Kinder berichten von Diskriminierung
Von Corinna Willführ
„Hast Du schon mal Rassismus erfahren?“ Freiwillig und anonym konnten Jungen und Mädchen an vier Gesamtschulen (GS) im Wetteraukreis Antworten auf diese Frage geben: der Kurt-Schumacher-Schule in Karben, der GS Gedern und Konradsdorf (Ortenberg) und der Henry-Benrath-Schule in Friedberg. Das „niedrigschwellige Angebot“ außerhalb des Unterrichts machte die Koordinierungsstelle Wetterau von „Demokratie leben“ zusammen mit der Sozialarbeit in Schulen der Regionalen Dienstleistungen Wetterau (RDW) wärend der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022.Hast Du Rassismus erfahren
Auf dem Papier sind es nur Zahlen. Zahlen, hinter denen sich Erfahrungen verbergen, die niemand erleben sollte: Wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Sprache diskriminiert zu werden. „Hast Du schon mal Rassismus erfahren?“ Von 210 Jungen und Mädchen, die sich an der GS Konradsdorf an der Aktion beteiligten, beantworteten 44 Prozent die Frage mit „Ja“. An der GS Gedern waren es 34,80 Prozent von 92 Teilnehmenden. An der GS Henry-Benrath in Friedberg war mit 48,40 Prozent fast jeder Zweite von 245 Schülern schon Rassismus ausgesetzt, an der Kurt-Schumacher-Schule in Karben lag die Quote bei 31,44 Prozent der 264 Teilnehmenden.

„Allen Schulen war gemeinsam, dass Schülerinnen und Schüler zwar noch ihre Rassismus-Erfahrung angegeben haben, die mit Ja Stimmenden aber ganz oft nicht angegeben haben, wo und aus welchem Grund“, stellt Cornelia Wenk von der Koordinierungsstelle Wetterau des Bundesprogramms „Demokratie leben“ fest. Wenk hat die Ergebnisse der Aktion, die an jeder der Schulen jeweils einen Vormittag stattfand, ausgewertet.
Hautfarbe, Herkunft, Kultur
Eine mögliche Erklärung dafür hat Maximilian Simon. Simon ist Lehrer für Englisch, Politik, Wirtschaft und Ethik an der GS Konradsdorf. Auch wenn die Teilnahme anonym gewesen sei, hätte es im Beisein von Mitschülern doch Mut erfordert, einen konkreten Grund für die Diskriminierung auf die im Schulfoyer aufgebauten Stellwänden einzutragen. Positiv erlebt hat Simon, dass – wie von den Initiatoren beabsichtigt -: „Die Jungen und Mädchen sich untereinander austauschten, zu Zweit oder in kleinen Gruppen über das Thema ins Gespräch kamen. So standen die Schüler selbst wirklich im Mittelpunkt.“
Eine Beobachtung, die Eva-Maria Diers, RDW-Schulsozialarbeit an der Henry-Benrath-Schule teilt. „Die Schülerinnen und Schüler waren sehr interessiert.“ Öfter seien Gespräche entstanden, in denen sich die Teilnehmenden darüber ausgetauscht hätten, „wie schwierig es ist anzukommen.“ Die im Vergleich zu den drei anderen GS deutlich höhere Zahl an jungen Menschen, die an der Friedberger GS als Grund für erfahrenen Rassismus „Hautfarbe, Aussehen, Kultur, Herkunft“ angaben (28) erklärt Diers mit dem Schüleranteil von Geflüchteten etwa aus Eritrea, Afghanistan oder Nigeria.
Nach der Straße kommt die Schule
Auch wenn nur wenige Jungen und Mädchen angaben, wo sie Rassismus erlebt haben, stand nach „auf der Straße mitbekommen“ (17), „in der Schule“ mit 13 Nennungen an zweiter Stelle. Für Anette Kehrbaum, pädagogische Leiterin Sozialarbeit in Schulen (RDW) zeigen die Ergebnisse, „dass wir gemeinsam an dem Thema weiterarbeiten müssen.“ Im Unterricht wie in der Schulsozialarbeit. Gerade auch, weil „Rassismus in Deutschland präsent ist, auch wenn das Thema derzeit durch den Krieg in der Ukraine, die Inflation und die Klimakrise in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund getreten ist.“

Mit „Nein“ haben die Frage „Hast Du schon mal Rassismus erfahren“ an der GS KSS Karben 44,32 % der Teilnehmenden, an der GS Gedern 44,57 Prozent, an der GS Konradsdorf 44 Prozent und an der GS Henry-Benrath Friedberg 35,10 Prozent geantwortet. Dazu der Kommentar eines Schülers: „Ich bin ja schließlich Deutscher.“
Die Koordinierungsstelle Wetterau von „Demokratie leben“ und die Schulsozialarbeit an Schulen der RDW wollen ihre Kooperation weiter fortsetzen. (Nicht nur) in den Internationalen Wochen gegen Rassismus im kommenden Jahr. Diese finden vom 20. März bis 2. April 2023 statt.
Die Zahlen zur Auswertung der Aktion sind dem Kurzbericht „Partnerschaft für Demokratie Wetterau „Demokratie leben“ entnommen.
Titelbild: Während einer Projektwoche im Unterricht haben Jungen und Mädchen der Jahrgangstufe 9 mit dem Offenbacher Graffiti Artist Fabi Creis dieses Graffiti (Teilansicht) auf einer Außenwand der GS Konradsdorf als Statement gegen Hass und Rassismus realisiert. (Foto: Corinna Willführ)