Keltenkaffee, Zwerge, Entgasungsröhren
Von Klaus Nissen
Impressionen von der ersten Etappe des Oberhessensteigs gibt diese Folge der Landbote-Serie über den zur Landesgartenschau 2027 geschaffenen Weitwanderweg. Die GPS-Koordinaten stehen auf dem Wanderportal Komoot zum Herunterladen bereit: komoot.de/collection/2104647/-oberhessensteig-in-17-etappen Die Etappe von Stockheim nach Limeshain haben wir schon mal ausprobiert.17 Kilometer horizontal, 250 Meter vertikal
Ein sonniger Samstag – ideal für einen langen, aussichtsreichen Gang auf der ersten von 17 Tagesetappen des Oberhessensteigs. Mit Wanderfreundin Corinna habe ich mich am Stockheimer Bahnhof verabredet. Wir wollen von dort bis Rommelhausen laufen. Laut Beschreibung im Wanderportal sind das 17,65 Kilometer mit einer gesamten Steigung von 250 Metern. Beim Durchschnittstempo von 4,14 Stundenkilometern müsste das in weniger als vier Stunden zu schaffen sein. Schaffen wir locker.
Doch wie kommen wir am Ende der Tour zum Ausgangspunkt zurück, ohne einen Gewaltmarsch zu machen? Dazu ist es sinnvoll, die App des Rhein-Main-Verkehrsverbundes zu konsultieren. Ich entscheide mich, das Auto am Bahnhof von Altenstadt zu parken und von dort mit der Bahn nach Stockheim zu fahren, wo Corinna mich schon am Bahnsteig erwartet. Diese Anreise wird sich später als hilfreich erweisen.
Mittags marschieren wir los. Mit sehr leichtem Gepäck: Trinkwasser, der obligatorischen Regenjacke. Corinna hat noch ein paar Stullen dabei. Und ihre Wanderstöcke, die sogleich hilfreich werden. Denn der Weg vom Bahnhof überquert den Bleichenbach und steigt dann schnell am Lückenberg hinauf. Wir ahnen nun, warum die Route Oberhessensteig heißt – und nicht Oberhessenweg.
Tolle Ausblicke, dann auf den Glauberg
In der ersten Stunde steigen wir so 136 Meter hinauf auf den Glauberg. Das kann durchaus schweißtreibend sein. Allerdings passieren wir dabei zweimal Ruhebänke mit toller Aussicht auf das Niddertal. Einmal halten wir irritiert inne, als uns das Handy weg vom Weg zu einem Acker am Waldrand führt. Der schmale, schräge Rain ist mit hohem Gras bewachsen. Deshalb steht also in der Beschreibung, dass Trittsicherheit erforderlich sei.
Auf dem Waldweg zum Glauberg-Plateau begleitet uns vielfältiges Vogelgezwitscher und von den windbewegten Zweigen erzeugtes Sonnengeflirr. Dafür haben die Japaner ein eigenes Wort: Komorebi.
Der Glauberg – erster Höhepunkt der Etappe. Wir passieren die noch gut erkennbaren Verteidigungswälle dieser neolitischen und später keltischen und staufischen Festung. An der Ruine der vor 800 Jahren zerstörten Burg vorbei spazieren wir längs über das Plateau. Dick mit Entengrütze bedeckt, schläft unter Eichenkronen ein Teich. Hier schöpften die einstigen Bewohner das Wasser, das sie auch lange Belagerungen überleben ließ. Heute tummeln sich nur wenige Touristen auf dem Plateau.
Am Grabhügel vorbei nach Düdelsheim
Umso mehr sind es, als wir an der anderen Seite des Glauberges absteigen. Das futuristische Gebäude des Keltenmuseums zieht massenhaft Ausflügler und Bewunderer der 1994 hier entdeckten Keltenfürst-Statue an. Wir wollen nur ein wenig unter dem mächtigen Vordach aus Cortenstahl rasten. Bei Bedarf gibt es hier Apfelkuchen, Kaffee und Grüne Soße als Stärkung für den weiteren Weg.
Der führt uns schnurgerade bergab, parallel zum einstigen Prozessionsweg des keltischen Heiligtums. Es geht durch Felder auf Düdelsheim zu. Ein Blick zu wenig auf das Display, und wir verpassen den Links-Abzweig zum Düdelsheimer Weinberg. Egal. Auch die Begegnung mit den langhaarigen Ziegen ist erbaulich, die in der Bachniederung die fast mannshohen Brennesseln wegfressen. Ein Stück weiter passieren wir den jüdischen Friedhof. Und schließlich die Düdelsheimer Hauptstraße.
Vorbei an Märchenfiguren
Weiter, über den Seemenbach und mit Rechtsschwenk an der alevitischen Moschee vorbei schräg bergauf in den Waldhügel, der Düdelsheim südlich begrenzt. Angenehm kühl ist es hier. Wenn wir 1270 Jahre früher gekommen wären, hätten wir hier um den 15. Juli 754 den Abt Sturmius und den Mainzer Bischof Lullus getroffen. Sie überführten den Leichnam des von Friesen gemeuchelten Heiligen Bonifatius zum Kloster Fulda. Diese Etappe des Oberhessensteigs ist auch Teil der Bonifatiusroute, die auf diesem Abschnitt vom Heimat- und Bürgerverein Düdelsheim sorgfältig gepflegt wird.
Links des Waldweges erwarten uns lebensgroß der gestiefelte Kater, Hans im Glück, Schneewittchen, zwischen deren Knien uns ein auf Zwergengröße geschrumpfter Ex-Bürgermeister von Büdingen anstarrt. Die Holzbildhauerin Johanna Busch aus Calbach hat die lebendig wirkenden Gestalten geschaffen. Sehr
Der Weg zieht sich links um den Gipfel herum. Da zielt ein Holzschild auf den weglosen Waldhang links von uns. „Zum Geotop Entgasungsröhren 50 M“ steht neben dem Relief eines Wildschweins mit Pups-Wolke. Was ist das? Eine alte Mülldeponie mit Auspuff? Ich lasse Corinna auf dem Weg zurück und suche den Hang ab. Finde im Gestrüpp aber nichts, verlaufe mich und komme verkratzt und erschöpft zurück auf den Weg. Die spätere Netz-Recherche enthüllt: Hier liegen Basaltklötze mit röhrenähnlichen Löchern. Sie entstanden, als vor zwölf Millionen Jahren der Vogelsberg-Vulkan letzte Gase durchs erstarrende Magma an die Oberfläche drückte.
In Himbach heißt es durchhalten
Nordöstlich von Himbach entlässt uns der Wald. Ein asphaltierter Fahrweg leitet uns auf eine Anhöhe. Links liegt Eckartshausen malerisch in der Senke des oberen Krebsbachtales. Und hinter der Kuppe erwartet uns Himbach. Der Oberhessensteig zweigt vorher rechts ab, umgeht das 1600-Seelen-Dorf und steuert direkt das dahinter liegende Rommelhausen an.
Aber wir sind müde und spekulieren auf den 563er-Bus, der uns von der Haltestelle „Himbach Am Zentrum“ zum Altenstädter Bahnhof bringen soll. Auf dem Weg dorthin lernen wir erstens, dass es in Himbach weder eine Eisdiele, noch sonstige Erquickung gibt. Und zweitens, dass die Haltestelle „Am Zentrum“ weit draußen liegt.
Doch der Bus kommt verlässlich, und der Fahrer nimmt uns mit, obwohl sein Lesegerät das E-Ticket nicht lesen kann. In Altenstadt bringe ich Corinna mit dem Auto nach Stockheim zurück. Mehr als fünf Stunden hat unsere Wanderung gedauert. Sie war schön, aber auch anstrengend. Wie ist der Oberhessensteig wohl im hohen Vogelsberg? Das werden wir bald herausfinden.