Ausstellung über Frauen- und Männerbilder
von Ursula Wöll
Im Marburger Rathaus ist noch bis zum 7. August eine Ausstellung über „Frauen- und Männerbilder in der Werbung“ zu sehen. Sie wurde vom Gleichberechtigungsreferat der Stadt konzipiert. Seit langem mal wieder wird das allgegenwärtige Phänomen Werbung thematisiert, besser gesagt kritisiert. 60 Milliarden Euro wurden 2014 in Deutschland für sie ausgegeben. Ja, man ist von Werbung umzingelt: Auf meiner Startseite fand ich gerade eben Werbung von Microsoft für Windows 10, die sich sogar süßer Kinder bedient.
Subtile Beeinflussung
Nicht nur diese Werbung bedient sich des „Kindchenschemas“. Runde Formen, relativ großer Kopf und große Augen lösen einen Schlüsselreiz, den Beschützerinstinkt, aus und zwingen zum Hingucken. Ähnlich subtil verfährt eine Pullmoll-Anzeige: Sinnliche, halb geöffnete Lippen und dazu der Text: „Welcher Lutschtyp bist Du?“ Der Appell der Werbepsychologen an unsere heimlichen Wünsche wird uns meist gar nicht bewusst. Wer denkt schon bei geöffneten Lippen an ein Vagina-Symbol? Oder gar bei einer Flasche an ein Phallus-Symbol? Vor allem unsere sexuellen Wünsche werden angesprochen, das Bedürfnis nach Austausch mit anderen oder das Bedürfnis nach Anerkennung und Status. Wenn wir das Produkt kaufen, werden diese Wünsche erfüllt, so sollen wir denken. Regression heißt das in der Psychologie. Der Effekt solcher Ersatzbefriedigung ist jedoch noch mehr Unbefriedigtsein, noch mehr Kaufwut und Shopping.
Zarte Frauen, starke Männer
Mit Information über das Produkt hat Werbung also längst nichts mehr zu tun. Die Marburger Ausstellung stellt die Kritik an der sexistischen Werbung in den Mittelpunkt. Werbung schreibt die tief eingeschliffenen traditionellen Frauen-und Männerbilder fort, auch wenn man nicht mehr ausschließlich Hausfrauen zeigt. Immer noch sollen Frauen zart und schutzbedürftig wirken, vor allem aber jung sein und oft fast nackig. Selbst dann, wenn Alte beworben werden, wirken die Dargestellten bemerkenswert aktiv und junggeblieben. Halt so, wie sich die Alten gerne sähen. Männer werden als Pendant dargestellt, oft etwas älter, wodurch sie als Autorität und Vaterfigur erscheinen. Gerne demonstrieren sie der Frau irgendetwas, die staunend über seine Schulter lehnt, sich anlehnt oder gar zu ihm aufschaut. Natürlich springen auch junge, trainierte Typen am Strand zum Segelboot, dann ist die anvisierte Zielgruppe besonders jung. Und vermutlich besonders durch monotone Arbeit gequält, so dass sie sich zwar das Bier kauft, aber nicht ebenso reich, schön und frei dadurch wird.
Die Ausstellung im Marburger Rathaus am Markt ist montags bis donnerstag von 9 bis 16 und freitags von 9 bis 12 Uhr geöffnet und von einer illustrierten Broschüre begleitet, die sicher auch LehrerInnen gute Dienste leistet.
Sexistische Werbung
Seit 40 Jahren wird diskriminierende Werbung von Frauen kritisiert, aber sie existiert nach wie vor und prägt unbewusst unser Rollenbild negativ, ist also kein Vor-Bild. Wir haben uns so an die Allgegenwart der irrealen Bilder gewöhnt, was diese Ausstellung endlich wieder einmal bewusst macht. Außerdem lobt die Organisation ‚Terre des Femmes‘ für 2015 erneut den „Zornigen Kaktus“ aus. Verliehen wird er einem besonders perfiden sexistischen Werbebeispiel. Vorschläge können bis zum 21. August von Jedermann/Jederfrau eingereicht werden, und zwar an presse@frauenrechte.de. Mehr Infos findet man auf frauenrechte.de
Die Dokumentation zum Zornigen Kaktur 2014 ist hier als PDF-Datei: Der zornige Kaktus
Werbeflut eindämmen!
Solche Aktivitäten sind wunderbar, aber ich selbst würde mit meiner Kritik noch weiter gehen. Ich denke, so viel Werbung muss nicht sein. Es werden ja kaum neue Produkte angepriesen, ich bekomme jede Woche viele Seiten Werbung über Fleischwurst und Lebensmittel in den Briefkasten. Wie fürsorglich! Würde ich doch vielleicht sonst verhungern. Werbung soll uns permanent an den Akt des Kaufens erinnern, ihn als erste BürgerInnenpflicht ins Gedächtnis hämmern. Sie soll neue Bedürfnisse wecken auf Dinge, die der schnell wechselnden Mode entsprechen. Wieviel Papier wird verschwendet, und wieviele Innenstädte mit ihren zur Straße hin offenen Geschäften werden durch glitzernde Shopping Malls kaputtgemacht! (In Mainz hat sich gerade eine Bürgerinitiative mit 700 Mitgliedern gegen den Bau einer Mall durch ECE erfolgreich gewehrt www.bi-lu.de). Boykottiert werden sollten auch Pullis oder Taschen mit groß aufgedruckten Namen der Hersteller, durch die sich KäuferInnen in bewegliche Werbeflächen verwandeln.