Naturfreunde

Nazis plündern das Glauberg-Haus

Mit einem Aktionstag „Gegen das Vergessen“ erinnern die Naturfreunde Bad Vilbel am Sonntag, 23. April 2023, an dieses Verbrechen der örtlichen Hitlerjugend mit einem Vortrag mit anschließenden Rundgang.

Polizei ignoriert das Nazi-Verbrechen

Die hessischen Naturfreunde wurden wie alle anderen Arbeitervereine am 3. Juni 1933 verboten. Schon vorher waren sie verstärktem Naziterror ausgesetzt. Ermutigt vom brutalen Vorgehen der Nazis im Reich, plünderten Mitglieder der Hitlerjugend das am Glauberg gelegene Naturfreundehaus. Als eine Gruppe junger Naturfreunde Pfingsten dort ankamen, fanden sie nur noch das ausgeräumte und nicht mehr bewohnbare Haus vor. „Die Naturfreunde waren zu dieser Zeit noch völlig legal und das Glauberghaus ihr Eigentum. Trotzdem gingen Polizei und Justiz nicht gegen solche Naziverbrechen vor“, berichten die Naturfreunde Bad Vilbel.

Die Oberhessische Tageszeitung vom 9. Juni 1933 berichtet unter der Überschrift „Hitlerjugend besetzt das Naturfreundeheim auf dem Glauberg“, mit markigen Worten von der Säuberung dieses „Schandflecks an den deutschen Sitten“. Datiert wird das auf den 2. Juni 1933, also den Vortag des eigentlichen Verbots. „Ein interner Schriftwechsel zwischen dem Ortsgruppenleiter und einer übergeordneten Stelle beweist jedoch, dass die ganze Aktion bereits im März 1933 durchgeführt wurde, was sich auch mit den Erinnerungen von Naturfreundemitgliedern deckt“, stellen die Naturfreunde Bad Vilbel fest..

Der Heimatforscher Michael Strecker wird in der Veranstaltung über den Aufstieg des Nationalsozialismus in Oberhessen berichten. Die Aufruhr-Stimmung in den Dörfern und der Aufstieg der Nationalsozialisten in Ranstadt und Dauernheim ist Thema seines Vortrags. Der Lokalhistoriker und Buchautor unternimmt eine Zeitreise in das Jahr 1932. „Vorne auf der Leinwand paradieren SA und SS in ihren schönen Uniformen, aber hinter den Kulissen des Dritten Reiches sieht es ganz anders aus!“ So mahnte schon im Sommer 1932 der örtliche SPD-Ortsvereinsvorsitzende seine Mitbürger. Und weiter: „So sieht die Freiheit aus, welche diese sogenannte nationalsozialistische Arbeiterpartei den Arbeitern bringen wird: Erst das Zuckerbrot und dann die Peitsche.“

Die Stimmung in den Dörfern war gekippt

Doch seine Mahnungen wurden nicht mehr gehört. Die Stimmung in unseren Dörfern war längst gekippt. Die nunmehr schon fünf Jahre währende Agrarkrise hat vor allem die Kleinbauern zermürbt. Der Bauernverband erklärt: „Weite Teile der Landbevölkerung wissen nicht mehr, wovon sie leben und wie sie ihren Wirtschaftsbetrieb aufrechterhalten sollen.“

Die Nationalsozialisten setzten sich an die Spitze der Protestbewegung gegen das verhasste Weimarer System und werden das große Auffangbecken aller Enttäuschten und Verzweifelter. SA und SS marschiert 1932 in den Dörfern auf. Die Nazis postieren sich vor Bauernhöfen und verhindern so Zwangsversteigerungen hochverschuldeter Höfe. In einem Aufruf der NSDAP heißt es: „Gerichtsvollzieher wagen sich nicht mehr in die Dörfer hinein. Die Bauern rotten sich mit Dreschflegeln und Sensen zusammen und leisten aktiven Widerstand, wenn man ihnen das Vieh aus dem Stall holen will. Wenn der Bauer anfängt, sich gegen ein System aufzulehnen, dann steht über diesem System der Fluch, und das ganze Volk tut gut daran, dieses System mit Stumpf und Stiel auszurotten.“

Historischer Rundgang

Die Nationalsozialisten sind angetreten, um aufzuräumen und auszumisten. Den „Roten“ und den „Schwarzen“, die seit 1919 in Berlin regieren, haben sie den Kampf angesagt: „Haut sie heraus aus der Macht! Adolf Hitler ist unser Mann. Gebt Hitler die Macht! Alle wählen Nationalsozialisten, Liste 2.“

In fast allen oberhessischen Bauerndörfern wählt man im Sommer 1932 bei auch nach heutigen Gesichtspunkten freien und geheimen Wahlen überwiegend die NSDAP, in manchen Dörfern fast geschlossen. In Dauernheim zu 91 Prozent und in Glauberg zu 69 Prozent.

Nach dem Vortrag von Michael Strecker geht es mit dem Vorsitzenden des Glauberger Heimat- und Geschichtsvereins, Werner Erk, auf einen historischen Rundgang zu den Ereignissen in Glauberg im Frühjahr 1933 hinauf zum Naturfreundehaus. Dort wird dann noch einmal an die Plünderung erinnert. Der Aktionstag klingt mit Kaffee und Kuchen aus. Die Glauburger Bürgermeisterin Henrike Strauch hat die Schirmherrschaft für den Aktionstag übernommen.

Das Naturfreundehaus am Südwesthang des Glaubergs ist 1925 in Eigenarbeit von den Naturfreunden Bad Vilbel errichtet worden und wird auch heute noch von den Vereinsmitgliedern genutzt. Interessenten können das Haus, das bis zu 11 Personen Übernachtungsmöglichkeiten bietet, auch anmieten. (E-Mailkontakt: glauberg@naturfreunde-bv.de)

Der Aktionstag beginnt am Sonntag, 23. April 2023, um 13.30 Uhr in der Mehrzweckhalle in der Heegheimer Straße in Glauberg.

Titelbild: Das Naturfreundehaus auf dem Glauberg

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