotterte Erzweg zum Vilbelsteig auf. Er verbindet den Stadtkern Bad Vilbels direkt mit dem von Bergen-Enkheim. Weiter geht es, nur wenige Meter hinter dem breiten Waldsaum, nach Nordosten.
Vom Waldrand zieht sich eine riesige, geneigte Obstwiese den Hang hinauf. Hinter der Kuppe liegt Frankfurt. Zu Ostern 1759 krepierten auf dieser schönen Wiese etwa 6000 Soldaten. Im Siebenjährigen Krieg versuchten 22000 Preußen und Engländer vergeblich, die von 30 000 Franzosen besetzte Stadt Frankfurt einzunehmen. Der Kanonendonner soll bis Friedberg und Gelnhausen zu hören gewesen sein.

Das ist zum Glück Geschichte. Der Vilbelsteig wendet sich parallel zum Waldrand nach Norden. Wie zuvor den Lutherweg trifft er nun die Regionalparkroute, auf der man auch prima Radfahren und abseits auf Sitzsteinen rasten kann. Unter hohe Eichen wurde ein inzwischen schiefer Zaun aus Cortenstahl-Platten gestellt, in die von links nach rechts die Erdzeitalter eingeschweißt sind. Von den zugehörigen Gesteinen liegt davor noch Granit, Phyllit und Grauwacke aus dem Ordovizium, Silur und Karbon. Die anderen sind fort. Weiter geht es durch Obstwiesen, die immer häufiger von Gärten flankiert sind. Bad Vilbel ist noch immer nicht in Sicht.
Auch der Friedhof ist sehenswert
Dann, nach bald fünf Stunden, ragt der Turm der Auferstehungskirche ins Blickfeld. Kurz davor kann man auf dem schön angelegten Bergfriedhof das Grab des legendären Eishockeyspielers Toni Raubal besuchen.
Wenn man ihn wieder verlässt, endet links die Lohstraße in einer Sackgasse. Sie ist die älteste Straße von Vilbel. Der Ort wurde am Hang östlich der Nidda angelegt, hoch über der damals sumpfigen Flussniederung. Vom Ende der Lohstraße zieht sich der Vilbelsteig als schmaler Weg zwischen Gärten hindurch.
Und da taucht rechts überm Maschendrahtzaun plötzlich die Stadt auf – etwa 20 Meter tiefer liegen die Wohnhäuser, die Wasserburg und die Nikolaus-Kirche mit ihrem grün-braunen Metalldach. Die Panoramastrecke ist die obere Abbruchkante eines antiken Steinbruchs. Vor fast 2000 Jahren bauten die Römer hier den roten Sandstein ab, aus dem sie das Saalburgkastell im Taunus bauten.

Den Abstieg in Richtung Stadtmitte flankieren Tafeln mit Hinweisen auf die Krustenbrüche und Magmen, die Bad Vilbels heutige Oberfläche formten. In den Eisdielen und Lokalen an der Frankfurter Straße kann man dann rekapitulieren, wie wenig man vor der Wanderung von dieser Stadt wusste. Oder anfangen, die nächste Wanderung zu planen. Auf viltour.de sind noch sieben weitere beschrieben.
Bad Vilbeler Wanderwege
Selbst wer in Bad Vilbel wohnt, kennt wohl nicht alle sehenswerten Winkel in und nahe der Brunnenstadt. So lohnt auch für Einheimische der Blick auf die Stadtmarketing-Webseite www.viltour.de. Sie kündigt Kulturveranstaltungen an, zeigt öffentliche „Trinkstellen“ und Sehenswürdigkeiten.
Acht Themen-Wanderwege sind seit 2023 beschildert worden. Die Strecken kann man sich von der Webseite herunterladen. Gerade mal 2,7 Kilometer kurz ist der Rundweg „Auf dem Rothen Horst“. Er führt in der Nähe der Auferstehungskirche zu mehreren alten Steinbrüchen, in denen Tafeln auch die Geologie in der Vilbeler Gemarkung erklären.

Die 6,8 Kilometer lange Skyline-Tour umrundet den Heilsberg und bringt schöne Ausichten auf die Frankfurter, aber auch auf die Bad Vilbeler Skyline.
Barrierefrei ist der 5,6 Kilometer lange und jederzeit abkürzbare “Wassererlebnisweg“, der vom Südbahnhof aus beide Nidda-Ufer stromab- und -aufwärts erkundet. Auch der 9,7 Kilometer lange Landschaftsweg „Schaufenster Wetterau“ ist bequem mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen benutzbar. Er führt vom Festplatz aus an Wiesen entlang nach Gronau und dann zur Nidda – im Café des Dottenfelder Hofes kann man zum Schluss rasten.
Auenland-Pfad und Natura-Trail
Der „Auenland-Pfad“ beginnt ebenfalls am Festplatz. Über 9,7 Kilometer geht er an der Nidda entlang nach Norden und umrundet dann den großen Golfplatz östlich von Dortelweil. Auch dabei kann man zum Schluss in der anthroposophischen Hofgemeinschaft rasten.
Eine fünf Kilometer lange Waldrunde erkundet den Vilbeler Forst. Sie beginnt am Ritterweiher neben der Friedrich-Ebert-Straße und führt auf meist schattingen Wegen auch rund ums Biotop am alten Schießplatz.

Mit 14,5 Kilometern Länge ist der Natura-Trail eher als ganze Tagestour geeignet. Los geht es am Südbahnhof, dann durch den Vilbeler Wald, über die Berger Wiese nordostwärts nach Gronau. Und dann in einer Runde zum Dortelweiler Golfplatz mit dem Nidda-Ufer und zurück nach Gronau – wo man mit dem Stockheimer Lieschen stündlich zurück zum Ausgangspunkt kommt.
Die Flyer der einzelnen Wege und weitere Informationen zum Wandern und Vilbel-Erleben sind auf viltour.de erreichbar – auch auf Papier und mündlich in der neuen Tourist-Info an der Frankfurter Straße 74. Dort kümmert sich dienstags, mittwochs und donnerstags zwischen 10 und 15 Uhr ein engagiertes Team um die Gäste. Nach dem Umzug aus dem Dortelweiler Rathaus in die Kernstadt registriert der Stadtmarketing-Geschäftsführer Daniel Kumelis ein verstärktes Publikumsinteresse. Nachgefragt würden vor allem Tipps zum Wandern, Radfahren und zum Wassertreten – dem Kneippen.
Die Zahl der Vilbel-Touristen wächst
Solche Angebote und die Nähe zu Frankfurt bringen immer mehr Gäste nach Bad Vilbel. Für 2024 verzeichnet Bad Vilbel laut Kumelis 21,3 Prozent mehr Übernachtungen als im Vorjahr (117 067 Übernachtungen). Vor Corona, im Jahr 2019, lag laut Statistik die Zahl der Übernachtungen noch bei 55.827. Innerhalb von nur fünf Jahren haben sich die Übernachtungszahlen also mehr als verdoppelt.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer stieg zudem von 2,7 auf 3,3 Tage. Zwar ist die Zahl der Ankünfte leicht um 1,8 Prozent zurückgegangen (2023: 43.236, 2024: 42.474), dieser Rückgang wird laut Kumelis jedoch durch die längeren Aufenthalte mehr als kompensiert.

Bürgermeister Sebastian Wysocki zeigt sich hochzufrieden mit der Entwicklung: „Diese Zahlen sprechen für sich. Sie belegen deutlich, dass sich unsere kontinuierlichen Investitionen in den Tourismus und in die Aufenthaltsqualität bezahlt machen.“ Kongresse, hochwertige Konzerte oder das Badminton Final Four Turnier in der Vilco zögen Publikum an. Die Burgfestspiele machten Bad Vilbel als Destination noch beliebter.