Umstrittener Blitzer

Das Hüttenberger Fiasko

Von Michael BreuerBlitzer1

Ein neuer Blitzer hat in Hüttenberg die Verkehrssicherheit vermindert: die erlaubte Geschwindigkeit wurde von 50 auf 70 Stundenkilometer erhöht. Eine Provinzposse.

Einjähriges Tauziehen

„In der letzten Juli-Woche bauen wir die Blitzer in Hüttenberg ab.“ Deutliche Worte von Thomas Fabricius, Leiter von Vertrieb und Marketing bei dem Verkehrselektronik-Unternehmen Vetro. Das Wismarer Spezialunternehmen hat der Gemeinde Hüttenberg, die vor allem wegen des dort produzierten Handkäses bekannt ist, die Kündigung des Vertrages bei der stationären Geschwindigkeitsüberwachung an der Hessenstraße überreicht. Nach einem fast einjährigen Tauziehen zwischen Gemeindeverwaltung und der Kreisaufsicht, waren die Kamerasäulen erst Anfang Mai diesen Jahres endlich in Betrieb gegangen. Das abstruse Ergebnis des Streits der Verwaltungen um die Verkehrssicherheit war, dass in dem Straßenabschnitt nun 70 km/h statt 50 km/h gilt und somit dort nun mehr Gefahren lauern als vorher.

Das ist der eine Teil der traurigen Geschichte. Der andere spielt sich nun zwischen der Gemeindeverwaltung und der Betreiberfirma der Kamerasäulen ab. Denn die Überwachung der Geschwindigkeit an der Kreuzung Hessenstraße/Weidenhäuser Straße möchte Vetro mit einem neuen Vertrag nur fortsetzen, wenn die Gemeinde ihrerseits für 27000 Euro die beiden Blitzersäulen – also die leeren Hüllen – von Vetro erwirbt und mit dem Betrieb einen Mietvertrag über die Nutzung von Kameras abschließt. Dafür würden monatlich nochmals mindestens 2000 Euro fällig.

Immer wieder Ärger

Seit Ende Januar gab es immer wieder Ärger wegen des Vertrages und wegen Schadensersatzansprüchen.
Bei der Gemeindeverwaltung der gibt man sich gelassen bis wortkarg. Bürgermeister Christof Heller sieht keine juristische Grundlage für eine Kündigung des Vertrages seitens des Unternehmens. Einen Rechtsstreit hält der Verwaltungschef für möglich. Ansonsten möchte er sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.
Im Mai 2014 hatten das Unternehmen und die Gemeinde Hüttenberg einen Fünf-Jahres-Vertrag geschlossen, wonach die zwei Blitzer auf der Kreuzung Hessenstraße/Weidenhäuser Straße und Am Steinsberg Fotos von Verkehrssündern aufnehmen sollten, die mit mehr als 50 km/h unterwegs waren. Das Unternehmen Vetro wird per Vertrag an den Einnahmen, die die beiden Blitzer-Säulen produzieren sollen, beteiligt. Kurz bevor die Geräte im Sommer 2014 installiert werden sollten, gab es mehrere Einwände der übergeordneten Kreisordnungsbehörde – die Blitzer wurden im Bauhof eingelagert und es entwickelten sich erhebliche Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und der Kreisaufsicht. Eine Verzögerung jagte die nächste.

Blitzer
Zum „offiziellen “ Schulweg gehört die Kreuzung Hessenstraße/Weidenhäuser Straße laut Kreisordnungsbehörde des Lahn-Dill-Kreises nicht. Diese bürokratische Sichtweise ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Kreuzung als Schulweg genutzt wird. Ob nun mit Blitzer oder ohne. Foto: M. Breuer

Vetro habe die Verzögerungen akezeptiert, habe sich kulant gezeigt, so Thomas Fabricius. Schließlich sei im Dezember 2014 der Vertrag erweitert worden, weil die Hüttenberger jetzt auch nicht nur bei Tempo 50 blitzen lassen wollten, sondern auch bei 70 Stundenkilometern, falls das denn für diesem Abschnitt im Streit mit dem Kreis so entschieden werde. Auch diese Einschränkung, die eine erhebliche Reduzierung der Fallzahlen – also der fotografierten Temposünder – bedeute, so Vertriebsleiter Fabricius weiter, habe das Unternehmen hingenommen. Hintergrund für die Vertragsänderung war, dass die Kreisaufsicht ein Tempolimit auf 50 km/h in diesem Bereich für nicht zulässig hielt, obwohl es bis dahin 20 Jahre gegolten hatte.
Im Januar beauftragte die Gemeindeverwaltung die Firma Vetro mit dem Aufbau der Geräte. Zwar seien die Anlagen am 29. Januar 2015 betriebsbereit gewesen, aber entgegen der Ankündigung der Gemeindeverwaltung und zur Überraschung des Betreibers sei der „Startknopf“ nicht gedrückt worden, weil die Streitigkeiten mit der Kreisordnungsbehörde um die Temporegelung in dem Bereich andauerten.

5000 Euro Schadenersatz gefordert

Weil die Anlagen nicht blitzen konnten, stellte die Betreiberfirma in den darauffolgenden Monaten Schadensersatzforderungen in Höhe von etwa 50000 Euro. Die Gemeindeverwaltung zahlte allerdings nicht, sah keine „keine Rechtsgrundlage“ für die Rechnungen.
Ohnehin war die Lage unübersichtlich. In dem ganzen Hin und Her kündigte dann Bürgermeister Christof Heller den Gemeindevertretern an, dass die Anlagen möglicherweise abgebaut werden könnten. Im Mai schließlich wurden die Blitzer scharf gestellt – aber für Tempo 70, nicht 50 km/h. Auch die Rechnungen waren erst einmal vom Tisch und die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen aus Wismar sollte zunächst bis September fortgesetzt werden.
Offenbar wollte sich die Gemeindeverwaltung aber nicht auf die Bedingungen von Vetro einlassen und habe laut der Firma die Kommunikation eingestellt. Vetro fühlt sich von den Hüttenbergern hinters Licht geführt. Auch habe man letztendlich von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht, weil die vereinbarten Bedingungen nicht mehr erfüllt werden könnten.
Die Gemeindevertreter die die Blitzer beschlossen hatten und die wollten, dass die Autofahrer sich in diesem Bereich an die Tempo-50-Regelung halten, scheint bisher wenig an der parlamentarischen Kontrolle ihres politischen Willens zu liegen. Ein Tagesordnungspunkt ist das Thema im Gemeindeparlament trotz der zahlreichen Querelen mit wahrscheinlich schwerwiegenden finanziellen Folgen seit Monaten immer noch nicht geworden.
Die Kosten für den Aufbau der Anlage wie zum Beispiel Fundamente und Stromanschluss wird Vetro auf jeden Fall einfordern. Da können dann rund 15000 Euro zusammenkommen. Jetzt werden auf beiden Seiten die juristischen Geschütze in Stellung gebracht.

Damit könnte der Höhepunkt des Debakels um die Verkehrsüberwachung in Hüttenberg erreicht sein: 70 statt 50 Stundenkilometer auf der Hessenstraße in der Nähe der Schulen, wahrscheinlich keine Blitzer-Überwachung an der gefährlichen Kreuzung, Umkehrung des Beschlusses der Gemeindevertretung, mögliche Schadensersatzforderungen und wahrscheinlich Rechtsstreit mit der beauftragten Firma, der auch nochmals Geld kostet.

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